Psychotherapie bei Anorexie (Magersucht)

Das Ziel der Psychotherapie ist es, an Anorexie erkrankten Personen dabei zu helfen, ihre Denkweisen und Verhaltensmuster zu ändern, um eine ausreichende Nahrungszufuhr und ein gesundes Körpergewicht zu erreichen.

Was ist Anorexie (Magersucht)?

Bei der Anorexie (Magersucht) handelt es sich um eine Essstörung, die zu den psychischen Erkrankungen gezählt wird. Die Anorexie ist durch einen absichtlich selbst herbeigeführten Gewichtsverlust charakterisiert. Die Betroffenen nehmen sich selbst als übergewichtig wahr, obwohl das Körpergewicht normal oder geringer ist, als für das Alter, das Geschlecht und den Entwicklungsstand mindestens zu erwarten wäre. Es besteht eine intensive Angst davor, zuzunehmen. Um weiter an Gewicht zu verlieren, unterziehen sich die Betroffenen extremen gewichtsreduzierenden Maßnahmen: Sie schränken ihre Nahrungsaufnahme ein, treiben übermäßig viel Sport, erbrechen nach der Nahrungsaufnahme oder verwenden Medikamente zur Gewichtsreduktion, z. B. abführende (Laxanzien) oder entwässernde Mittel (Diuretika). Diese Maßnahmen werden oft auch kombiniert eingesetzt. Die Erkrankung kann teils schwerwiegende körperliche Probleme nach sich ziehen. Oft hat die Erkrankung einen langwierigen Verlauf.

Betroffenen Patienten mangelt es oft an Einsicht, den Ernst der Lage zu erkennen. Zuzugeben, dass ein Problem besteht, ist der erste und schwierigste Schritt heraus aus der Magersucht.

Psychotherapie

Die Psychotherapie ist bei Essstörungen die wirksamste Therapiemethode. Bei der Behandlung der Magersucht kommen verschiedene Formen der Psychotherapie zum Einsatz, z. B. Einzel-, Gruppen- oder Familientherapie. Diese können ambulant oder stationär erfolgen, je nach Schweregrad der Erkrankung. Aus Studienergebnissen haben sich keine Hinweise darauf ergeben, dass eine bestimmte Form der Psychotherapie einer anderen überlegen wäre; also gilt: Psychotherapie in verschiedenen Formen ist hilfreich.

Medikamente kommen in der Regel nicht zum Einsatz – außer zur Unterstützung psychischer Beschwerden, z. B. bei Vorliegen einer Depression oder Zwangsstörung. Grundlage der Therapie sollte eine Psychotherapie in Kombination mit einer körperlichen Verlaufskontrolle von Beschwerden und vom Körpergewicht bilden, z. B. durch die Hausärztin/den Hausarzt.

Die Behandlung der Anorexie berücksichtigt verschiedene Bereiche, wie Essverhalten und Gewicht, das Selbstwerterleben, die Leistungsorientierung, zwischenmenschliche Schwierigkeiten und das soziale Umfeld, z. B. Familie, Schule, Studium sowie Beruf.

Was geschieht bei einer Psychotherapie?

Das Ziel der Psychotherapie ist, die Anorexie zu lindern oder zu beenden, indem die Patienten ihre Denkweisen und Verhaltensmuster ändern bzw. die Ursachen für die Krankheit erkennen. Konkret bedeutet dies:

  • Aufklären über gesunde Ernährung, den Nährstoffbedarf des Körpers und körperliche Folgen einer Essstörung.
  • Das Essverhalten normalisieren, das Erbrechen einstellen usw.
  • Hinterfragen der fehlerhaften Denkmuster wie etwa „Ich kann nur glücklich sein, wenn ich dünn bin“.
  • Den Zusammenhang zwischen dem Essverhalten und zugrunde liegenden Gefühlen wie Scham, Trauer, Wut usw. herausfinden.
  • Die Beziehungen zu anderen und die Rolle der Essstörung in diesen Interaktionen analysieren.

Betroffene können lernen, ihre eigenen Gedanken und Gefühle in Bezug auf die Magersucht besser zu verstehen, indem sie mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten darüber sprechen. Dabei kann es sich um Psychologen, Psychotherapeuten oder Psychiater bzw. Kinder- und Jugendpsychiater handeln. Oft stellen Hausärzte die Diagnose und überweisen die Patienten zu Fachärzten oder in eine Klinik. Die Behandlung dauert in der Regel Monate bis Jahre.

Die Motivation aufrecht zu erhalten ist ein zentraler Anknüpfungspunkt der Therapie. Motivierend kann z. B. sein:

  • Gefühle von Freude, Konzentration, Spontanität oder Energie wahrnehmen.
  • Selbst entscheiden, aus eigenem Interesse wieder gesund zu werden.
  • Bemerken, dass neue Fähigkeit bestehen, um Probleme bewältigen zu können.
  • Zunehmende Selbstbestimmung, z. B. über die Gestaltung des Alltags
  • Gewinnung eines stärkeren Bewusstseins dafür, was man selbst benötigt, um mit seinem Leben zufrieden zu sein.
  • Kleinere erreichbare Ziele setzen.
  • Das Selbstbewusstsein stärken.

Wenn der Körper hungert, kann sich das stark auf die Gefühle und Gedanken des Betroffenen auswirken. Er kann niedergeschlagen sein, unter Stimmungsschwankungen leiden und Schwierigkeiten haben, klar zu denken. Aus diesem Grund kann es sinnvoll sein, bei starkem Untergewicht eine stationäre Therapie durchzuführen, bei der die Psychotherapie einen Teil des Behandlungskonzepts darstellt, die Gewichtszunahme aber im Vordergrund steht.

Familienorientierter Ansatz

Familienorientierte Therapien umfassen die Beratung, die sozialpädagogische Familienarbeit und die Familientherapie. Eine Familientherapie ist z. B. sinnvoll, wenn in der Familie konfliktgeladene Beziehungen bestehen, die psychische Entwicklung der betroffenen Kinder oder Jugendlichen verzögert oder gestört ist oder die Unterstützung durch Familienmitglieder für den Therapieerfolg von Bedeutung ist. Schuld- und Schamgefühle sollen in Gesprächen abgebaut werden. In der Familie soll ein Klima hergestellt werden, in dem die Eltern und andere Beteiligte die Patienten optimal dabei unterstützen können, die notwendige Motivation und Stärke zu finden, um sich von der Essstörung zu befreien. Es ist wichtig, auf die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen zu achten. Unabhängig vom Alter der Patienten sollten Informationen nicht hinter dem Rücken der Patienten ohne deren Einverständnis ausgetauscht werden.

Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie kann als Hilfe zur Selbsthilfe für den Patienten verstanden werden. Im Falle der Anorexie können die Patienten im Rahmen der Verhaltenstherapie Methoden erlernen, die ihm dabei helfen, seine Essstörung und die psychischen Beschwerden zu bewältigen. Die Verhaltenstherapie hilft den Betroffenen beispielsweise negative Gedanken durch positive zu ersetzen, Verhaltensweisen zu ändern und ihre Gefühle zu verstehen und besser zu kontrollieren.

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie hat ihren Ursprung in der Annahme, dass unbewusste Vorgänge sich auf die psychische Gesundheit des Menschen auswirken. Ziel ist die Erkennung der zugrunde liegenden unbewussten Konflikte und verdrängten Erfahrungen. Durch die Klärung dieser Ansatzpunkte soll eine Besserung der Beschwerden bewirkt werden.

Kann eine Psychotherapie schädliche Auswirkungen haben?

Eine Psychotherapie hat in der Regel keine schädlichen Auswirkungen, sofern sie von einem professionellen Therapeuten durchgeführt wird. Einige der an Magersucht Erkrankte fühlen sich mit dieser Form der Behandlung möglicherweise nicht wohl. Sie reden evtl. nicht gern über ihr Leben, wollen ihre Gedanken über sich selbst und ihre Umgebung nicht ändern oder haben Sorge, dass verborgene Gedanken ans Licht kommen. Wenn Patienten sich mit dem Therapeuten nicht gut verstehen, fühlen sie sich möglicherweise unwohl. 

Patient-Therapeuten-Beziehung

Eine vertrauensvolle und verlässliche Beziehung zwischen Patienten und Therapeuten ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung. In den ersten 5 Therapiestunden sollten die Patienten ein Gefühl dafür bekommen, ob sie mit dem Behandler zurechtkommen oder nicht. Wenn Patient und Behandler keine gute Patient-Therapeuten-Beziehung aufbauen können, macht es Sinn, zu einem anderen Therapeuten zu wechseln.

Weitere Informationen

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Autoren

  • Susanne Meinrenken, Dr. med., Bremen
  • Marleen Mayer, Ärztin, Mannheim
  • Julia Trifyllis, Dr. med., Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Münster/W.

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