Fraktur des Kalkaneus

Zusammenfassung

  • Definition:Fraktur des Fersenbeins.
  • Häufigkeit:Häufig nach Stürzen aus größerer Höhe mit Landung auf den Füßen.
  • Symptome:Belastung und Laufen nicht möglich.
  • Untersuchung:Deutliche Schwellung, verbreiterte Ferse und Bild eines Plattfußes.
  • Diagnostik:Die Diagnose kann anhand einer CT- und Röntgenuntersuchung gestellt werden.
  • Therapie: Konservative Therapie mit guten Ergebnissen, bei intraartikulären sowie dislozierten Frakturen ist jedoch häufig eine Operation zur anatomischen Rekonstruktion der Gelenkflächen nötig.

 

Allgemeine Informationen

Definition

  • Synonyme: Calcaneus, Kalkaneus, Fersenbein

Anatomie

  • Größter Fußwurzelknochen
  • 4 Gelenkflächen
    • 3 superiore Gelenkflächen zur Artikulation mit Talus
    • 1 anteriore Gelenkfläche zur Artikulation mit Os cuboideum

Häufigkeit

  • Kalkaneusfrakturen sind häufig.1
    • 2 % aller Frakturen beim Menschen
    • > 60 % aller Fußwurzelfrakturen 
  • Männer sind häufiger als Frauen betroffen.

Ätiologie und Pathogenese

  • Unfallmechanismus: Sturz aus größerer Höhe (> 1,80 m) mit Landung auf den Füßen
    • Der Talus wird mit hoher axialer Kraft in den Kalkaneus gedrückt.
      • bei etwa 75 % der Fälle intraartikuläre Fraktur mit Beteiligung der subtalaren Gelenkflächen1
      • Die häufigste Form sind Impressionsfrakturen („Joint Depression Fracture“).
  • Kalkaneusfrakturen infolge eines Sturzes aus großer Höhe haben häufig folgende Begleitverletzungen:2
    • 10 % der Fälle bilateral
    • 10 % mit begleitender Kompressionsfraktur der Wirbelsäule
    • 10 % mit Kompartmentsyndrom als Komplikation
    • 25 % mit weiteren knöchelnahe Frakturen.
  • „Entenschnabelbruch“
    • seltener Frakturtyp mit knöchernem Achillessehnenabriss durch indirekte Gewalteinwirkung

ICPC-2

  • L76 Fraktur, andere

ICD-10

  • S92 Fraktur des Fußes [ausgenommen oberes Sprunggelenk]
    • S92.0 Fraktur des Kalkaneus

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Typische Anamnese und Nachweis der Fraktur in der Röntgen-/CT-Untersuchung

Differenzialdiagnosen

  • Sonstige Frakturen des Fußes

Anamnese

  • In der Regel ist die Fraktur auf ein axiales Trauma zurückzuführen.
    • Sprung oder Sturz aus großer Höhe
    • Verkehrsunfall mit starkem Aufprall und aufgestellten Füßen im Fußraum
  • Die Patienten können den Fuß nicht belasten/nicht gehen.

Klinische Untersuchung

  • Deutliche Schwellung des Rückfußes, ggf. mit Spannungsblasen
  • Verbreiterte Ferse
  • Plattfuß (abgeflachtes Fußgewölbe)
  • Prüfung der Funktion der Bänder und Sehnen
  • Bewegungsausmaß dokumentieren.
  • pDMS kontrollieren.

Diagnostik beim Spezialisten

  • Häufig liegen mehrfragmentäre Frakturen mit Fragmentverschiebungen vor.
    • Das Verhältnis zwischen den einzelnen Fragmenten ist auf gewöhnlichen Röntgenaufnahmen schwer zu beurteilen.2
  • CT
    • bevorzugte Untersuchung, vor allem bei intraartikulären Frakturen
    • Eine genaue Darstellung der Frakturfragmente und Dislokation ist möglich.
      • Klassifikation nach Sanders (s. u.)
  • Röntgen – routinemäßige Bildgebung in mind. 2 Ebenen
    • Bestimmung des Böhler-Winkels in der lateralen Aufnahme
      • Schnittpunkt aus 2 Linien
        • Verbindungslinie posteriore subtalare Gelenkfläche und anteriorer Processus des Kalkaneus
        • Verbindungslinie posteriore subtalare Gelenkfläche und posteriore Tuberositas calcanei
      • physiologisch: 20–40 Grad
      • Bei einer Kalkaneusfraktur verkleinert sich der Böhlerwinkel.
  • MRT
    • Eignet sich insbesondere, um Verletzungen der Peronealsehne darzustellen.
  • Szintigrafie
    • Durch die Szintigrafie können okkulte Frakturen (Ermüdungsbrüche) mehrere Wochen früher als im Röntgen nachgewiesen werden.3

Klassifikation

  • Klassifikation nach Sanders im CT4
    • Einteilung des Corpus calcanei in 3 Säulen (medial, zentral, lateral)
      • Typ I: nicht-disloziert
      • Typ II: 1 Säule betroffen, 2-Fragment-Fraktur
      • Typ III: 2 Säulen betroffen, 3-Fragment-Fraktur
      • Typ IV: 4-Fragment-Fraktur/Trümmerbruch

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf eine Fraktur

Therapie

Therapieziele

  • Kongruente subtalare Gelenkflächen wiederherstellen.
  • Den Kalkaneus in physiologischer Höhe und Achse aufrichten.
  • Die Funktion des Fußes bestmöglich wiederherstellen.

Allgemeines zur Therapie

  • Erstversorgung nach dem PECH-Schema:
    • Pause
    • Eis
    • Compression
    • Hochlegen.
  • Bei extraartikulären und nicht-dislozierten Frakturen (Sanders Typ I) erfolgt in der Regel eine konservative Therapie.
  • Bei intraartikulären Frakturen ist in der Regel eine offene Reposition und Fixierung sinnvoll.5

Konservative Therapie

  • Indikationen
    • extraartikuläre Frakturen
    • nicht-dislozierte, stabile Frakturen
    • Schwere intraartikuläre Frakturen (Sanders IV), die voraussichtlich operativ nicht anatomisch korrekt zu rekonstruieren sind.6
  • Vorgehen1
    • Unterschenkelgips für 2 Wochen mit Gewichtsentlastung
    • sukzessiver, schmerzadaptierter Belastungsaufbau 
    • Vollbelastung nach 12 Wochen

Operative Therapie

  • Indikationen
    • intraartikuläre Frakturen
    • dislozierte, instabile Frakturen
  • OP-Zeitpunkt
    • 10–14 Tage nach der Verletzung, wenn die Weichteilschwellung regredient ist.7
    • Ausnahmen: Kompartmentsyndrom, offene Frakturen
  • Ziel
    • Kongruente Gelenkflächen schaffen.
    • Subtalare Arthrose verhindern.
  • Vorgehen
    • anatomische Rekonstruktion des Kalkaneus
  • Postoperatives Prozedere1
    • Den Fuß für 72 Stunden hochlagern, um eine Schwellung zu verhindern.
    • Nach 10–12 Tagen mit der Mobilisierung beginnen.
    • Abhängig von Schweregrad der initialen Verletzung ist eine Gewichtsbelastung nach spätestens 12 Wochen möglich.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Es können Schmerzen auftreten, die vom Subtalargelenk ausgehen (subtalare Arthrose).
    • erhöhtes Risiko bei intraartikulären Frakturen mit vielen Fragmenten
    • erschwerte anatomische Rekonstruktion
      • In diesen Fällen ist manchmal eine talocalcaneare Arthrodese nötig.

Komplikationen

  • Schmerzen, arthrotische Veränderungen
    • bei inkongruenten Gelenkflächen des subtalaren oder calcaneocuboidalen Gelenks8
  • Pseudarthrose
  • Laterales Impingement der Peronealsehnen bei verminderter Höhe des Kalkaneus1
  • Tiefe Venenthrombose durch Immobilisation

Prognose

  • Die Prognose richtet sich nach dem Schweregrad und der Art der Verletzung.
  • Bei etwa 70 % der Patienten können gute bis ausgezeichnete Ergebnisse erzielt werden.2
  • Bei intraartikulären Frakturen, die nicht anatomisch korrekt rekonstruiert werden können, ist die Prognose ungünstig.2

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Fußfraktur 2.jpg
Laterale Bänder im Fußgelenk
Fussknochen von hinten.jpg
Fußknochen von hinten
Fußfraktur 1.jpg
Fußknochen von oben
 
Sprunggelenk von der lateralen Seite: 1. Fibula (Wadenbein), 2. Tibia (Schienbein), 3. Talus (Sprungbein), 4. Os naviculare (Kahnbein), 5. Os cuneiforme (Keilbein), 6. Kalkaneus (Fersenbein)
Sprunggelenk von der lateralen Seite: 1. Fibula (Wadenbein), 2. Tibia (Schienbein), 3. Talus (Sprungbein), 4. Os naviculare (Kahnbein), 5. Os cuneiforme (Keilbein), 6. Kalkaneus (Fersenbein)
Schrägaufnahme Sprunggelenk: 1. Os naviculare (Kahnbein), 2. Talus (Sprungbein), 3. Tibia (Schienbein), 4. Fibula (Wadenbein), 5. Kalkaneus (Fersenbein)
Schrägaufnahme Sprunggelenk: 1. Os naviculare (Kahnbein), 2. Talus (Sprungbein), 3. Tibia (Schienbein), 4. Fibula (Wadenbein), 5. Kalkaneus (Fersenbein)

Quellen

Literatur

  1. Nicklebur S. Calcaneus Fractures. Medscape, last updated Aug 30, 2018. emedicine.medscape.com
  2. Khan AN. Calcaneus fracture imaging. Medscape, last updated Mar 19, 2017. emedicine.medscape.com
  3. Spitz DJ, Newberg AH. Imaging of stress fractures in the athlete. Radiol Clin North Am. 2002 Mar. 40(2):313-31. www.ncbi.nlm.nih.gov
  4. Sanders R, Fortin P, DiPasquale T, et al. Operative treatment in 120 displaced intraarticular calcaneal fractures. Results using a prognostic computed tomography scan classification. Clin Orthop Relat Res 1993; 290: 87-95. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Rammelt S, Sangeorzan BJ, Swords MP. Calcaneal Fractures - Should We or Should We not Operate?. Indian J Orthop 2018; 52(3): 220-30. www.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Pozo JL, Kirwan EO, Jackson AM. The long-term results of conservative management of severely displaced fractures of the calcaneus. J Bone Joint Surg Br 1984; 66(3): 386-90. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Varela CD, Vaughan TK, Carr JB, et al. Fracture blisters: clinical and pathological aspects. J Orthop Trauma 1993; 7(5): 417-27. www.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Reddy V, Fukuda T, Ptaszek AJ. Calcaneus malunion and nonunion. Foot Ankle Clin 2007; 12(1): 125-35. www.ncbi.nlm.nih.gov

Autoren

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
  • Arild Aamodt, overlege/professor, Ortopedisk avdeling, Lovisenberg Sykehus, Oslo
  • Jes Bruun Lauritzen, professor, overlæge, dr. med., Ortopædkirurgisk afdeling, Bispebjerg Hospital, Københavns Universitet

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit