Nebenwirkungen der Strahlentherapie

Da bei einer Strahlentherapie nicht nur bösartige Zellen geschädigt werden, kann auch gesundes, im Strahlenfeld gelegenes Gewebe beansprucht werden, was Nebenwirkungen zur Folge haben kann. Je nach bestrahltem Bereich, Bestrahlungsart und -dosis sind die Nebenwirkungen unterschiedlich stark.

Was ist die Strahlentherapie?

Eine Strahlentherapie wird zur Behandlung meist bösartiger, teils auch gutartiger Erkrankungen eingesetzt. Röntgenstrahlung oder radioaktive Strahlung ruft Schäden im Erbgut (Desoxyribonukleinsäure = DNS) von Krebszellen hervor, sodass die Zellen sich nicht mehr vermehren können oder absterben. Es handelt sich um eine örtlich begrenzte (lokale) Therapie. Da dennoch auch anliegendes, gesundes Gewebe von den Strahlen beschädigt werden kann, verursacht die Bestrahlung Nebenwirkungen.

Die Bestrahlung erfolgt in der Regel fraktioniert, das bedeutet über mehrere Sitzungen verteilt. Dies hat den Zweck, gesunden Zellen Zeit zur Erholung zu verschaffen. Während Krebszellen durch die Bestrahlung meist effektiv geschädigt werden können und sich schlechter erholen, hat gesundes Gewebe trotz Strahlenschäden das größere Potenzial zur Regeneration. Um die Nebenwirkungen möglichst gering zu halten, wird das Strahlenfeld stark eingegrenzt, sodass die Strahlen nur am Ort des Auftreffens wirken. Die Wirkung und Nebenwirkung ist umso stärker, je höher die Strahlendosis ist. Die Strahlendosis wird in Gray (Gy) gemessen. Die Einheit gibt an, wie viel Energie vom Gewebe absorbiert wird (1 Gy = 1 Joule/kg).

Das Ausmaß und die Art der Strahlennebenwirkungen hängt außerdem von dem bestrahlten Bereich sowie der Bestrahlungsform ab. Die am häufigsten verwendete Methode stellt die Teletherapie oder externe Bestrahlung dar. Dabei liegt die Strahlenquelle außerhalb des Körpers, meist mit 80–100 cm Abstand. Eine andere Bestrahlungsart ist die Brachytherapie, bei der der Abstand zwischen der Quelle und der Zielregion weniger als 5 cm beträgt. Beispielsweise kann die radioaktive Strahlenquelle in den Tumor oder das betroffene Organ eingebracht werden. Diese Therapieform kann z. B. beim Prostatakarzinom angewandt werden. Eine weitere Möglichkeit der Strahlentherapie stellt die Injektion von radioaktiven Substanzen dar, die sich in den betroffenen Organen anreichern. Ein Beispiel hierfür wäre die Radiojodtherapie beim Schilddrüsenkarzinom.

Heutige Methoden der Strahlentherapie sind im Vergleich zu früheren wirksamer, haben ein niedrigeres Komplikationsrisiko und ein größeres Anwendungsspektrum. Die für die Strahlentherapie zuständigen Ärzte informieren Sie genauer über die Therapieform sowie über die Auswirkungen und Nebenwirkungen.

Allgemeine Nebenwirkungen einer Strahlentherapie

Je nach bestrahltem Bereich können unterschiedliche Organe betroffen sein. Im Kopf-Hals-Bereich ergeben sich z. B. ganz andere Nebenwirkungen als im Brustkorb-Bereich oder im Bauch- und Beckenbereich. In ärztlichen Kontrolluntersuchungen werden Patienten nach Nebenwirkungen befragt und untersucht. Sollten Sie Fragen haben oder Nebenwirkungen an sich feststellen, nehmen Sie Kontakt mit ihrem behandelnden Arzt oder Krankenhaus auf.

Die Bestrahlung an sich ist schmerzlos und wird von den Patienten nicht bemerkt. Eine Bestrahlung zieht nicht zwangsweise Nebenwirkungen nach sich. Sollte es zu Nebenwirkungen kommen, treten sie entweder kurzfristig nach einigen Tagen oder erst verspätet nach Wochen bis Monaten auf. Meist sind die Nebenwirkungen von alleine oder durch eine Therapie rückläufig. Seltener treten Nebenwirkungen auch dauerhaft auf.

Ein erhöhtes Risiko von Spätfolgen/Nebenwirkungen besteht bei:

  • Hoher Gesamtdosis bei kurzer Therapiedauer
  • Großer Bestrahlungsfläche
  • Mehrfacher Bestrahlung (Fraktionierung)
  • Kurzen, intensiven Therapien
  • Kombinationstherapien mit bestimmten Chemotherapie-Medikamenten.

Allgemein gilt: Je schneller sich die Zellen teilen, desto eher sind sie durch die Bestrahlung betroffen. Deshalb wirkt die Bestrahlung besonders gut bei Tumorzellen, da sie sich sehr schnell teilen. Gewebe mit schnell teilenden Zellen sind außerdem: Schleimhaut, Haut, Knochenmark, Magen-Darm-Trakt, Harnwege/Blase/Genitalien. Hieraus ergeben sich die im Folgenden beschriebenen Nebenwirkungen.

Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue)

Nicht alle Patienten leiden nach einer Bestrahlung unter Müdigkeit und Erschöpfung, auch Fatigue genannt. Dennoch ist es häufige Nebenwirkung, die meist erst nach ein bis zwei Wochen auftritt. Sie ist durch mehrere Faktoren bedingt. Durch die Zerstörung der Krebszellen werden viele Stoffwechselprodukte im Körper frei, die abgebaut werden müssen. Dies ist für den Körper sehr anstrengend, da die toten Zellbestandteile aktiv transportiert und ausgeschieden werden müssen. Außerdem kann die Erschöpfung von einer verminderten Produktion von roten Blutkörperchen im Knochenmark herrühren. Meist erholt sich das Knochenmark im Verlauf von alleine wieder. Zudem ist die psychische Komponente bei der Verarbeitung einer Krebserkrankung nicht zu unterschätzen und kann zu Fatigue führen.

Gönnen Sie ihrem Körper regelmäßige Ruhepausen. Dennoch ist es ratsam, dass Sie Ihre gewohnten körperlichen Aktivitäten fortsetzen, soweit Sie es können und sich damit wohlfühlen, da zu viel Schonung die Erschöpfung verstärken kann. Besprechen Sie mit ihrem Arzt, welche Möglichkeiten es gibt, um die Fatigue zu mindern.

Übelkeit

Übelkeit ist ein häufiges Symptom nach einer Bestrahlung. Weitere übliche Symptome, vor allem bei Bestrahlung des Magen-Darm-Trakts, sind Durchfall und Appetitlosigkeit. Zunächst ist bekannt, dass Übelkeit gehäuft nach Gehirnbestrahlungen auftritt. Bei Bestrahlungen im Bauchbereich kann die Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts geschädigt werden und Übelkeit verursachen. Im Kopf-Hals-Bereich sind Schleimhautschäden oft mit Schmerzen verbunden, was ebenso Übelkeit und Appetitlosigkeit hervorrufen kann.

Um bei Kräften zu bleiben, ist es dennoch wichtig, ausreichend zu essen und zu trinken. Sie können ihren Arzt um die Verschreibung von übelkeitslindernden Medikamenten bitten. Außerdem können frische Luft, viel Flüssigkeit oder leichte Kost (Ernährungsempfehlungen siehe weiterführende Informationen) die Symptome lindern.

Hautreaktionen

Die Haut, die im bestrahlten Bereich liegt, kann sehr empfindlich auf die Bestrahlung reagieren und gerötet, trocken und wund werden, ähnlich wie bei einem Sonnenbrand. Die Strahlentherapie hat außerdem Auswirkungen auf die Schweißdrüsen im Behandlungsbereich, sodass sich die Schweißbildung reduziert. Bei einer hohen Strahlendosis kann es auch zu einer Blasenbildung und Verbrennung der Haut kommen. Meist sind die Hautreaktionen einige Wochen nach der Bestrahlung vollständig rückläufig. Allerdings kann die Haut auch dauerhafte Schäden nehmen, z. B. dünner und empfindlicher werden.

Deshalb sollte die Haut möglichst geschont und mit den vom Arzt verschrieben Cremes gepflegt werden. Um Hautreiben zu vermeiden, können Sie weiche, weite Kleidung tragen. Duschen mit lauwarmem Wasser ist ohne Probleme möglich. Verwenden Sie vorzugsweise pH-neutrale und unparfümierte Seife. Beachten Sie beim Abtrocknen, dass sie die betroffene Haut nicht zu sehr reiben. Tupfen Sie sie vorsichtig ab. Bei bestrahlter Kopfhaut wird empfohlen, keinen heißen Fön zum Trocknen der Haare zu verwenden. Von der Verwendung von Cremes und Lotionen, außer den vom Arzt verschriebenen, sollten Sie im bestrahlten Gebiet absehen. Zudem ist ein Sonnenschutz der bestrahlten Haut auch nach beendeter Therapie durch Abdecken oder Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor zu empfehlen. Es wird angeraten, während der Therapie auf Saunagänge und Schwimmbadbesuche zu verzichten.

Bei Bestrahlungen im Intimbereich wenden Sie sich für Informationen zur Hautpflege bitte an ihren behandelnden Arzt.

Haarausfall

Bei Bestrahlung des Schädels bzw. des Gehirns tritt häufig Haarausfall auf. Dieser ist in der Regel vorübergehend, kann aber auch dauerhaft sein.

Spätfolgen

Je jünger Patienten zum Zeitpunkt der Strahlentherapie sind, desto höher ist das Risiko für Spätfolgen. Kinder sind besonders gefährdet. Welche Spätfolgen auftreten, hängt davon ab, welches Organ mit welcher Dosis bestrahlt wurde. Bei Bestrahlung des Gehirns kann es zu einer verminderten Konzentrationsfähigkeit, einer eingeschränkten Gedächtnisleistung, Lernstörungen oder einer erhöhten Ermüdbarkeit kommen. Außerdem kann das Sehen beeinträchtigt sein. Im Auge kann die Bestrahlung zu einer Trübung der Linse (Grauer Star = Katarakt) führen, weshalb das Auge möglichst ausgespart bleibt. Besonders Patienten, die im jungen Erwachsenenalter eine Strahlentherapie im Brustbereich erhalten haben, können Herzschäden davongetragen haben, die sich meist erst im späteren Lebensalter äußern. Die Lunge kann durch eine Bestrahlung des Brustkorbs chronisch betroffen sein, indem sich die Bindegewebsfasern innerhalb der Lunge vermehren. Das Atmen fällt dann schwerer und der Körper kann an Sauerstoffmangel leiden. Bei Bestrahlung im Kopf-Hals-Bereich sind besonders die Speicheldrüsen betroffen. Es kommt zu Mundtrockenheit, welche wiederum das Risiko für Karies und Zahnschäden erhöht. Bestrahlte Haut kann langfristig Pigmentveränderungen oder Gewebeschwund zeigen. Um die Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen, werden Sie auch nach der Beendigung einer Strahlentherapie noch regelmäßig ärztlich kontrolliert.

Als allgemeine Spätfolge können Zweittumoren auftreten, also Krebs an einer anderen Stelle im Körper als die vorherige Krebserkrankung. Die radioaktiven Strahlen können das Erbgut von gesunden Zellen dauerhaft schädigen und damit potenziell Krebs hervorrufen. Die Gefahr erneuter Tumorerkrankungen nimmt besonders bei Brust- und Lungenkrebs zu. Deshalb wird von Ärzten im Vorhinein überprüft, ob der Nutzen der Strahlentherapie für die aktuelle Krebserkrankung gegenüber dem potenziellen Risiko für Zweittumoren überwiegt.

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Autoren

  • Marleen Mayer, Ärztin, Mannheim

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Strahlentherapie. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

  1. Deutsche Krebsgesellschaft. Hyperthermie-Behandlung. Onko-Internetportal 23.05.2018. www.krebsgesellschaft.de
  2. Guckenberger M, Guninski RS, Hüllner M, et al. Aktuelle interdisziplinäre Behandlung von Knochenmetastasen. Onkologie 2023; 29: 222–9. www.springermedizin.de
  3. Deutsche Krebsgesellschaft (DKG). S3-Leitlinie Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen - interdisziplinäre Querschnittsleitlinie. AWMF-Leitlinie Nr.032-054OL, Stand 2016 (abgelaufen). register.awmf.org