Morbus Osler

Morbus Osler ist eine Erbkrankheit, bei der es zur Erweiterung der kleinen Blutgefäße kommt. Viele Betroffene haben häufig wiederkehrendes Nasenbluten ohne ersichtlichen Grund.

 

Was ist Morbus Osler?

Definition

Morbus Osler ist eine vererbte Erkrankung der Blutgefäße, die mit Blutungen in den Schleimhäuten von Nase, Magen-Darm-Trakt, Lunge oder Harnwegen einhergeht. Gefäßfehlbildungen (anomale Blutgefäße) Leber, Gehirn oder Rückenmark sind ebenfalls möglich. Die Erkrankung wird auch als Morbus-Osler-Rendu-Webers oder hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (HHT) bezeichnet.

Die Diagnose wird anhand von 4 Kriterien gestellt:

  1. Nasenbluten
  2. erweiterte Blutgefäße unter der Haut (Teleangiektasen)
  3. Organläsionen, z. B. Gefäßfehlbildungen im Magen-Darm-Trakt
  4. Familienmitglieder mit der gleichen Erkrankung.

Symptome

Bei der Mehrheit der Betroffenen treten die ersten Symptome im Schulalter auf. Das häufigste Symptom bei Kindern ist Nasenbluten, das vor allem nachts auftritt. Meist 1 Jahr nach dem ersten auffälligen Nasenbluten bilden sich Teleangiektasen. Das sind kleine hellrote bis violette Flecken im Bereich des Gesichtes (hier insbesondere im Bereich von Lippe, Zunge und Nasenlöcher), der Hände und Füße oder an anderen Stellen der Haut. Sie sind typischerweise unter 5 mm im Durchmesser und lassen sich mit einem Glasspatel wegdrücken.

Die Gefäßfehlbildungen finden sich nicht nur im Bereich der äußeren Haut, sondern können prinzipiell überall im Körper auftreten, wie in Nase oder Magen-Darm-Trakt. Während die dickere äußere Haut die Teleangiektasien meist gut schützt, kommt es häufiger zum Aufreißen der innerlich gelegenen Gefäßfehlbildungen und somit zum Nasenbluten oder zum Magen-Darm-Bluten. Wenn die Lunge betroffen ist, kann eine gestörte Atmung auftreten, sog. Trommelschlägelfinger oder eine bläuliche Verfärbung der Haut durch Sauerstoffmangel.

Ursachen

Es handelt sich um eine autosomal dominante Erbkrankheit, d. h. die Kinder von Betroffenen haben jeweils ein Risiko von 50 %, Merkmalsträger zu sein und ebenfalls zu erkranken.

Der Gendefekt führt zu einer gestörten Bildung von Proteinen, die zur Reparatur der Gefäßwand nötig sind. Durch lokale Schwachstellen in der Gefäßwand kommt es zur Blutungsneigung. Diese Veränderungen der kleinsten Blutgefäße (Kapillaren) entstehen ausschließlich in abgegrenzten Bereichen. Nicht betroffene Körperstellen zeigen eine normale Gefäßstruktur.

Häufigkeit

Die Erkrankung tritt weltweit unterschiedlich häufig auf. In Nordamerika ist die Erkrankung seltener (1 von 100.000 Einw.) als in der Karibik (1 von 1.000 Einw.). In Europa liegt die Häufigkeit bei 1 von 5.000–8.000 Einw. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. Die meisten Betroffenen erkranken im jungen Erwachsenenalter.

Untersuchungen

Die Diagnose wird anhand der Krankengeschichte und der Befunde bei der körperlichen Untersuchung gestellt:

  • Wiederkehrendes Nasenbluten ohne ersichtlichen Grund
  • Erweiterungen der Blutgefäße unter der Haut (Teleangiektasen) an typischen Stellen
    • Gesicht, Lippen, Zunge, Nasenlöcher, Hände und Füße
  • Blutungen in anderen Bereichen des Körpers
    • Blutarmut (Anämie) führt zu Müdigkeit und Leistungsminderung.
  • Große Gefäßfehlbildungen in der Lunge führen zu Atemstörungen, Müdigkeit und Trommelschlägelfinger.
  • Migräne (mit Aura).

Die weitere Diagnostik ist abhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Bei vielen Betroffenen wird routinemäßig der Hb-Wert und der Eisenstatus im Blut bestimmt. Spezialist*innen führen zusätzlich eine genetische Untersuchung durch. Außerdem werden Screening-Untersuchungen angeboten, um Gefäßfehlbildungen auszuschließen:

  • Lunge: Echokardiografie, evtl. CT vom Brustkorb
  • Gehirn: MRT
  • Leber: Ultraschall
  • Magen-Darm-Trakt: ab dem 35. Lebensjahr Hb-Bestimmung 1x/Jahr, evtl. endoskopische Untersuchung.

Bei unauffälligen Befunden werden die Untersuchungen nach 5 Jahren wiederholt.

Behandlung

Allgemeines

  • Bei vielen Betroffenen ist keine Behandlung nötig.
  • Eine Blutarmut ist häufig; einige Patient*innen benötigen eine Eisensubstitution und/oder Bluttransfusionen.
  • In seltenen, aber schwerwiegenden Fällen kann ein chirurgischer Eingriff erforderlich werden.

Medikamentöse Therapie

  • Befeuchtende Nasensalbe kann Nasenbluten vorbeugen.
  • Tranexamsäure ist ein Medikament, das die Auflösung von Blutgerinnseln hemmt und so weitere Blutungen verhindert.
    • Einsatz bei wiederkehrendem Nasenbluten
  • Gefäßfehlbildungen im Magen-Darm-Trakt werden bevorzugt mit Hormonen behandelt.
    • Östrogene und Gestagene

Operative Therapie

  • Nasenbluten
    • Vor operativem Eingriff wird die Behandlung mit Kompressen oder einer Nasentamponade versucht.
    • evtl. Elektrokoagulation oder Laserablation (Einsatz von Strom oder Laser in der Nase)
  • Teleangiektasen
    • Laserchirurgie
  • Größere Gefäßfehlbildung
    • Katheterembolisation (künstlicher Gefäßverschluss mittels Katheter)
    • Die chirurgische Therapie von Gefäßfehlbildungen in der Leber hat eine hohe Komplikationsrate.

Was können Sie selbst tun?

  • Informieren Sie Ihre behandelnden Ärzt*innen darüber, dass sie ein erhöhtes Blutungsrisiko haben.
    • insbesondere vor Operationen oder zahnmedizinischen Eingriffen
  • Sie können Sport treiben, wie alle anderen auch, vom Tauchen wird allerdings wegen des Risikos für Nasenbluten abgeraten.
  • Frauen können Schwangerschaft und Geburt normal erleben.
    • Vor der Schwangerschaft sollte unbedingt ein Screening auf Gefäßfehlbildungen in der Lunge erfolgen.

Prognose

  • Die Blutungsneigung nimmt mit dem Alter oftmals zu.
    • Dies gilt sowohl für Nasenbluten als auch für Blutungen in anderen Organsystemen.
  • Ein Drittel der Patient*innen mit Morbus Osler sind in ihren täglichen Aufgaben durch die Symptome eingeschränkt.
  • Ohne Screening und Behandlung ist die Lebenserwartung um ca. 3–7 Jahre verkürzt.
    • Mit Screening und adäquater Behandlung ist die Lebenserwartung normal.

Weitere Informationen

Illustrationen

Typical_Skin_Telangiegtasia_in_Adult_HHT_Patient2.jpg
Typische Teleangiektasien bei einem Patienten mit M. Osler (Quelle: Wikimedia)
Morbus_Osler_01.jpg
Teleangiektasien bei M. Osler (Quelle: Sand M, Sand D, Thrandorf C. Cutaneous lesions of the nose. Head Face Med 2010)

Autorin

  • Hannah Brand, Dr. med., Ärztin, Berlin

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Morbus Osler. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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