Ohrmuschel, Krankheiten und Verletzungen

Zusammenfassung

  • Definition:Erkrankungen der Ohrmuschel: entzündliche Erkrankungen, Fehlbildungen, Verletzungen und Tumoren.
  • Häufigkeit:Relativ weit verbreitet.
  • Symptome:Je nach Krankheit: Schmerzen, Schwellung, Rötung, Überwärmung, Blasenbildung.
  • Befund: Die klinischen Befunde sind abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung.
  • Diagnostik:Inspektion, ggf. Antibiogramm, gelegentlich histologische Untersuchung.
  • Therapie:Je nach Krankheit: Antibiotikagabe, lokale Therapie, Drainage, chirurgische Intervention.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Die Ohrmuschel gehört zum äußeren Ohr und besteht aus Knorpel, der von Haut überzogen ist.
  • Demzufolge können sich sämtliche Hauterkrankungen auch am Ohr bemerkbar machen.
  • Dieses Kapitel soll einige besonders spezifische Erkrankungen der Ohrmuschel behandeln, dazu gehören entzündliche Erkrankungen, Fehlbildungen, Verletzungen und Tumoren.

Anatomie

  • Die Ohrmuschel besteht aus elastischem Knorpel, der von Haut überzogen ist.
  • Lediglich das Ohrläppchen ist knorpelfrei und besteht aus gut durchblutetem Fettgewebe.
  • Die Ohrmuschel dient als Schalltrichter.

ICPC-2

  • H78 Oberflächliche Verletzung Ohr
  • H79 Ohrenverletzung, andere
  • H99 Ohr-/Mastoiderkrankung, andere

ICD-10

  • A46 Erysipel (Wundrose)
  • B02.8 Zoster mit sonstigen Komplikationen
  • C44 Sonstige bösartige Neubildungen der Haut
    • C44.2 Haut des Ohres und des äußeren Gehörganges
  • H60.0 Abszess des äußeren Ohres
  • H61 Sonstige Krankheiten des äußeren Ohres
    • H61.0 Perichondritis des äußeren Ohres
  • L57.0 Aktinische Keratose
  • L82 Seborrhoische Keratose
  • T14 Verletzung an einer nicht näher bezeichneten Körperregion
    • T14.8 Sonstige Verletzungen einer nicht näher bezeichneten Körperregion

Differenzialdiagnosen

Angeborene Veränderungen

  • Ohrmuschelfehlbildungen können isoliert oder im Rahmen eines Syndroms auftreten.
  • Sowohl geringe Auffälligkeiten wie ein abstehendes Ohr als auch schwere Fehlbildungen mit hemifazialen Mikrosomie und Mikrotie (rudimentäre Ohrmuschel) können vorkommen, die Schwere der Fehlbildung korreliert nicht unbedingt mit dem Hörvermögen.1
  • Aurikularanhänge sind Knötchen, die zusätzlich am Ohr auftreten. Es handelt sich um eine seltene, manchmal familiär oder im Rahmen von Syndromen auftretende angeborene Fehlbildung, die meist nur als kosmetisch störend empfunden wird.2
  • Chirugische Maßnahmen wie Korrektur des abstehenden Ohrs,  Ohrmuschelrekonstruktion bei Mikrotie sowie knochenverankerte Epithesen als Ohrmuschelersatz stehen als Therapie zur Verfügung.1

Verletzungen

  • Ein direktes Trauma am Ohr (Autounfall, Stich, Bissverletzung) kann entweder zu einer Abtrennung oder Einriss der Ohrmuschel führen, bei einem stumpfen Trauma (Schlag) kommt es zu einer Hämatombildung am Ohr (Othämatom).3
  • Durch rezidivierende Othämatome kann es zu dauerhaften Verformungen der Ohrmuschel (Blumenkohlohr) kommen.4
  • Eine Entlastung durch Punktion, Inzision oder Drainage kann durchgeführt werden, birgt aber das Risiko einer Superinfektion.4-5
  • Bei vollständiger Abtrennung der Ohrmuschel kann eine Replantation oder Reinsertion versucht werden.

VerbrennungenErfrierungen

  • Da die Ohren sehr exponiert sind, sind sie besonders anfällig für Kälteschäden, werden aber auch bei Verbrennungen mitbetroffen.

Entzündliche Erkrankungen der Ohrmuschel 

Erysipel

  • Akute, meist mit Fieber und Schüttelfrost einhergehende, lokale bakterielle Infektion der Haut mit typischerweise scharf begrenzter Rötung, Schwellung und Schmerzen.
  • Als Erreger gelten beta-hämolysierende Streptokokken, meist der
    Gruppe A (Streptococcus pyogenes) und seltener der Gruppen B, C und G.6
  • Häufig kommt es zu Lymphknotenschwellungen.
  • Bei einem Erysipel am Ohr ist eine parenterale Antibiotikagabe indiziert:6
    • Penicillin G 3 x tgl. 10 Mio. IU i. v. oder 4 x tgl. 5 Mio. IU i. v. für 7–10 Tage oder für ca. 5–7 Tage mit nachfolgender oraler Gabe von Penicillin V
    • Umsetzen auf Cefuroxim i. v. (3 x 0,75–1,5 g) bei fehlendem Ansprechen von Penicillin nach 1–3 Tagen
    • bei Penicillin-Allergie 
      • 1. Wahl: Clindamycin (3 x 0,3–0,6 g tgl. für 7–10 Tage)
      • 2. Wahl: Moxifloxacin (1 x 400 mg)
      • 3. Wahl: Clarithromycin (2 x 0,5 g tgl. i. v.) oder Roxythromycin 1 x 0,3 g tgl. p. o.)

Otitis externa

  • Entzündung von Kutis und Subkutis des äußeren Gehörganges durch Bakterien, Pilze, Allergien oder degenerativ-toxisch wirksame Substanzen.7
  • Diese Entzündung kann sich bis auf die Ohrmuschel ausbreiten.
  • Eine mögliche Komplikation ist eine Otitis externa maligna (nekrotisierende Otitis), häufig bei Immunsuppression und/oder ein schlecht eingestelltem Diabetes mellitus, Erreger ist meist Pseudomonas aeruginosa.
  • Hier ist eine langfristige systemische, gegen Pseudomonas wirksame Antibiotikagabe erforderlich.
  • Manchmal ist ein chirurgisches Débridement betroffener Areale indiziert.6
  • Eine chronische Otitis externa ist häufig abakteriell, wie z. B. atopische Dermatitis oder Psoriasis, und betrifft häufig beide Seiten.8
  • Wenn eine topische Therapie mit Antimykotika, steroidhaltigen Lösungen oder Tacrolimus) nicht ausreicht, kann eine orale Steroidtherapie wirksam sein.8

Perichondritis

  • Eine sich auf den Ohrknorpel ausbreitende, meist bakterielle Entzündung nennt man Perichondritis.7
  • Ursache ist oft eine Verletzung, Piercing oder Superinfektion eines Othämatoms, häufig jedoch ist keine Ursache zu erkennen.
  • Symptome sind eine schmerzhafte Schwellung und Rötung der Ohrmuschel, oft begleitet von einer Lymphadenitis, Fieber und Abgeschlagenheit.
  • Es besteht das Risiko einer Abszessbildung mit Knorpelzerstörung und bleibenden Ohrmuscheldeformitäten.6
  • Therapie: Antibiotikagabe möglichst nach Antibiogramm, je nach Schwere oral oder parenteral über 7–10 Tage
    • Piperacillin/Tazobactam 3 x 4,5 g
    • Ceftazidim + Clindamycin 3 x 2 g + 3 x 0,6 g
    • Cefepim 2 x 2 g
    • bei Beta-Lactam-Allergie
      • Ciprofloxacin 2 x 0,4 g
      • Levofloxacin 2 x 0,4 g
  • Für Fluorchinolone wurden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur Anwendungsbeschränkungen empfohlen: Besondere Vorsicht bei Älteren und bei Patienten mit Nierenfunktionseinschränkung. Keine Kombination mit Kortikosteroiden. Nicht empfohlen als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung leichter und mittelschwerer Infektionen.9

Zoster oticus

  • Breitet sich eine Zoster-Infektion im Gebiet der Hirnnerven VII und VIII aus, kommt es zu einer Beteiligung der Ohren mit möglichem SchwindelTinnitus, Gefahr des Hörverlustes oder Fazialisparese.
  • An und um die Ohrmuscheln sind die typischen schmerzhaften Bläschen auf geröteter Haut zu sehen.
  • Der Zoster oticus gilt als komplizierter Verlauf einer Zoster-Infektion und sollte je nach Schwere des Befalls mit einer Kombinationstherapie aus intravenöser Gabe von Aciclovir und systemischen Kortikosteroiden sowie einer ausreichenden Schmerztherapie behandelt werden.10

Tumoren der Ohrmuschel

  • Aurikularanhänge der Ohrmuschel können mit anderen Strukturen wie Epidermoidzysten, Fibromen etc. verwechselt werden.2
  • Auch Verrucae senilis (seborrhoische Warzen) können am Ohr lokalisiert sein.
  • Die Ohrmuschel ist dank ihrer exponierten Position häufig Lokalisationsort für eine aktinische Keratose.11
    • Bei Inspektion der Haut zur Hautkrebsprophylaxe sollten deshalb die Ohren immer mit überprüft werden.
    • Die Läsionen sind oft leichter zu palpieren als zu sehen und erscheinen als raue, schuppige, helle bis rotbraune Papeln und Plaque.
  • Als maligner Tumor kann an der Ohrmuschel ein Basalzellkarzinom oder Plattenepithelkarzinom vorkommen.
    • Die Lokalisation am Ohr ist einer der wichtigste Prognosefaktoren für eine
      Metastasierung.11

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

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Erysipel der Ohrmuschel

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Dermatologische Gesellschaft. Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie. AWMF-Leitlinie Nr. 013-023. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Ohrenschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-009. S2k, Stand 2014. www.awmf.org
  • Deutsche Dermatologische Gesellschaft. Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut. AWMF-Leitlinie Nr. 032-022OL. S3, Stand 2019. www.awmf.org
  • Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2018. AWMF-Leitlinie 082-006. S2k, Stand 2017. Update 2018. www.awmf.org

Literatur

  1. Braun T, Hempel JM, Berghaus A: Developmental disorders of the ear in children and adolescents—conservative and surgical treatment options. Dtsch Arztebl Int 2014; 111(6): 92–7 www.aerzteblatt.de
  2. Jansen T. Romiti R . Memmel U. Altmeyer P Aurikularanhänge und ihre Bedeutung für die Dermatologie. Aktuelle Dermatologie. 27. 233-235. 10.1055/s-2001-15690. 2001 www.thieme-connect.com
  3. Leybell I. Auricular hematoma drainage. Medscape, last updated May 2018 emedicine.medscape.com
  4. Mudry A, Pirsig W. Auricular hematoma and cauliflower deformation of the ear: from art to medicine. Otol Neurotol 2009; 30: 116-20. PubMed
  5. Giles WC, Iverson KC, King JD, Hill FC, Woody EA, Bouknight AL. Incision and drainage followed by mattress suture repair of auricular hematoma. Laryngoscope 2007; 117: 2097-9. PubMed
  6. Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2018. AWMF-Leitlinie 082-006. S2k, Stand 2017. Update 2018. www.awmf.org
  7. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Ohrenschmerzen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-009, Stand 2014. www.awmf.org
  8. Wiegand S, Berner R, Schneider A, Lundershausen E, Dietz A. Otitis externa. Investigation and evidence-based treatment. Dtsch Arztebl Int 2019 www.aerzteblatt.de
  9. BfArM: Fluorchinolone: Einschränkungen in der Anwendung aufgrund von möglicherweise dauerhaften und die Lebensqualität beeinträchtigenden Nebenwirkungen 02.05.2019 www.bfarm.de
  10. Deutsche Dermatologische Gesellschaft. Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie. AWMF-Leitlinie Nr. 013-023. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
  11. Deutsche Dermatologische Gesellschaft. Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut. AWMF-Leitlinie Nr. 032-022OL. S3, Stand 2019. www.awmf.org

Autoren

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, redaktør NEL

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