Zusammenfassung
- Definition:Laterale und mediane Halszysten werden durch Entwicklungsanomalien verursacht.
- Häufigkeit:Am häufigsten treten mediane Halszysten auf.
- Symptome:Meist symptomfreie Schwellung am Hals, bei Infektion Fieber möglich.
- Befunde:Schwellung am Hals, ggf. Sekretion bei Fistelbildung.
- Diagnostik:Ultraschall, CT oder MRT.
- Therapie:Chirurgische Exzision der Zyste, ggf. zuvor Antibiose.
Allgemeine Informationen
Definition
- Mediane und laterale Halszysten fallen meist durch Schwellungen im Bereich des Halses auf.
- Laterale als auch mediane Zysten werden durch Rückbildungsstörung verursacht.1
Häufigkeit
- Die mediane Halszyste gilt als zweithäufigste Ursache für Schwellungen im Hals (nach der Lymphadenopathie) bei Kindern, sie können sich aber auch erst im Erwachsenenalter manifestieren.
- Bei der Häufigkeit bestehen keine geschlechtsspezifischen Unterschiede.
- Laterale Halszysten werden häufig erst durch zunehmende Größe oder aufgrund von rezidivierenden Infektionen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen diagnostiziert.2
- In 3 % der Fälle kommen laterale Halszysten bilateral vor.2
Ätiologie und Pathogenese
Mediane Zysten und Fisteln
- Die mediane Halszyste hat ihren Ursprung im Ductus thyreoglossus und ist üblicherweise zwischen Zungenbein und Schilddrüse lokalisiert.
- Die Reste des Ductus thyreoglossus mit Schleimproduktion aus der Endothelschicht führt zur Entwicklung einer medianen Zyste.
- Ungewöhnliche Lokalisierungen können vorkommen.3-4
- Es wird zwischen 4 Subkategorien entschieden:
- thyreohyoidale Zysten (61 %)
- suprahyoidale Zysten (24 %)
- suprasternale Zysten (13 %)
- intralinguale Zysten (2 %).
Laterale Zysten und Fisteln
- Die laterale Halsfistel ist eine von den Kiemenspalten abgeleitete, durch mangelhafte Rückbildung des Ductus thymopharyngeus entstandene Fistel bzw. Zyste.5
- Halszysten des 2. Kiemenbogens sind am häufigsten.2
ICPC-2
- R89 Angeborene Anomalie Atemwege
ICD-10
- Q18.8 Sonstige näher bezeichnete angeborene Fehlbildungen des Gesichtes und des Halses
- Q18.9 Angeborene Fehlbildung des Gesichtes und des Halses, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Typische Anamnese und typischer klinischer Befund
- Die Diagnose wird durch bildgebende Diagnostik bestätigt.6
Differenzialdiagnosen
- Schwellung am Hals durch andere Ursachen:
- Lymphadenopathie
- Toxoplasmose, Sarkoidose, Leukämie, maligne Lymphome, Metastasen)
- maligne Tumoren
- Metastasen
- Dermoidzysten
- Schilddrüsenerkrankungen
- Atherome
- Lipom.
Anamnese
- Meist hat sich eine symptomfreie, zystische Raumforderung medial oder lateral am Hals gebildet, häufig nach einer Infektion der oberen Atemwege.
- Die Zyste kann sich über einen langen Zeitraum entwickelt haben.
- Die Zyste kann leicht empfindlich sein und in einigen Fällen zu leichten Schluckbeschwerden führen.
- Manchmal kommt es zu einer Sekretion durch eine Öffnung nach außen (Fistelbildung).
- Durch Besiedlung mit Bakterien kann es zu einer Entzündung bis hin zum Abszess oder Eiterentleerung führen, hierbei kommt es zu vermehrten Schmerzen, Rötung und Fieber.
Klinische Untersuchung
- Die meisten Zysten lassen sich durch Inspektion und Palpation entdecken.
Weitere Diagnostik
Labor
Ultraschall
- Bei einer unklaren Schwellung ist die Sonografie gut geeignet, Zysten von festem Gewebe zu unterscheiden und die Lymphknoten zu beurteilen.
- Zur Abgrenzung von Schilddrüsenerkrankungen6
CT und MRT
- Bei klinisch unklarem Bild können MRT und CT (ggf. mit Kontrastmittel) helfen, Halszysten von anderen Pathologien abzugrenzen.
Punktion oder Biopsie
- Können einerseits die Zysten entlasten, andererseits eine maligne Erkrankung ausschließen.
Checkliste zur Überweisung
Schwellung am Hals
- Zweck der Überweisung
- Diagnostik? Therapie? Sonstiges?
- Anamnese
- Seit wann besteht die Veränderung? Entwicklung? Verdacht auf ein Malignom?
- Andere Begleitsymptome − Schluckbeschwerden, Atembeschwerden, Gewichtsverlust, Weiteres?
- Andere relevante Krankheiten? Familiäre Disposition? Rauchen: Wie hoch ist der Konsum? Alkohol? Sonstige Expositionen?
- Regelmäßig oder akut einzunehmende Medikamente?
- Folgen?
- Klinische Untersuchung
- Allgemeinzustand? Infektionszeichen? Beschreibung der lokalen Schwellung: Größe, Konsistenz, Beweglichkeit in Bezug auf das umliegende Gewebe, Schmerzempfindlichkeit Zeichen einer generalisierten Lymphadenopathie? Veränderungen in Mundhöhle und Rachen?
- Verdacht auf ein Malignom?
- Ergänzende Untersuchungen
Therapie
Therapieziel
- Entfernung von Fisteln und Zysten
Allgemeines zur Therapie
- Therapie
- Die Therapie besteht in der vollständigen chirurgischen Entfernung der Fistel, ggf. nach vorheriger antibiotischer Behandlung bei Infektionen.
- Rezidive sind möglich.
- Eine histologische Aufarbeitung sollte angestrebt werden, manchmal verbergen sich in den Zysten auch maligne Zellanteile.7
Medikamentöse Therapie
- Hat sich die Zyste infiziert, ist eine zusätzliche Antibiotikatherapie möglichst nach Antibiogramm und ggf. Blutkultur sinnvoll.8
- Mit Inzision und Drainage sollte zurückhaltend umgegangen werden, da diese Verfahren eine spätere Operation erschweren.
Operative Therapie
- Die Zysten sollten möglichst komplett chirurgisch entfernt werden, da zurückbleibende Zellanteile zu häufigeren Rezidiven führen.
- Deswegen ist bei Entzündungen die Vorbehandlung mit Antibiotika sinnvoll, da in entzündetem Gewebe anatomische Strukturen für den Operateur schwerer zu erkennen sind.
Verlauf, Komplikationen, Prognose
Komplikationen
- Infektion und Fistelbildung
- Nerven- und Gefäßverletzungen
- Wird versehentlich Schilddrüsengewebe entfernt, kann es postoperativ zu einer Hypothyreose kommen.
- Schnell wachsende Zysten können zu Drucksymptomen und Einengungen der Trachea mit Schluck- und Atembeschwerden führen.
- Bösartige Entartungen der Zysten sind selten.2
- In seltenen Fällen wird in einer medianen Halszyste ein Schilddrüsenkarzinom entdeckt.9
Prognose
- Rezidivrate nach chirurgischer Therapie liegt bei ca. 3 %. Sie erhöht sich auf 20 % nach früheren misslungenen Versuchen einer chirurgischen Exzision.1
Patienteninformationen
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- Über die Ursachen der Erkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten
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Illustrationen
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. Antibiotikatherapie der Infektionen an Kopf und Hals. AWMF-Leitlinie Nr. 017-066. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
Literatur
- Smith JC. Neck cysts. eMedicine, 2019. emedicine.medscape.com
- Cohnen M, Hrsg. Kopf-Hals-Radiologie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2012
- Chon SH, Shinn SH, Lee CB, Tae K, Lee YS, Jang SH, Paik SS. Thyroglossal duct cyst within mediastinum: an extremely unusual location. J Thorac Cardiovasc Surg 2007; 133: 1671-2. PubMed
- Prasad KC, Dannana NK, Prasad SC. Thyroglossal duct cyst: an unusual presentation. Ear Nose Throat J 2006; 85: 454-6. PubMed
- Peter Altmeyer. Altmeyers Enzyklopädie. Laterale Halsfistel. Zugriff 07.03.2020 www.enzyklopaedie-dermatologie.de
- Gupta P, Maddalozzo J. Preoperative sonography in presumed thyroglossal duct cysts. Arch Otolaryngol Head Neck Surg 2001; 127: 200. PubMed
- Gourin CG, Johnson JT. Incidence of unsuspected metastases in lateral cervical cysts. Laryngoscope 2000; 110: 1637-41. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V., Antibiotikatherapie der Infektionen an Kopf und Hals. AWMF-Leitlinie Nr. 017-066, Stand 2019. www.awmf.org
- Heidemann J, Pudszuhn A, Hofmann V. Vorgehen bei Schilddrüsenkarzinomen in einer medianen Halszyste. Laryngo-Rhino-Otologie 2019; 98(04): 257 - 264 www.thieme-connect.com
Autor*innen
- Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).