Hodentrauma, Hämatozele

Zusammenfassung

  • Definition:Verletzungen des Hodens, meist stumpfe Traumen.
  • Häufigkeit:Selten, am häufigsten bei sportlich Aktiven im Alter von 6–30 Jahren.
  • Symptome: Schmerzen im Skrotum, Schwellung, Hautverletzung.
  • Befunde:Schwellungen, Hämatome.
  • Diagnostik:Mit Ultraschall kann das Ausmaß der Schädigung am besten beurteilt werden.
  • Therapie:In leichten Fällen konservativ, eine sofortige Operation kann erforderlich sein, um die Hoden zu retten.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Eine Verletzung des Hodens kann durch ein stumpfes oder ein penetrierendes (offenes) Trauma hervorgerufen werden.
  • Eine Hämatozele ist eine Einblutung in die Tunica vaginalis.

Häufigkeit

  • Hodentraumata machen weniger als 1% aller traumatischen Verletzungen aus.1
  • Sie treten am häufigsten bei Patienten im Alter von 6–30 Jahren auf.1
  • Stumpfe Verletzungen kommen häufiger vor.
  • Der rechte Hoden ist häufiger betroffen als der linke.2

Ätiologie und Pathogenese

  • Ursachen für ein Hodentrauma sind zumeist stumpfe Traumata (Sportverletzungen, Fahrradunfälle, Verkehrsunfälle).
  • Penetrierende Verletzungen können durch Schussverletzungen, Stiche, Pfählungsverletzung, thermische Schädigungen oder Bissverletzungen entstehen.
  • Seltener sind schwere Selbstverstümmelungen, oft in Verbindung mit einer Psychose.3
  • Im Rahmen der Verletzungen kommt es zu lokalen Veränderungen (Hautaffektionen, Blutungen, Schwellungen) und skrotalen Schmerzen mit Ausstrahlung in Leiste und Abdomen.4 
  • Es kann zu Flüssigkeitsansammlungen (Hämatom, Hämatozele) im Hodenparenchym oder im Skrotum kommen.
  • Kommt es zu einem Einriss der Hodenkapsel (Tunica albuginea), kann eine Hodenruptur oder Hodendislokation die Folge sein.
  • Ein Trauma kann auch zu einer Hodentorsion führen, dies wird durch eine pathologische Mobilität des Hodens oder anatomische Varianten begünstigt.
  • Bei sehr schweren Gewalteinwirkungen kann es auch zu einer Hodenquetschung kommen.
  • Hodentumoren können schon bei Bagatellverletzungen ausgedehnte Hämatome aufweisen.4

ICPC-2

  • Y80 Verletzung männliches Genitale

ICD-10

  • S37 Verletzung der Harnorgane und der Beckenorgane
    • S37.9 Verletzung eines nicht näher bezeichneten Harnorgans oder Beckenorgans

Diagnostik

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Genaue Traumaanamnese 
  • Begleiterkrankungen oder vorangegangene Ereignisse

Klinische Untersuchung

  • Äußere Verletzungen im Bereich des Skrotums
  • Schwellungen und Rötungen des Skrotums
  • Eingeschränkte Beweglichkeit des Hodens
  • Starke Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen
  • Fieber
  • Untersuchen Sie immer beide Hoden.
  • Weitere Begleitverletzungen müssen abgeklärt werden.
  • Ggf. Proben für eine bakteriologische Untersuchung des Urins und offener Wunden
  • Ggf. Ausschluss Hämaturie

Diagnostik beim Spezialisten

Ultraschall 

  • Die Ultraschalluntersuchung ist ideal für die Beurteilung skrotaler Traumata (und anderer Pathologien des Skrotums), da sie den Inhalt und die Durchblutung des Skrotums sowie Fremdkörper und Flüssigkeitsansammlungen sichtbar macht.2,6
  • Der Seitenvergleich ist obligat.4

Zusätzliche Bildgebung

  • Bei unklarem Bild können ggf. eine farbkodierte Dopplersonografie (Angiodynografie) zur Beurteilung der Hodendurchblutung, eine MRT oder eine CT weiterhelfen.

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Überweisung zum Urologen, um das Ausmaß der Verletzung einzuschätzen
  • Eine sofortige Klinikeinweisung zur operativen Versorgung ist abhängig vom Ausmaß der Verletzung.

Therapie

Allgemeines zur Therapie

  • Ein offenes Trauma soll immer chirurgisch versorgt werden, bei einem stumpfen Trauma hängt die Art der Versorgung von der Schwere der Verletzung ab.
  • Eine frühe chirurgische Exploration erhöht die Wahrscheinlichkeit, den Hoden zu retten.7
  • Bei stumpfen Skrotaltraumen ist nicht immer eine operative Freilegung notwendig. Allerdings soll per Sonografie oder farbkodierter Dopplersonografie ausgeschlossen werden, dass ein intrakapsuläres Hämatom oder eine Zerreißung der Tunica albuginea vorliegt, da dies zu einer Atrophie des Hodens führen kann.8
  • Bei allen offenen Verletzungen ist der Impfstatus (Tetanus, ggf. Tollwut) zu klären, und es sollte eine antibiotische Therapie eingeleitet werden (Breitspektrum-Antibiotika, z. B. Ampicillin/Sulbactam bei Bissverletzungen).4

Konservative Therapie

  • Leichte Hodenverletzungen werden mit Hochlagerung, Bettruhe, Kühlung und schmerzlindernden Medikamenten behandelt.
  • Die Indikation für eine operative Therapie soll dabei immer wieder überprüft werden, da es auch zu nachfolgenden (zweizeitigen) Hodentorsionen oder Hodenrupturen kommen kann.

Operative Therapie

  • Eine sofortige chirurgische Exploration ist indiziert bei:
    • Hämatozele oder intratestikulären Hämatomen
    • Durchblutungsstörungen des Hodens
    • Beschädigung der Tunica albuginea
    • Verdacht auf Hodentorsion
    • offenen Verletzungen.
  • Der Hoden sollte freigelegt und retorquiert, Hämatome ausgeräumt und die Tunica albuginea genäht werden.
  • Nach einer traumatischen Durchtrennung des Samenleiters kann eine Vasovasostomie versucht werden.
  • Bei ausgeprägten Hautverlusten, z. B. durch Verbrennungen, kann der Hoden zunächst unter die Haut des Oberschenkels verlagert werden und später durch Spalthaut ein neues Skrotum gebildet werden.1
  • Irreversibel geschädigte Hoden müssen entfernt werden (Orchiektomie). Später kann eine Hodenprothese eingesetzt werden.
  • Manchmal kann eine Entnahme von noch vitalem Hodengewebe mit anschließender Kryokonservierung zur Sicherung der Fertilität erfolgen.

Prävention

  • Tragen ausreichender Schutzbekleidung (Suspensor oder Tiefschutz) bei Kampf- oder Kontaktsportarten, insbesondere für Sportler mit Einzelhoden oder nach Orchidopexie

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Abhängig von der Schwere des Traumas sowie der Schnelligkeit und Genauigkeit der Diagnose und Behandlung

Komplikationen

Prognose

  • Die Prognose hängt von der Schwere der Verletzung ab, bei irreversiblen Hodenveränderungen kann es zu Störungen der Sexualität und/oder der Fertilität kommen.
    • Patienten mit genitalen Verletzungen, bei denen Folgeschäden bezüglich Sexualität oder Fortpflanzung zu erwarten sind, sollten zusätzlich psychologische Hilfe angeboten bekommen.7

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

hodenhaematom3.jpg
Sonografie Hodenhämatom (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg)
Hemoscrotum.jpg
Hodenhämatom

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie, Deutsche Gesellschaft für Urologie. Akutes Skrotum im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 006-023, Stand 2015. www.awmf.org

Literatur

  1. Mevorach RA. Scrotal trauma. Medscape, Januar 2019 emedicine.medscape.com
  2. Deurdulian C, Mittelstaedt CA, Chong WK, Fielding JR. US of acute scrotal trauma: optimal technique, imaging findings, and management. Radio Graphics 2007; 27: 357-69. www.ncbi.nlm.nih.gov
  3. Large M, Babidge N, Andrews D, et al. Major self-mutilation in the first episode of psychosis. Schizophr Bull 2008; 35: 1012-21. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie, Deutsche Gesellschaft für Urologie. Akutes Skrotum im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 006-023, Stand 2015. www.awmf.org
  5. Güneş M, Umul M, Altok M, Akyüz M, İşoğlu CS, Uruç F, et al. Is it possible to distinguish testicular torsion from other causes of acute scrotum in patients who underwent scrotal exploration? A multi-center clinical trial. Cent Europäischen J Urol. 2015. 68 (2):252-6.
  6. Buckley JC, McAninch JW. Use of ultrasonography for the diagnosis of testicular injuries in blunt scrotal trauma. J Urol 2006; 175: 175-8. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Morey A, Brandes S, Dugi D, Urotrauma: American Urological Association (AUA) Guideline. 2017 www.auanet.org
  8. Bichler K-H, Zumbrägel A. Urologische Sportverletzungen. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, Jahrgang 51, Nr. 11. 2000 www.germanjournalsportsmedicine.com

Autoren

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Steinar J. Karlsen, tidligere klinikksjef og professor dr. med., Oslo Urologiske Universitetsklinikk, Aker universitetssykehus helseforetak og Universitetet i Oslo
  • Svein Z. Bratland, spesialist i allmennmedisin, Sandviken Legesenter, Bergen, og seniorrådgiver i Statens helsetilsyn, Oslo
  • Per Inge Lundmo, overlege Kirurgisk klinikk, Urinveissykdommer, RiT og førsteamanuensis Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit