Arzneimittel-Rhinitis

Zusammenfassung

  • Definition:Eine Arzneimittel-Rhinitis wird durch den längeren Gebrauch von schleimhautabschwellenden Nasensprays bzw. Nasentropfen oder als Nebenwirkung einer Reihe von Medikamenten verursacht.
  • Häufigkeit:Relativ häufig.
  • Symptome:Erhöhte Verstopfung der Nase und nasale Hyperreaktivität.
  • Untersuchung:Bei der klinischen Untersuchung ggf. geschwollene und gerötete Schleimhaut.
  • Diagnostik:Ggf. Rhinoskopie, nasale Endoskopie, Labor, CT zur Differentialdiagnostik.
  • Therapie:Absetzen der schleimhautabschwellenden Medikamente, bei Bedarf intranasale Glukokortikoide.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Die medikamentöse Rhinitis wird auch als Arzneimittel-Rhinitis, medikamenteninduzierte Rhinitis bezeichnet, die Rhinitis durch abschwellende Nasensprays/-tropfen im Speziellen auch als Rhinitis medicamentosa oder Privinismus.
  • Es handelt sich hierbei um eine verstopfte Nase ohne Rhinorrhö oder Niesen, die nach dem Gebrauch von vasokonstriktorischen (abschwellenden) Nasensprays oder Nasentropfen über mehr als 4–6 Tage oder als Nebenwirkung verschiedener Medikamente auftritt.1
  • Sie gehört zu der Gruppe der nicht-inflammatorischen nicht-allergischen Rhinitiden.1

Häufigkeit

  • Häufiges Krankheitsbild, geschätzte Prävalenz der medikamenteninduzierten Rhinitis ca. 1 %2
  • V. a. junge Erwachsene und Erwachsene mittleren Alters sind betroffen.3

Ätiologie und Pathogenese

Schleimhautabschwellende Medikamente

  • Lokaler Gebrauch von Alpha-Adrenozeptor-Agonisten wie Oxymetazolin, Xylometazolin oder Phenylephrin im Nasenraum
  • Dies stimuliert die Alpha-2-adrenergenen Rezeptoren, wodurch die Arteriolen in der Nasenschleimhaut konstringiert werden.1
  • Dadurch wird die Nasenschleimhaut weniger durchblutet und schwillt ab.
  • Der langfristige Gebrauch von lokalen Dekongestiva führt zu einem Rebound mit Schwellung der Nasenschleimhaut und verstopfter Nase.1
  • Der Rebound wird wahrscheinlich durch eine Veränderung der Gefäßpermeabilität mit konsekutivem interstitiellem Ödem hervorgerufen.
  • Die Patient*innen behandeln die verstopfte Nase häufig mit einer erhöhten Dosis lokaler Dekongestiva, wodurch kurzzeitig eine Besserung eintritt, gefolgt vom Rebound-Effekt und dem Drang, die Dosis erneut zu erhöhen.4

Systemische Medikamente

  • Bestimmte systemische Medikamente können als Folge unterschiedlicher Mechanismen Rhinitissymptome verursachen, z. B.:1
    • NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika)
    • ACE-Hemmer
    • Hormonpräparate
    • Phosphodiesterase-5-Inhibitoren
    • zentral und peripher wirksame Sympatholytika
    • Diuretika
    • Kalziumkanalblocker
    • Antidepressiva
    • Carbimazol, Propylthiouracil

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2 

  • R07 Schnupfen/Niesen/verstopfte Nase

ICD-10

  • J31.0 Chronische Rhinitis

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose wird durch die Anamnese gestellt.
  • Ergänzende Untersuchungen können zur Differenzialdiagnostik bzw. zur Diagnose zugrunde liegender Erkrankungen erforderlich sein.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Lang anhaltende Verwendung von schleimhautabschwellenden Nasentropfen oder -Sprays, länger als 4–6 Tage
  • Verstopfung der Nase
  • In der Regel ohne Rhinorrhö, Postnasal Drip oder Niesen3
  • Zunehmende Symptomatik mit längerer Behandlungsdauer
  • Schnarchen
  • Schlaflosigkeit durch erneute Verstopfung der Nase
  • Mundatmung mit  Mundtrockenheit und Halsschmerzen3

Klinische Untersuchung

  • Inspektion von Nase und Rachen
    • Schleimhaut geschwollen und gerötet, ggf. auch blass und atrophisch
    • ggf. dicker/zähflüssiger Schleim (Borkenbildung) in der Nase
    • wunde, trockene Rachenschleimhäute3

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Folgende Untersuchungen können zur Differenzialdiagnostik indiziert sein: 
    • Eosinophile im Nasensekret
    • Gesamt-IgE
    • BSG, CRP5

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Rhinoskopie, ggf. nasale Endoskopie
  • CT von Nase und NNH zur Differenzialdiagnostik, v. a. bei einseitiger Symptomatik, blutiger Rhinorrhö oder endoskopischem V. a. auf einen Tumor5

Therapie

Therapieziele

  • Symptome lindern.
  • Krankheit heilen.

Allgemeines zur Therapie

  • Absetzen des auslösenden Medikaments5-6
    • Bei abschwellenden Nasensprays besteht bei abruptem Absetzen die Gefahr eines Rebounds, daher ggf. Ausschleichen der Dosierung.3
      • durch Verlängerung der zeitlichen Abstände zwischen den Applikationen
      • durch Applikation nur in einem Nasenloch oder
      • durch Verdünnung der Lösung
  • Lokale Kortikosteroide können bei schwereren Rhinitiden zum Einsatz kommen.3,7

Empfehlungen für Patient*innen

  • Patient*innen sollten die Behandlung mit Nasentropfen oder Nasenspray einstellen.
  • Das abrupte Absetzen der Behandlung führt vorübergehend zu einer besonders verstopften Nase.
    • Ausschleichen empfohlen
  • Die Verstopfung der Nase geht ohne weitere Therapie nach und nach von selbst zurück.
  • Es dauert in der Regel 1–2 Wochen, bis die Verstopfung der Nase zurückgeht und 4–6 Wochen, bis die Symptome vollständig abklingen. In einigen Fällen kann es bis zu 1 Jahr dauern, bis die Symptome verschwinden.
  • Die auslösenden Medikamente sollten in Zukunft vermieden werden.

Medikamentöse Therapie

  • Ist in der Regel nicht erforderlich.
  • Lokale Steroide können die Beschwerden während der Übergangsperiode lindern.3,7
    • Nasale Kortikosteroide verringern Ödeme, Inflammation und Verstopfung bei medikamenteninduzierter Rhinitis.3
    • z. B. Fluticason 200 µg 1–2 x tgl. (2 Hübe a 50 µg pro Nasenloch 1–2 x tgl.) über 4–6 Wochen4,8
  • Intranasale Antihistiaminika werden alternativ oder in Kombination mit intranasalen Kosrtikosteroiden empfohlen.1
    • z. B. Azelastin 1 mg/ml Nasenspray 2 x tgl. je 1 Sprühstoß pro Nasenloch9
  • Orale oder parenterale Kortikosteroide können in schweren Fällen kurzfristig zum Einsatz kommen.1

Operative Therapie

  • Bei therapieresistenter Rhinitis können operative Eingriffe an Nasenmuschel oder -septum indiziert sein.1,10

Prävention

  • Schleimhautabschwellende Nasentropfen oder Nasensprays sollten nicht länger als 5 Tage hintereinander verwendet werden.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Mit anhaltendem Gebrauch von lokalen schleimhautabschwellenden Medikamenten tritt oft eine klinische Verschlechterung mit höherem Bedarf an Dekongestiva auf.

Prognose

  • Nach Absetzen des auslösenden Medikaments 4–6 Wochen bis zum vollständigen Rückgang der Symptome, in Einzelfällen bis zu 1 Jahr

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Formstörungen der inneren und äußeren Nase (mit funktioneller und/oder ästhetischer Beeinträchtigung). AWMF-Leitlinie Nr. 017-070. S2k, Stand 2022. www.awmf.org

Literatur

  1. Alromaih S, Alsagaf L, Aloraini N, Alrasheed A, Alroqi A, Aloulah M, Alsaleh S, Alhawassi T. Drug-Induced Rhinitis: Narrative Review.Ear Nose Throat J. 2022 Nov 15:1455613221141214. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Avdeeva K, Fokkens W, Segboer C, Reitsma S. The prevalence of non‐allergic rhinitis phenotypes in the general population: A cross-sectional study. Allergy 2022;77(7):2163-2174. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Ramey JT, Bailen E, Lockey RF. Rhinitis medicamentosa. J Investig Allergol Clin Immunol. 2006;16(3):148-55. www.jiaci.org
  4. Vaidyanathan S, Williamson P, Clearie K, Khan F, Lipworth B. Fluticasone reverses oxymetazoline-induced tachyphylaxis of response and rebound congestion. Am J Respir Crit Care Med 2010; 182: 19. PubMed
  5. Bernstein JA. Non-allergic rhinitis. BMJ Best Practice, Last updated: 31 Mar 2023. bestpractice.bmj.com
  6. Hellings PW, Klimek L, Cingi C, et al. Non-allergic rhinitis: Position paper of the European Academy of Allergy and Clinical Immunology. Allergy. 2017 Nov;72(11):1657-1665. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Ostroumova OD, Shikh EV, Rebrova EV, Ryazanova AY. Rhinitis medicamentosa. Vestn Otorinolaringol. 2020;85(3):75-82. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Teva Fluticason 50 µg Nasenspray Fachinfo, Stand: Oktober 2018, Version 3. s3.eu-central-1.amazonaws.com
  9. Vividrin Azelastin 1 mg/ml Nasenspray Fachinformation, Stand 06/2018. s3.eu-central-1.amazonaws.com
  10. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Formstörungen der inneren und äußeren Nase (mit funktioneller und/oder ästhetischer Beeinträchtigung). AWMF-Leitlinie Nr.017-070. Stand 2022. www.awmf.org

Autor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin und für Viszeralchirurgie, Kaufbeuren
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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