Cholera

Zusammenfassung

  • Definition:Cholera ist eine akute Durchfallerkrankung, die durch das Bakterium Vibrio cholerae verursacht wird.
  • Häufigkeit:Cholera kommt in Epidemien in Ländern oder Regionen mit schlechten hygienischen Verhältnissen vor.
  • Symptome:Die Krankheit zeichnet sich durch plötzlich auftretende, wässrige Diarrhö und Erbrechen aus. Meist milder Verlauf.
  • Befunde:Klinische Befunde sind ein reduzierter Allgemeinzustand bis hin zu Lethargie und ggf. Bewusstlosigkeit, Dehydratation.
  • Diagnostik:Die wichtigsten Tests in der akuten Phase sind Elektrolyte, Säure-Basen-Status und Nierenfunktion. Der Erreger wird mittels Mikroskopie aus Stuhl oder Erbrochenem nachgewiesen. Bestätigung mittels Kultur.
  • Therapie:Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution, Antibiotika.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Cholera ist eine akute Durchfallerkrankung, die durch das Bakterium Vibrio cholerae verursacht wird.
  • Zwei Serogruppen (O1 und O139) sind dafür bekannt, die Krankheit zu verursachen.
    • Serogruppe O1 mit den Untergruppen: klassischer Typ und El Tor sowie den Serotypen Inaba, Ogawa und Hikojima
    • Serogruppe O139: Serotyp Bengal
  • Humanmedizinische Bedeutung innerhalb der Gattung Vibrio besitzen ferner Vibrio cholerae Non-O1-/Non-O139-Stämme, V. vulnificus, V. alginolyticus und V. parahämolyticus.1
  • Das Bakterium verursacht Diarrhö-Epidemien insbesondere in Zusammenhang mit Naturkatastrophen und schlechten hygienischen Bedingungen.

Häufigkeit

  • Cholera tritt in Epidemien und Pandemien auf.
    • Cholera ist seit Jahrhunderten in Südasien endemisch, insbesondere in der Region des Ganges-Deltas.
    • Epidemien treten vor allem auf, wenn es zu großen Menschenansammlungen auf kleiner Fläche kommt, wie z. B. in Flüchtlingslagern, bei Kriegen und Hungersnöten.
    • Es wurden 7 Cholera-Pandemien dokumentiert; die erste 1817‒1823 in Asien und Russland.
    • Die 7. Pandemie hält seit 1961 an und wird vom Serotyp El Tor verursacht (Serogruppe O1).
    • Seit 1992 breitet sich eine neue Serogruppe (O139) ausgehend vom indischen Subkontinent aus.
    • 2017 kam es im Jemen zu einem großen Choleraausbruch mit über 600.000 Verdachtsfällen.
    • Die WHO schätzt, dass 1,3–4 Mio. Menschen jedes Jahr von der Cholera betroffen sind, von denen 21.000‒143.000 sterben.2
  • Europa
    • In Europa werden nur vereinzelte importierte Cholerafälle beobachtet, so auch in Deutschland (Infektionsländer waren hauptsächlich Indien, Pakistan und Thailand).1 
    • In den Jahren 2009–2019 wurden in Deutschland insgesamt 13 Cholerafälle gemeldet (1,3 Fälle pro Jahr).3
    • Seit 2001 wurden keine Übertragungen innerhalb Deutschlands gemeldet.4
  • Saisonale Variation
    • Cholera ist stark saisonabhängig.
    • In Bangladesch, wo die Krankheit endemisch ist, gibt es zwei Hauptrisikozeiten pro Jahr, die der heißen Jahreszeit vor und nach dem Monsun entsprechen.
  • Alter
    • In choleraendemischen Gebieten weisen Kinder im Alter von 2–4 Jahren die höchste Inzidenz auf, während in Gebieten mit neu aufgetretener Krankheit alle Altersgruppen betroffen sind.

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Krankheit wird durch eine toxinbildende Spezies des Bakteriums Vibrio cholerae verursacht.
  • Ausbrüche sind normalerweise mit schlechten hygienischen Verhältnissen und kriegerischen Auseinandersetzungen assoziiert, die zu verunreinigtem Trinkwasser führen.

Mikrobiologie1

  • Vibrio cholerae ist ein gramnegatives, gekrümmtes Stäbchenbakterium.
  • Es wird mithilfe biochemischer Tests klassifiziert und in Serogruppen basierend auf dem O-Antigen eingeteilt.
  • Es gibt über 200 Serogruppen. Nur O1 und O139 wurden als Ursache für Epidemien und Pandemien nachgewiesen.
  • Die übrigen Vibrio-cholerae-Bakterien, die nicht zu O1 und O139 gehören, können pathogen sein und zu kleineren Ausbrüchen von Diarrhö-Erkrankungen führen.
  • Natürlicher Lebensraum aller Vibrionen ist das Meer, sie sind halophil, d. h. salzliebend.

Ansteckung1-2,4

  • Cholera wird meist durch kontaminiertes Trinkwasser übertragen und kann schnell zu großen Epidemien führen, die Bakterien können aber auch durch kontaminierte Lebensmittel (Fisch, Schalentiere und Obst oder Gemüse, das mit kontaminiertem Wasser gewaschen wurde) übertragen werden.
  • Vibrio cholerae überlebt in der Natur auf Algen, Plankton usw. und geht in eine Ruhephase über, die resistent gegen eine Chlorbehandlung ist.
  • Die zur Infektion benötigte infektiöse Dosis hängt vom Ansteckungsmedium ab: in Wasser werden 103–10Erreger benötigt, in Lebensmitteln 102–104.
  • Nicht jede Infektion verläuft symptomatisch
    • Die meisten Personen (80 %), die sich mit Vibrio cholerae infizieren, sind asymptomatisch oder erleiden nur eine leichte Diarrhö.
    • Die Anzahl der Erkrankten im Vergleich zur Anzahl Infizierter variiert von 1 von 3–1 von 100.
    • Immunität: Eine frühere Infektion mit Vibrio cholerae sowie das Stillen haben sich in endemischen Gebieten als wirksamer Infektionsschutz erwiesen.
    • Menschen mit erhöhtem Magen-pH (Helicobacter-pylori-Infektion, Magen-OP, Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren) haben ein gesteigertes Infektionsrisiko.
  • Die Erregerausscheidung ohne sichtbare Zeichen einer Infektion ist sehr häufig. Auch nach Ablauf der Erkrankung können die Erreger noch 1–2 Wochen lang ausgeschieden werden.
  • Dauerausscheider von Vibrio cholerae sind aber sehr selten und daher für die Infektionsübertragung von nur geringer Bedeutung. Bei asymptomatischen Verläufen hält die Erregerausscheidung meist nur einen Tag lang an.
  • Die direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist selten.

Pathogenese

  • Cholerabakterien kolonisieren den Dünndarm und binden sich an die Rezeptoren in der Schleimhaut. Bei diesem Prozess kommt es weder zu einer Invasion noch zu einer Entzündung oder Zerstörung der Schleimhaut.
  • Alle pathogenen Stämme produzieren das Choleratoxin (CT), das wässrigen Durchfall verursacht. Das Toxin bindet sich teilweise an die Zellmembran, dringt aber auch in die Zelle ein. Es verursacht Veränderungen in der Zellbiochemie, die zu einer erhöhten Ausscheidung von Kalium, Chlor, Bikarbonat und Wasser führen.

Klinische Folgen1-2,4

  • Schweregrad
    • Hängt von vielen Faktoren ab, vor allem von der lokalen Immunität in der Darmschleimhaut, von der Menge der Bakterien, die aufgenommen wurde, von der Wirksamkeit der Säurebarriere im Magen sowie von der Blutgruppe der infizierten Person.
    • Aus bisher nicht bekannten Gründen weisen Personen mit der Blutgruppe 0 ein höheres Risiko für eine Cholera-Erkrankung durch Infektion mit dem El-Tor-Bakterium auf.
  • Flüssigkeits- und Elektrolytverlust

Prädisponierende Faktoren

  • Der gesamt Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
  • Fehlender Zugang zu sauberem Trinkwasser, z. B. bei Naturkatastrophen, Aufenthalt in Flüchtlingslagern
  • Enger Kontakt zu Erkrankten (z. B. der gleiche Haushalt)
  • Hypoazidität des Magensafts (erhöhter Magen-pH)
  • Z. n. Gastrektomie
  • Blutgruppe 0
  • Unter- und Mangelernährung
  • Beeinträchtigter Immunstatus

ICPC-2

  • D70 Gastrointestinale Infektionen, Viren

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 20215
  • A00 Cholera
    • A00.0 Cholera durch Vibrio cholerae O:1, Biovar cholerae
      • klassische Cholera
    • A00.1 Cholera durch Vibrio cholerae O:1, Biovar eltor
    • A00.9 Cholera, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-2,4

Diagnostische Kriterien

  • Starke wässrige Diarrhö ohne Blut oder Eiter („Reiswasserstuhl‟)
  • Schnelle Dehydrierung
  • Reiseanamnese in endemische Gebiete oder Kontakt zu infizierten Personen
  • Nachweis von Bakterien in Stuhl oder Erbrochenem

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich 24 Stunden, kann aber von 2 Stunden bis zu 5 Tagen dauern.
  • Die meisten Infektionen zeigen einen milden Verlauf mit mäßiger Diarrhö über wenige Tage. Sie können daher mit anderen Darminfektionen verwechselt werden.
  • Die heftigen Krankheitsverläufe sind gekennzeichnet durch eine plötzlich auftretende Diarrhö und vor allem zu Beginn massives Erbrechen.
    • Die Diarrhö ist ausgeprägt, häufig, wässrig (bis zu 1 Liter pro Stunde), in der Regel ohne Bauchschmerzen.
    • Der Stuhl ist grau und trübe („Reiswasserstuhl‟) und ohne Stuhlgeruch, Blut oder Eiter.
    • Anfänglich sind die Erkrankten unruhig und sehr durstig, dann aber, wenn es zum Volumenmangel kommt, werden sie apathisch und schließlich bewusstlos.
    • Dehydrierung, Hypotonie und Azidose können sich schnell entwickeln.

Klinische Untersuchung

  • In der Regel tritt kein Fieber auf.
  • Dehydrierung und eingeschränkter Allgemeinzustand, schließlich Lethargie und Bewusstlosigkeit.
    • Anzeichen für Dehydrierung: trockene Schleimhäute, stehende Hautfalten, eingefallene Augen und abnehmende Diurese
    • Bei erheblichem Blutdruckabfall hat die betroffene Person bereits mehr als 10 % des Körpergewichts verloren.
  • Atmung

Einstufung der Dehydrierung

  • Erst wenn die Erkrankten etwa 5 % ihres Körpergewichts verloren haben, zeigen sich klinische Dehydratationszeichen.
  • Nicht dehydriert:
    • Die Erkrankten sind wach und wirken gesund.
    • Die Augen sind unauffällig.
    • Tränen sind vorhanden (nur bei Kindern relevant).
    • Mund und Zunge sind feucht.
    • Die Betroffenen trinken normal und sind nicht durstig.
    • Eine Überprüfung des Hautturgors zeigt, dass die Haut sich schnell strafft.
  • Leicht dehydriert (2 oder mehr dieser Anzeichen, davon mindestens 1 mit * gekennzeichnet):
    • Die Erkrankten sind unruhig und gereizt.
    • Die Augen sind eingefallen.*
    • Keine Tränen vorhanden (nur bei Kleinkindern relevant).*
    • Mund und Zunge sind trocken.*
    • Die Betroffenen sind durstig und trinken gierig.
    • Eine Überprüfung des Hautturgors zeigt, dass die Haut sich langsam strafft.
  • Stark dehydriert (2 oder mehr dieser Anzeichen, davon mindestens 1 mit * gekennzeichnet):
    • lethargisch oder bewusstlos, schlapp
    • Die Augen sind sehr eingefallen und trocken.*
    • Keine Tränen vorhanden (nur bei Kleinkindern relevant).*
    • Mund und Zunge sind sehr trocken.
    • Die Erkrankten trinken schlecht oder sind nicht in der Lage zu trinken.
    • Eine Überprüfung des Hautturgors zeigt, dass die Haut sich sehr langsam strafft.
  • Ältere Kinder können einen fehlenden Radialispuls sowie niedrigen Blutdruck aufweisen.

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Die weitere Untersuchung erfolgt in der Regel im Krankenhaus.
  • Mikroskopie
    • Charakteristisch sind die „chaotischen“ Bewegungen der Vibrio cholerae, die sich bei einer Mikroskopie des Stuhls in großen Mengen finden.
    • Die Bakterien können durch die direkte Zugabe eines spezifischen Antiserums immobilisiert werden (O1- oder O139-Antiserum, falls vorhanden).
  • Kultur
    • Das Agens kann in Stuhl oder Erbrochenem nachgewiesen werden.
    • Das Bakterium überlebt im Stuhl für ein paar Stunden, wenn dieser feucht gehalten wird. Bei längerer Transportzeit ist ein Transportröhrchen mit einem speziellen Medium (Cary-Blair-Lösung) zu verwenden.
  • Serologie
    • Es gibt serologische Schnelltests.
  • Differenzierung 
  • Laboruntersuchungen
    • Elektrolyte (Na, K, Ca) und Säure-Basen-Status, Nierenfunktion

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Krankheitsverdacht 

Therapie

Therapieziel

  • Eine schwere und lebensbedrohliche Dehydrierung verhindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Flüssigkeitsverlust einschätzen.
    • Bei schwerer Dehydrierung ist davon auszugehen, dass die erkrankte Person etwa 10 % ihres Körpergewichts verloren hat.
    • Bei mäßiger Dehydrierung wird angenommen, dass 5,0‒7,5 % des Körpergewichts zu ersetzen sind.
    • Bei leichterem Flüssigkeitsverlust kann peroral behandelt werden.
  • Flüssigkeitsverlust messen.
    • Um den Flüssigkeitsverlust zu messen, ist es wichtig, die Diarrhö-Menge pro Stunde genau festzuhalten (z. B. Cholerabett mit Loch in der Mitte und Eimer darunter).
    • Auch die Stundendiurese ist sorgfältig zu dokumentieren.
  • Therapie
    • Flüssigkeitstherapie, zunächst intravenös bei schwerer Erkrankung, dann peroral, ist der wichtigste Teil der Behandlung.
    • Nahrung langsam über mehrere Stunden verabreichen, sobald die Erkrankten in der Lage sind zu essen. Es gibt keinen Grund, den Darm „in Ruhe zu lassen“.
    • Kinder können weiter gestillt werden.
    • Bei mildem Verlauf ist eine Antibiotikatherapie in der Regel nicht notwendig. 
    • Antibiotika sind einer Metaanalyse zufolge sinnvoll, um die Dauer der Diarrhö um 1–2 Tage zu verkürzen; sie reduzieren die Notwendigkeit einer intravenösen Flüssigkeitsgabe (Ia).6

Flüssigkeitszufuhr

  1. Rehydrierungsphase (die ersten 4 Stunden)
    • Ziel ist es, bereits verlorene Flüssigkeit zu ersetzen. Da normale Kochsalzlösung eine Azidose nicht behebt und kein Kalium enthält, ist diese nicht geeignet.
    • Ringer-Laktat mit Kalium (10 mmol/l) gilt als beste Anfangsbehandlung.
    • Diese Elektrolytmischung weist etwa die gleiche Elektrolytzusammensetzung auf, wie über den Stuhl verloren geht.
    • Bei stark dehydrierten Personen schnell infundieren, d. h. 50‒100 ml/kg/h (5 l pro Stunde bei Erwachsenen). Häufig sind mehrere Infusionszugänge nötig.
    • Das gesamte Volumen sollte über 2–4 Stunden verabreicht werden.
  2. Erhaltungsphase (bis die Diarrhö aufhört)
    • Das Ziel ist es, den weiteren Flüssigkeitsverlust Liter für Liter zu ersetzen.
    • Oft reichen 500‒1.000 ml/h perorale Elektrolytlösung über eine nasogastrische Verweilsonde aus. Die Trinklösung von UNICEF und WHO verfügt über die richtige Zusammensetzung.
    • Eine glukosepolymerbasierte Lösung (mit Reis oder Weizen) kann etwas effektiver sein als die Trinklösung.7

Medikamentöse Therapie

  • Für Fluorchinolone wurden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur Anwendungsbeschränkungen empfohlen: Besondere Vorsicht bei Älteren und bei Patient*innen mit Nierenfunktionseinschränkung. Keine Kombination mit Kortikosteroiden. Nicht empfohlen als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung leichter und mittelschwerer Infektionen.8
  • Antibiotika
    • Können die Diarrhö-Periode und den Flüssigkeitsbedarf reduzieren, sind aber normalerweise in leichten Fällen nicht notwendig (Ia).6
    • Werden dehydrierten Cholerakranken verabreicht, sobald das Erbrechen aufhört.
    • Ohne Antibiotika, jedoch mit einer Flüssigkeitstherapie, erholt sich die erkrankte Person innerhalb von 4–5 Tagen. Mit Antibiotika dauert die Rekonvaleszenz 2–3 Tage.
    • Antibiotika sollten nicht bei asymptomatischen Patient*innen mit Kontakt zu Cholerainfizierten oder prophylaktisch gegeben werden wegen des Risikos einer Resistenzentwicklung.
    • Bei der Wahl des Antibiotikums ggf. lokale Resistenzlage beachten.
  • Die Therapie 1. Wahl ist Doxycyclin oder Azithromycin.9
    • Doxycyclin
      • Erwachsene: 300 mg oral oder i. v. als Einzeldosis
      • Kinder ab 8 Jahren: 6 mg/kg oral oder i. v. als Einzeldosis
    • Azithromycin
      • Erwachsene: 1.000 mg oral als Einzeldosis
      • Kinder: 20 mg/kg oral als Einzeldosis, max. 1.000 mg/Einzeldosis
  • Weitere Optionen, z. B.:9
    • Erythromycin-Base
      • Erwachsene: tgl. 4 x 250–500 mg oral über 3 Tage
      • Kinder: tgl. 4 x 12,5 mg/kg oral über 3 Tage, max. 250 mg/Einzeldosis
    • Tetracyclin
      • Erwachsene: tgl. 4 x 500 mg oral über 3 Tage
      • Kinder ab 8 Jahren: tgl. 4 x 12,5 mg/kg oral über 3 Tage, max. 500 mg/Einzeldosis
  • Zinkzufuhr bei Kindern9
    • 30 mg tgl.
    • Hilft nachweislich zur Verkürzung der Diarrhö bei Kindern im Alter von 3–14 Jahren, die mit Cholera ins Krankenhaus eingeliefert wurden (Ib).
    • Die Diarrhödauer wird um durchschnittlich 8 Stunden reduziert.

Prävention

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1-4,9
  • Trinkwasserhygiene ist am wichtigsten.
  • Die Krankheit kann auch durch kontaminierte Lebensmittel übertragen werden.
  • Wichtige Maßnahmen bei einem Aufenthalt in endemischen Gebieten:
    • Abkochen oder Desinfektion des Trinkwassers
    • Schalentiere und Salate vermeiden.
    • Obst und Gemüse (das nicht geschält wird) mit desinfiziertem Wasser waschen.
    • Auf Baden in Schwimmbecken und potenziell kontaminierten Gewässern verzichten.
  • Im Umfeld von Erkrankten: Umgebungsuntersuchungen bei Kontaktpersonen, ggf. Absonderung für 5 Tage
  • Nach § 42 Abs. 1 IfSG dürfen Personen, die an Cholera erkrankt sind oder den Erreger ausscheiden, nicht beschäftigt werden mit dem Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Lebensmitteln, in Küchen von Gaststätten oder sonstigen Einrichtungen mit Gemeinschaftsverpflegung.

Schutzimpfung bei Reisen

  • Es stehen ein Totimpfstoff und ein attenuierter Lebendimpfstoff zur Verfügung, die einen partiellen Schutz für einige Monate bieten, aber von der WHO nicht generell empfohlen werden.1
  • Die STIKO (Ständige Impfkommission) empfiehlt die Impfung nur bei besonderer Gefährdung. Diese kann z. B. in folgenden Situationen vorliegen:4
    • Reisen in Cholera-Epidemiegebiete mit voraussichtlich ungesichertem Zugang zu Trinkwasser
    • längerfristige Tätigkeit in Cholera-Epidemiegebieten (z. B. medizinisches Personal)
    • Einsatz als Katastrophenhelfer*in.
  • Oraler Totimpfstoff (Dukoral)4,10
    • Hitzeinaktivierter Impfstoff, der über sekretorische Antikörper die Kolonisation und die Toxinwirkung im Intestinaltrakt verhindert.
    • Schützt zu ca. 80 % während der ersten 6 Monate und zu ca. 50‒60 % innerhalb der ersten 2 Jahre nach der 1. Impfung.11-12
      • danach abnehmende Impfwirkung mit ca. 40 % Schutz im 3. und ca. 25 % im 4. Jahr12
    • Das Standardverfahren bei Erstimpfung gegen Cholera besteht bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab 6 Jahren aus 2 Dosen, verabreicht im Abstand von 1–6 Wochen. Auffrischimpfung spätestens nach 2 Jahren; bei Überschreitung erneute Grundimmunisierung.
    • Kinder von 2–5 Jahren sollten 3 Dosen erhalten, verabreicht in Abständen von je 1 Woche.10 
      • Für Kinder unter 2 Jahren ist der Impfstoff nicht zugelassen.
      • Impfschutz 1 Woche nach Impfung2
      • Auffrischimpfung spätestens nach 6 Monaten; bei Überschreitung erneute Grundimmunisierung
    • Die Vermutung, dass Dukoral gegen enterotoxische E. coli (ETEC) kreuzreagiert und daher gegen Reisediarrhö schützt, hat sich nicht bestätigt.
  • Lebendimpfstoff (VAXCHORA)4
    • Lebende Vibrionen der Serogruppe O1, denen durch Mutation die toxische B-Untereinheit des Choleratoxins entzogen wurde.
    • 10 Tage nach der Impfung beträgt die Schutzrate 90 %.
    • Sehr häufige Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit mit Erbrechen und verminderter Appetit.
    • Kontraindikation: Immundefizienz
    • Kinder ab 6 Jahren, Jugendliche und Erwachsene erhalten einmalig eine orale Impfstoffdosis, spätestens 10 Tage vor potenzieller Exposition.
    • Zur Frage der Auffrischimpfung liegen keine Daten vor.

Meldepflicht und Tätigkeitsverbote

  • Meldepflicht bei Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod an Cholera gemäß § 6, Abs. 1 Nr. 1 IfSG und bei direktem oder indirektem Nachweis von Vibrio cholerae O1 oder O139 in Verbindung mit einer akuten Infektion gemäß § 7, Abs. 1 IfSG.1,13
  • Bei Choleraerkrankten und Personen, die Choleravibrionen ausscheiden, kann durch das Gesundheitsamt ein Tätigkeits- und Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden,13
    • wenn sie beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Lebensmitteln tätig oder in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung beschäftigt sind.
    • Dies gilt entsprechend für Personen, die mit Bedarfsgegenständen, die für die dort genannten Tätigkeiten verwendet werden, so in Berührung kommen, dass eine Übertragung von Krankheitserregern auf die Lebensmittel zu befürchten ist.
  • Choleraerkrankte in Gemeinschaftseinrichtungen dürfen keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort betreuten Personen haben.13
    • Das gilt so lange, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit ausgeschlossen werden kann.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • In 95 % der Fälle asymptomatisch
  • Die meisten Erkrankten zeigen einen milden Verlauf mit wässrigen Durchfällen ohne bedeutsame Dehydratation
  • Der Verlauf kann so rapide sein, dass die erkrankte Person aufgrund des hohen Wasserverlusts innerhalb weniger Stunden stirbt.
  • Die meisten Todesfälle sind am ersten Tag zu verzeichnen.

Komplikationen

Prognose

  • Unbehandelt ist die Sterblichkeit bei einem schweren Verlauf hoch. Letalität der unbehandelten Erkrankung bis zu 60 %.1
    • Häufigste Todesursachen sind hypovolämischer Schock und Nierenversagen.4
  • Mit der rechtzeitigen und richtigen Behandlung einschließlich Flüssigkeitszufuhr ist die Prognose sehr gut mit einer Überlebensrate von beinahe 100 %.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Eine Impfung bei Reisen ist nur in besonderen Situationen empfohlen.
  • Das Infektionsrisiko ist für Reisende gering. Eine Aufklärung zur Vermeidung einer fäkal-oralen Infektion ist wichtig.

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple. AWMF-Leitlinie Nr. 021-024. S2k, Stand 2015 (abgelaufen). www.awmf.org

Literatur

  1. Robert Koch-Institut. Cholera, Vibrionen. Stand Dezember 2020. www.rki.de
  2. World Health Organization. Cholera. Last updated February 2021 www.who.int
  3. Robert Koch-Institut. Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2019, Berlin 2020 www.rki.de
  4. Kling K, Bogdan C, Ledig T et al. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zu Reiseimpfungen. Epid Bull 2021; 14: 1–182 www.rki.de
  5. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2021. Stand 18.09.2020; letzter Zugriff 23.06.2021. www.dimdi.de
  6. Leibovici-Weissman Y, Neuberger A, Bitterman R, et al. Antimicrobial drugs for treating cholera. Cochrane Database Syst Rev 2014 Jun 19;6:CD008625. doi.org
  7. Gregorio GV, Gonzales MLM, Dans LF, Martinez EG. Polymer-based oral rehydration solution for treating acute watery diarrhoea. Cochrane Database of Systematic Reviews 2016, Issue 12. Art. No.: CD006519. DOI: 10.1002/14651858.CD006519.pub3 DOI
  8. BfArM: Fluorchinolone: Einschränkungen in der Anwendung aufgrund von möglicherweise dauerhaften und die Lebensqualität beeinträchtigenden Nebenwirkungen 16.11.18. www.bfarm.de
  9. Eder M, Lopez R. Cholera. BMJ Best Practice. Last reviewed: 22 May 2021; Last updated: 22 Jun 2021 bestpractice.bmj.com
  10. European Medicines Agency. Dukoral, cholera vaccine (inactivated, oral). Stand Mai 2015. www.ema.europa.eu
  11. Sinclair D, Abba K, Zaman K, Qadri F, Graves PM. Oral vaccines for preventing cholera. Cochrane Database of Systematic Reviews 2011, Issue 3. Art. No.: CD008603. DOI: 10.1002/14651858.CD008603.pub2 DOI
  12. Bi Q, Ferreras E, Pezzoli L, et al. Protection against cholera from killed whole-cell oral cholera vaccines: a systematic review and meta-analysis. Lancet Infect Dis 2017; 17: 1080–88. pmid:28729167 PubMed
  13. Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple. AWMF-Leitlinie Nr. 021-024. S2k, Stand 2015 (abgelaufen). www.awmf.org

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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