Erysipeloid

Zusammenfassung

  • Definition:Von Erysipelothrix rhusiopathiae verursachte bakterielle Zoonose, die zu einer selbstlimitierenden geröteten Schwellung der infizierten Haut führt.
  • Häufigkeit:Seltene Erkrankung, tritt in erster Linie bei Menschen, die im Schlachthof oder im Fischfang arbeiten, auf.
  • Symptome:Äußert sich in einem lokal oder diffus auftretenden Hautausschlag, ggf. auch systemisch. Die Infektion betrifft in erster Linie die Finger oder Hände.
  • Befunde:Klinischer Befund ist das Erysipeloid: eine gerötete Schwellung der Haut, häufig rosa in der Mitte und aufgeworfen am Rand.
  • Diagnostik:Zusatzuntersuchungen sind in der Regel nicht sinnvoll.
  • Therapie:Die Therapie erfolgt durch die Gabe von Penicillin und ggf. Cephalosporinen.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Bakterielle Zoonose, die von Erysipelothrix rhusiopathiae verursacht wird.
  • In den meisten Fällen kommt es zu einer oberflächlichen Haut-/Weichteilinfektion.
  • In Einzelfällen breitet sich die Infektion aus, es können schwere systemische Infektionen wie Endokarditis, Arthritis, Osteomyelitis oder Sepsis entstehen1
  • Wird auch als Schweinerotlauf oder Erysipelothrikose bezeichnet.

Häufigkeit

  • Das Erysipeloid tritt bei Personen auf, die Kontakt mit infizierten Tieren hatten.

Ätiologie und Pathogenese

  • Erysipelothrix rhusiopathiae ist ein pleomorphes, grampositives Bakterium, das weltweit vor allem bei Schweinen vorkommt.2
  • Es wird aber auch bei Schafen, Pferden, Rindern, Hühnern, Krabben, Fischen, Hunden und Katzen gefunden.1
  • Beim Hantieren mit infiziertem Fleisch oder Fisch dringt das Bakterium über kleine Verletzungen in die Haut ein. Besonders ansteckungsgefährdet sind Menschen, die beruflich mit Tieren zu tun haben.
  • Auch Tierbisse können das Bakterium übertragen.3
  • Bei Inhalation des Erregers kann es zu einer Bronchitis kommen.4
  • Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch erfolgt nicht.

Prädisponierende Faktoren

  • Hantieren mit infiziertem Fleisch oder Fisch
  • Kleine Hautläsionen
  • Risikofaktoren für eine systemische Infektion:5
    • Immunsuppression
    • Diabetes mellitus
    • Nierenerkrankungen
    • Alkohol.

ICPC-2

  • S09 Infektion eines Fingers/einer Zehe

ICD-10

  • A26.0 Haut-Erysipeloid
  • A26.7 Erysipelothrix-Sepsis
  • A26.8 Sonstige Formen des Erysipeloids
  • A26.9 Erysipeloid, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Klinische Diagnose: Rötung und Schwellung der Haut bei Personen, die Kontakt mit Tieren hatten.

Differenzialdiagnose

  • Erysipel
  • Erythema chronicum migrans
  • Arzneimittelreaktion
  • Andere bakterielle Weichteilinfektionen

Anamnese

  • Die Inkubationszeit liegt zwischen 3 und 8 Tagen.4
  • Kontakt zu Tieren oder deren Fleisch
  • Begleitsymptome wie Fieber, Lymphknotenschwellung, Schmerzen, Krankheitsgefühl
  • Bei systemischer Infektion
    • vorhergegangene Hautläsionen

Klinische Untersuchung

  • Eine Infektion beim Menschen kann sich wie folgt manifestieren:1
    • lokale Infektion der Haut
    • diffuse Infektion der Haut
    • systemische Infektion.

Lokale Infektion der Haut, Erysipeloid

  • Dies ist die häufigste Form der von Erysipelothrix rhusiopathiae verursachten Infektion.
  • An der Eintrittsstelle der Infektion schwillt die Haut an und rötet sich; hieraus kann sich das typische Erysipeloid entwickeln (rosa in der Mitte, aufgeworfen am Rand).
  • Es entwicklen sich lediglich mäßige Schmerzen, als Begleitsymtom kann Fieber oder eine lokale Lymphknotenschwellung auftreten.
  • In den meisten Fällen bilden sich die Symptome innerhalb 4 Wochen wieder zurück.

Diffuse Infektion der Haut

  • Selten breitet sich das Erysipeloid zu einer diffusen Infektion der Haut aus.
  • Die lokale Ausbreitung wird wesentlich größer mit bereits zentraler Abheilung, bullöse Hautveränderungen können auch von der eigentlichen Infektionsstelle entfernt auftreten.
  • Häufig treten parallel Fieber, Gelenkschmerzen (Arthritis) und Lymphadenitis auf.

Systemische Infektion

  • Meist systemische Primärinfektion, ca. 40 % aller Patient*innen mit einer Bakteriämie haben vorher ein lokales Erysipeloid.
  • Am häufigsten kommt es zu einer Endokarditis.1
  • Aber auch septische Arthritiden, septische Infektionen von Gelenkprothesen oder eine Osteomyelitis können auftreten.6
  • Im ungünstigsten Fall kann es zu einer Sepsis kommen.

Ergänzende Untersuchungen

  • Kultureller Erregenachweis aus Gewebeflüssigkeit oder Biopsie
  • Bei V. a. Bakteriämie Blutkulturen
  • Bei V. a. Endokarditis transösophageale Echokardiografie 

Indikationen zur Einweisung

Therapie

Allgemeines zur Therapie

  • Bei der am häufigsten auftretenden lokalen Infektion der Haut handelt es sich um eine selbstlimitierende Erkrankung, die in der Regel keiner Therapie bedarf.
  • Eine Antibiotikagabe kann jedoch den Krankheitsverlauf verkürzen und Komplikationen vermeiden.2

Medikamentöse Therapie

  • Penicillin V (3 x 1,2–1,5 Mio. IE/d oral für 7–14 Tage)7
  • Bei Penicillin-Allergie
    • Clindamycin (3 x 0,3 g/d bis 3 x 0,6 g/d oral für 7–10 Tage)
  • Bei schweren Verläufen intravenöse Antibiotikagabe möglichst nach Antibiogramm.
    • Es besteht eine Resistenz gegenüber Vancomycin.8 

Prävention

  • Beim Schneiden von Fleisch und Fisch Handschuhe tragen.
  • Schnittwunden desinfizieren.
  • Es gibt Impfstoffe für Tiere.4

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Prognose

  • In der Regel kommt es bei lokalen Infektionen nach 3–4 Wochen zur Spontanheilung.

Komplikationen

Prognose

  • Gut

Verlaufskontrolle

  • Keine besonderen Maßnahmen

Meldepflicht

  • Die Erkrankung ist gemäß Infektionsschutzgesetz nicht meldepflichtig.
  • Bei Berufsgruppen, die Kontakt zu Tieren haben, ist das Erysipeloid als Berufskrankheit anerkannt.9

Patienteninformation

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

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Erysipeloid
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Erysipeloid

Quellen

Leitlinien

  • Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e. V. (PEG). Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2018. AWMF-Leitlinie Nr. 082-006. S2k, Stand 2017. www.awmf.org

Literatur

  1. WangT, Khan D, Mobarakai N. Erysipelothrix rhusiopathiae endocarditis. IDCases. 2020 www.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Reboli, AC, Farrar, WE. Erysipelothrix rhusiopathiae: an occupational pathogen. Clin Microbiol Rev 1989; 2: 354. PubMed
  3. Kobayashi K.I., Kawano T., Mizuno S., Kubo K., Komiya N., Otsu S. Erysipelothrix rhusiopathiae bacteremia following a cat bite. IDCases. 2019 www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Altmeyer P. Erysipeloid. Enzyklopädie Dermatologie. Springer 2020. Zugriff 28.2.21 www.altmeyers.org
  5. Tan EM, Marcelin JR, Adeel N, et al. Erysipelothrix rhusiopathiae bloodstream infection - A 22-year experience at Mayo Clinic, Minnesota. Zoonoses Public Health 2017 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Gazeau P, Rezig S, Quaesaet L, et al. Erysipelothrix rhusiopathiae knee prosthesis infection. Med Mal Infect 2018; 48:372. www.sciencedirect.com
  7. Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e. V. (PEG). Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2018. AWMF-Leitlinie Nr. 082-006. S2k, Stand 2017. www.awmf.org
  8. Jorgensen JH, Hindler JF. New consensus guidelines from the Clinical and Laboratory Standards Institute for antimicrobial susceptibility testing of infrequently isolated fastidious bacteria. Clin Infect DIs 2007; 44: 280. PubMed
  9. Fischer I, Schurer St, Jäckel R. Epidemiologie arbeitsbedingter Infektionskrankheiten. BAuA 2013 www.baua.de

Autor*innen

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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