Panikstörung

Was ist eine Panikstörung?

Der Artikel basiert auf der S3-Leitlinie Behandlung von Angststörungen.

Definition

Eine Panikstörung ist definiert als eine Erkrankung, bei der es plötzlich und unerwartet zu Attacken mit intensiver Angst und starkem Unbehagen kommt. Die Attacken treten häufig ein- bis mehrmals wöchentlich auf und können die alltäglichen Aktivitäten und die Arbeit der betroffenen Personen beeinträchtigen. Die Attacke steht nicht im Zusammenhang mit bestimmten Situationen oder einer tatsächlichen Gefahr, sondern erscheint den Erkrankten unerklärlich. Sie entsteht plötzlich, erreicht innerhalb weniger Minuten ihr Maximum und klingt dann allmählich ab. Nach einer Attacke kann es zu Angst vor einer neuerlichen Attacke kommen. Dieses Phänomen wird als Erwartungsangst bezeichnet.

In der Folge werden häufig Orte oder Situationen gemieden, die in Verbindung mit früheren Attacken gebracht werden und an denen eine Flucht nur schwer möglich wäre oder an denen Mitmenschen die Panikattacke mitbekommen könnten. Man spricht dann von Agoraphobie. Kennzeichnend für die Agoraphobie kann zusätzlich zu o. g. Symptomen sein:

  • Die Furcht, das Haus zu verlassen.
  • Geschäfte zu betreten.
  • In Menschenmengen und auf öffentlichen Plätzen zu sein.
  • Alleine mit Bahn, Bus oder Flugzeug zu reisen.
  • Angst, alleine zu sein.

Panikattacken können bei einigen psychiatrischen Erkrankungen vorkommen, wie z. B. sozialer Phobie, generalisierter Angststörung, Zwangsstörung, aber auch bei körperlichen Erkrankungen, wie z. B. Herzinfarkt, -rhythmusstörungen, Asthma, Schilddrüsenüberfunktion.

Symptome

Eine Panikstörung liegt vor, wenn wiederkehrende, unerwartete Panikattacken mit anschließender anhaltender Besorgnis auftreten und mindestens einen Monat lang anhalten. Betroffene Personen vermuten bei sich häufig zunächst eine körperliche Erkrankung und suchen entsprechend ärztliche Hilfe mit folgenden möglichen Symptomen auf:

Körperliche Beschwerden 

  • Plötzlich auftretendes Herzklopfen, Herzrasen, unregelmäßiger Herzschlag
  • Druck oder Enge in der Brust oder im Hals
  • Schmerzen
  • Erstickungsgefühle, Atemnot
  • Schwindel
  • Hitzewallungen oder Kälteschauer
  • Mundtrockenheit
  • Taubheits- oder Kribbelgefühle
  • Übelkeit
  • Magen-Darm-Beschwerden

Begleitende psychische Symptome

  • Entfremdungsgefühle (das Gefühl zu haben, dass Dinge unwirklich oder wie im Traum sind oder dass die Person selbst „nicht richtig da“ ist)
  • Furcht zu sterben,
  • Furcht vor Kontrollverlust
  • Angst, wahnsinnig zu werden.

 Ursachen

Die Entstehung einer Panikstörung wird durch Belastungen in der Kindheit, bestimmte Erziehungsstile oder weitere Familienmitglieder mit Angststörungen begünstigt. Zudem spielen genetische Faktoren und Veränderungen von Botenstoffen im Gehirn eine Rolle. 

Betroffene Personen verfügen oftmals über eine ausgeprägte Wahrnehmung ihrer körperlichen Empfindungen, wie z. B. Herzschlag oder Darmfunktion und können diese eigentlich gesunden Funktionen ihres Körpers als bedrohlich wahrnehmen. So wird beispielsweise Herzklopfen als Anzeichen für einen bevorstehenden Herzinfarkt gedeutet. Dies führt zu einem Teufelskreis, der die Signale des Körpers verstärkt: Das Herz beginnt noch stärker und schneller zu schlagen, was wiederum die Angst steigert und den Erkrankten das Gefühl gibt, dass tatsächlich eine ernste Erkrankung vorliegt. 

In Folge dessen sind betroffene Personen in „Alarmbereitschaft“ gegenüber körperlichen Empfindungen, was zu einer erhöhten Bereitschaft des Körpers für Stressreaktionen führt und damit den Teufelskreis weiter verstärkt. Die Erkrankten empfinden häufig eine „Angst vor der Angst“, die sog. Erwartungsangst, die wiederum eine erneute Panikattacke hervorrufen kann.

Panikattacken können auch durch Substanzen verursacht werden, die von außen zugeführt werden (Koffein, Nikotin, Kokain usw.), durch Veränderungen des Stoffwechsels (niedriger Blutzuckerspiegel, erhöhter Spiegel an Schilddrüsenhormonen) oder Hyperventilation.

Häufigkeit

Im Laufe ihres Lebens sind ca. 1–5 % der Bevölkerung von einer Panikstörung betroffen. Die Erkrankung beginnt meist im Alter von 30–50 Jahren. Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Bei der Mehrheit der Betroffenen liegen weitere psychische Erkrankungen vor bzw. besteht ein erhöhtes Risiko für weitere psychische Erkrankungen, wie z. B. Depressionen, somatoforme Störungen (körperliche Beschwerden, die keine körperliche Ursache haben) oder soziale Phobie.

Untersuchungen

Anamnesegespräch

Hinweise für eine Panikstörung können von Ärzt*innen durch ein ausführliches Gespräch mit den Betroffenen erfasst werden. Um ein möglichst genaues Bild der Erkrankung zu erhalten, beziehen sich Fragen z. B. auf:

  • die Situationen, in denen Panikattacken auftreten und ihre Häufigkeit.
  • die Grundstimmung
  • die bisherige Entwicklung der Erkrankung
  • die aktuellen Lebensumstände und der Lebensstil
  • familiäre Belastungen mit Panikstörungen
  • weitere psychische und/oder körperliche Erkrankungen
  • körperliche Beschwerden.

Das Gespräch kann mit speziellen Fragebögen oder dem Befragen von Angehörigen ergänzt werden.

Überweisung

Eine Überweisung zu Spezialist*innen kann für weitere Untersuchungen, zur Ermittlung des Schweregrades, zur Feststellung möglicher weiterer psychischer Beschwerden bzw. Erkrankungen und zum Einleiten einer Behandlung erfolgen.

Körperliche Untersuchung

Zum Ausschluss von körperlichen Ursachen können zusätzlich zur körperlichen Untersuchung ein EKG und Blutuntersuchungen (z. B. Blutbild, Blutzucker, Schilddrüsenhormone) durchgeführt werden. In einigen Fällen können weitere Untersuchungen bei Spezialist*innen sinnvoll sein. Bei den genannten Untersuchungen, die sich auf den körperlichen Zustand beziehen, ist zu betonen, dass diese dem Ausschluss schwerer Erkrankungen dienen. Wurden sie bereits durchgeführt, bringen immer mehr Untersuchungen keinen weiteren Vorteil, sondern verunsichern die Betroffenen eher oder sorgen darüber hinaus für weitere neue Ängste.

Behandlung

Ziele

Ziele der Behandlung einer Panikstörung können sein:

  • Angst und Vermeidungsverhalten zu reduzieren.
  • Einer Weiterentwicklung bzw. Ausweitung des Krankheitsbildes mit weiteren Angstsymptomen (Agoraphobie, Depressionen) vorzubeugen.
  • Die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls zu reduzieren.
  • Die Einschränkung der Bewegungsfähigkeit zu bessern.
  • Die soziale Integration und die Lebensqualität zu verbessern.
  • die berufliche Leistungsfähigkeit wiederherstellen.

Diese können über eine Behandlung mit einer Psychotherapie oder mit Medikamenten erreicht werden. Nachdem die Betroffenen ausführliche Informationen über Vor-, Nachteile und Nebenwirkungen des jeweiligen Verfahrens erhalten haben, orientiert sich die Behandlung an den Vorzügen. Falls die zunächst gewählte Behandlungsform nicht anschlagen sollte, kann auf das noch nicht angewandte Verfahren gewechselt oder eine Kombination aus beiden Verfahren angewandt werden.

Ambulante Psychotherapie

Die Form der Psychotherapie, deren Wirkung langfristig am besten belegt ist und die derzeit als Therapie der Wahl empfohlen wird, ist die kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Sie kann bereits von entsprechend qualifizierten Hausärzt*innen eingeleitet werden, die weitere Betreuung übernehmen meist Spezialist*innen (Psychotherapeut*innen). Alternativ kann bei Nichtansprechen auf eine KVT zu einer psychodynamischen Psychotherapie gewechselt werden. Bei beiden Behandlungsformen geht es z. B. darum, ein Verständnis für Angstentstehung und Angstwahrnehmung zu entwickeln und sich mit therapeutischer Unterstützung aktiv mit der Angst auseinanderzusetzen.

Ärzt*innen oder Therapeut*innen können im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie beispielsweise vermitteln und begleiten:

  • Wie der Körper bei Angst reagiert, welche Vorgänge dabei im Körper stattfinden und wie diese mit den Gedanken und Gefühlen zusammenhängen.
  • Körpersymptome zu provozieren (z. B. schnelles Treppensteigen), um diese als gesund und aushaltbar wahrnehmen zu können.
  • Mit den Gefühlen und der Anspannung umzugehen und Absicherungsverhalten abzubauen.
  • Problemlösetechniken, um Sorgen und Vermeidungsverhalten zu reduzieren, und um das psychische Wohlbefinden zu verbessern.
  • Speziell bei einer Agoraphobie können Betroffene sich gedanklich und, nach entsprechender Vorbereitung auch real, in eine angstbesetzte Situation begeben (z. B. Bus fahren) und lernen, diese auszuhalten (Exposition).

Medikamente

Antidepressiva (z. B. Escitalopram, Paroxetin, Venlafaxin, Duloxetin) sind die Medikamente der 1. Wahl bei der medikamentösen Behandlung. Die Wirksamkeit ist gut belegt, die angstlösende Wirkung tritt jedoch erst verzögert nach 2–6 Wochen ein.

Benzodiazepine (z. B. Lorazepam, Diazepam) sind bei einer Panikstörung ebenfalls wirksam, werden jedoch wegen der Nebenwirkungen und dem hohen Abhängigkeitsrisiko nur in Ausnahmefällen für kurze Zeit verschrieben.

Verfahren auf Körperebene

Entspannungsübungen und körperliche Aktivität werden als ergänzende Maßnahmen empfohlen.

Behandlung in einem Krankenhaus

Wenn die o. g. Maßnahmen bei einer schweren Panikstörung nicht ausreichen oder beispielsweise Suizidgedanken oder Konflikte im sozialen Umfeld hinzu kommen, kann eine Behandlung in einer Tagesklinik oder einem Krankenhaus sinnvoll sein.

Rehabilitation

Wenn ambulante Maßnahmen ausgeschöpft sind, eine chronische Panikstörung vorliegt, und/oder die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder der Arbeit gefährdet ist (Arbeitsunfähigkeit länger als 6 Wochen), kann eine Rehabilitationsmaßnahme bei der Krankenkasse oder Rentenversicherung beantragt werden.

Was können Sie selbst tun?

Scheuen Sie sich nicht, ärztliche oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, auch wenn dies eine große Überwindung bedeuten kann. Ein Vermeidungsverhalten führt meist zu keiner Besserung Ihrer Beschwerden, sondern bringt oft eher eine Verschlechterung mit sich. 

Nehmen Sie von Ärzt*innen verordnete Medikamente täglich ein, auch wenn Sie zunächst vielleicht keine Wirkung bei sich beobachten. Bis Sie den erwünschten angstlösenden Effekt bei sich bemerken, kann es bei regelmäßiger Einnahme 2–6 Wochen dauern. Wenn sich Ihre Symptome gebessert haben, sollten Sie Ihre Medikamente noch weiter einnehmen (ca. 1 Jahr), um einen Rückfall zu vermeiden. Die Dauer der Einnahme hängt von Ihrer Erkrankung ab und wird mit Ihnen durch die behandelnden Spezialist*innen besprochen. Setzen Sie Ihre Medikamente nicht abrupt und eigenmächtig ab, da es sonst zu unerwünschten Absetzphänomenen kommen kann. Falls Sie Nebenwirkungen bei sich bemerken, sollten Sie dies mit Ihren Ärzt*innen besprechen.

Für eine erfolgreiche Behandlung ist es wichtig, dass Sie die vereinbarten Termine (Psychotherapie, Kontrollen) regelmäßig wahrnehmen.

Werden Sie körperlich aktiv, um Ihren Körper wahrzunehmen und darauf bezogene Ängste abzubauen.

Vorbeugung

Um einem chronischen Verlauf vorzubeugen, sollten Sie sich frühzeitig in ärztliche und/oder psychotherapeutische Hilfe begeben.

Prognose

Mit Psychotherapie ist die Prognose relativ gut, viele Betroffene erleben dadurch verhältnismäßig schnell (innerhalb von 4–12 Wochen) eine wesentliche Verbesserung. Trotz erfolgreicher Behandlung treten bei ca. der Hälfte der psychotherapeutisch Behandelten innerhalb von 2 Jahren nach Beendigung der Therapie Rückfälle auf. Dann kann eine „Auffrischung“ der Therapieinhalte helfen. Das Rückfallrisiko bei einer Psychotherapie ist aber dennoch deutlich niedriger als bei einer rein medikamentösen Behandlung.

Die Mehrheit der Erkrankten erlebt im Laufe ihrer Erkrankung unterschiedliche Phasen, in denen sie mehr oder weniger unter ihren Symptomen leiden und dadurch auch in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt sein können.

Bei ca. 20 % der von einer Panikstörung Betroffenen (v. a. bei gleichzeitigen schweren Depressionen, Agoraphobie und Persönlichkeitsstörungen) kann die Erkrankung chronisch verlaufen und somit eine lebenslange Behandlung bzw. Medikamenteneinnahme erforderlich machen.

Es besteht ein erhöhtes Risiko des Missbrauchs von Alkohol und/oder Medikamenten, um die Angst zu bewältigen.

Weitere Informationen

Autor*innen

  • Catrin Grimm, Ärztin in Weiterbildung Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Klingenberg a. Main
  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Panikstörung. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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