Zittern – essenzieller Tremor

Ein essenzieller Tremor ist ein unwillkürliches, rhythmisches Zittern (Tremor) meist beider Hände und in einigen Fällen auch des Kopfes. Die Beschwerden entwickeln sich häufig langsam fort und sollten mit Medikamenten behandelt werden, wenn die Lebensqualität eingeschränkt ist.

Was ist ein essenzieller Tremor?

Definition

Als Tremor wird das unwillkürliche Zittern, meistens der Hände bezeichnet. Beim essenziellen Tremor handelt es sich um eine gutartige neurologische Bewegungsstörung. Der sog. essenzielle Tremor verursacht neben dem Zittern keine weiteren wesentlichen Symptome. Im Gegensatz zu anderen Arten des Tremors tritt das Zittern nicht im Rahmen einer anderen Erkrankung oder der Einnahme von Medikamenten auf.

Symptome

Die Erkrankung tritt meist im Erwachsenenalter auf und schreitet oft im Laufe der Jahre langsam voran. Der essenzielle Tremor tritt fast immer symmetrisch an beiden Händen auf, in einigen Fällen kann jedoch auch ein anderes Körperteil betroffen sein:

  • Hände, Unterarme (94 %)
  • Kopf (33 %)
  • Stimme (16 %)
  • Beine (12%)
  • Gesicht (3 %)
  • Rumpf (3 %).

Typischerweise tritt das Zittern der Hände beim essenziellen Tremor nicht in Ruhe auf, sondern eher, wenn man versucht, eine bestimmte Position zu halten. Schwierigkeiten kann z. B. das Halten eines vollen Glases in der Hand bereiten. Auch bei aktiven Bewegungen kann das Zittern deutlich werden, wenn z. B. Gegenstände ergriffen werden. Man spricht daher beim essenziellen Tremor von einem Halte- und Aktionstremor.

Die meisten Menschen mit essenziellem Tremor haben nur leichte Beschwerden. Ein Teil der Betroffenen hat jedoch Schwierigkeiten mit bestimmten Tätigkeiten und kann Probleme entwickeln, den Alltag zu bewältigen. Ein Tremor kann zudem als sozial beschämend empfunden werden. Verrichtungen wie Trinken, Benutzen von Besteck oder das Schreiben können eingeschränkt sein.

Der Tremor kann willentlich nicht beeinflusst werden und kann sich bei Aufregung, emotionaler Belastung, Müdigkeit, Koffeinkonsum oder extremen Temperaturen verstärken.

Über die Hälfte der Betroffenen gibt an, dass kleine Mengen an Alkohol eine vorübergehende Abschwächung bewirken können. Während des Schlafes tritt typischerweise kein Tremor auf.

Ursachen

Die genaue Ursache der Erkrankung ist bis heute ungeklärt. Erbliche Faktoren scheinen eine große Rolle zu spielen, mehrere beteiligte Gene konnten identifiziert werden. Bei vielen Betroffenen gibt es Hinweise auf ähnliche Erkrankungen in der Familie.

Häufigkeit

Es handelt sich um ein relativ häufiges Krankheitsbild. Weltweit leidet etwa 1 % der Gesamtbevölkerung an essenziellem Tremor. Die Häufigkeit des essenziellen Tremors steigt mit dem Alter an, etwa 5 % der Menschen über 65 Jahren leiden an der Erkrankung.

Untersuchungen

Die Diagnose wird klinisch, das bedeutet anhand der geschilderten Beschwerden und der Art des Zitterns gestellt. Patient*innen werden nach einem Anamnesegespräch gründlich neurologisch untersucht.

Ärzt*innen unterscheiden zwischen Zittern in Ruhe, beim Halten der Hände oder bei gezielten Bewegungen. Auch die Frequenz ist ein wichtiges Kriterium. In vielen Fällen ist die Diagnose naheliegend, da es bereits vergleichbare Fälle in der Familie gibt.

Da auch bestimmte Medikamente einen Tremor auslösen können, muss hierauf ebenfalls geachtet werden. Äußert sich das Zittern für die Erkrankung untypisch oder treten weitere Beschwerden auf, müssen andere zugrunde liegende Erkrankungen sorgfältig ausgeschlossen werden. Wichtig ist hier insbesondere die Abgrenzung zu einer beginnenden Parkinson-Krankheit, die üblicherweise mit weiteren charakteristischen Symptomen einhergeht.

Behandlung

Das Ziel der Behandlung ist es, den Tremor zu vermindern sowie Funktionseinschränkungen und die Lebensqualität zu verbessern.

Was können Sie selbst tun?

Um das Zittern zu lindern, können Patient*innen verschiedene Entspannungstechniken und andere Techniken zur Stressreduzierung, die sich als hilfreich erwiesen haben, erlernen. Kaffeekonsum führt oft zu einer Verschlimmerung der Beschwerden, weshalb es für einige Betroffene hilfreich sein kann, weniger Koffein zu konsumieren.

Können die Beschwerden mit diesen Maßnahmen nicht ausreichend gebessert werden, gibt es eine Reihe von Medikamenten, die in der Behandlung des essenziellen Tremors eingesetzt werden können.

Medikamente

Die erste Wahl für die medikamentöse Behandlung ist Propranolol, ein Betablocker, oder Primidon aus der Gruppe der Antikonvulsiva. Auch eine Kombination beider Medikamente zur Verringerung von Nebenwirkungen bei hohen Einzeldosen ist möglich.

Medikamente zweiter bzw. 3. Wahl sind Gabapentin, Topiramat, Atenolol, Sotalol, Alprazolam, Clonazepam und Clozapin.

Weitere Behandlungsmöglichkeiten

Darüber hinaus gibt es auch Diagnose- und Therapieverfahren, die eingesetzt werden können:

  • Injektion von Botulinumtoxin A in betroffene Muskeln
  • Ausschaltung betroffener Hirnareale mittels hochintensivem MRT-gesteuertem Ultraschall (fokussierter Ultraschall)
  • Elektrostimulation über Klebeelektroden, die auf die Kopfhaut aufgebracht werden.

Eine chirurgische Behandlungsmöglichkeit ist die tiefe Hirnstimulation (THS), dabei wird eine Elektrode in ein bestimmtes Areal des Gehirns eingesetzt und mit einer programmierbaren Stromquelle gekoppelt.

Prognose

Es handelt sich beim essenziellen Tremor um eine chronische Erkrankung, die in den meisten Fällen ein Leben lang bestehen bleibt. Der Tremor kann zu einer Beeinträchtigung alltäglicher Verrichtungen führen und im Laufe des Lebens zunehmen oder sich auf andere Körperstellen ausweiten. Bis zu 25 % der Patient*innen wechseln im Verlauf ihren Beruf, oder geben ihn auf. Patient*innen mit milden Verläufen hingegen benötigen ggf. keine spezifische Therapie.

Weitere Informationen

Autor*innen

  • Susanna Allahwerde, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Berlin
  • Jonas Klaus, Arzt, Freiburg i. Br.

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Essenzieller Tremor. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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