Am 25.03.2021 wurde die 2. Auflage der Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes veröffentlicht. Es handelt sich um eine Teilpublikation, die bislang nur die Kapitel „Medikamentöse Therapie des Glukosestoffwechsels" und „Partizipative Entscheidungsfindung und Teilhabe in allen Lebensbereichen" enthält. Weitere Kapitel, unter anderem zur Diagnostik, nichtmedikamentösen Therapie und Folgeerkrankungen sind weiterhin in Bearbeitung. Wann sie publiziert werden, ist derzeit nicht absehbar.
Die Empfehlungen zur Diabetestherapie beinhalten, wie die der vorigen NVL-Auflage, unterschiedliche Einschätzungen von DEGAM und anderen Fachgesellschaften. Die DEGAM hat hierzu eine Anwenderversion als Addendum zur NVL Typ-2-Diabetes herausgegeben. Damit die Therapie bei von Fachspezialist*innen vorbehandelten Patient*innen in der Hausarztpraxis eingeschätzt und bewertet werden kann, ist es wichtig, die unterschiedlichen Empfehlungen der Fachgesellschaften zu kennen. Um die Neuerungen sowie die Standpunkte der DEGAM im Vergleich zu den anderen an der NVL beteiligten Fachgesellschaften übersichtlich darzustellen, haben wir unsere entsprechenden Artikel neu überarbeitet, z. B. Typ-2-Diabetes, Diabetische Fußgeschwüre, Diabetischer Fuß, Charcot-Fuß, Diabetische Neuropathie, Hypoglykämie bei Diabetes mellitus.
In der NVL wird besonders betont, dass die nichtmedikamentöse Therapie die Grundlage der Behandlung bildet und dass erst bei deren Ausschöpfung eine Indikation zur medikamentösen Therapie besteht. Laut DEGAM sollte eine medikamentöse Senkung der Blutglukose erst ab einem HbA1c > 7,5 % begonnen werden. Die NVL gibt für die medikamentöse Therapie einen HbA1c-Zielkorridor zwischen 6,5 und 8,5 % vor. Dabei soll nach Kriterien, wie Lebenserwartung, Komorbidität, Medikation, Hypoglykämierisiko, kognitive Fähigkeiten und Ressourcen der Zielwert individuell festgelegt werden. Die DEGAM empfiehlt hingegen, bei der medikamentösen Blutglukose-Senkung einen HbA1c zwischen 7,0 und 8,0 % anzustreben. Wegen des Hypoglykämierisikos soll bei einer Behandlung mit Glibenclamid oder Insulin ein HbA1c von 7,0–7,5 nicht unterschritten werden. Außerdem soll sich laut DEGAM die antihyperglykämische Behandlung im Alter an der Vermeidung bzw. Behandlung einer symptomatischen Hypoglykämie ausrichten und nicht an prognostischen Zielen.
Der NVL zufolge ist das kardiovaskuläre Risiko bei Therapieauswahl zu berücksichtigen, bei Erkrankung kommen SGLZ2-Inhibitoren oder GLP-1-RA infrage. Die DEGAM-Anwenderversion gibt folgende Empfehlungen für die medikamentöse Stufentherapie: Bei Patient*innen ohne kardiovaskuläre Vorerkrankungen, soll, wenn Metformin nicht ausreicht, um das individuelle HbA1c-Ziel zu erreichen, Glibenclamid angeboten werden. Falls diese Kombination nicht ausreicht, sollte Metformin mit Empagliflozin oder als 2. Wahl mit Liraglutid kombiniert werden. Sollten HbA1c-Werte weiterhin nicht erreicht werden, kann Insulin hinzugefügt werden. Bei Patient*innen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen soll ebenfalls ein initialer Therapieversuch mit Metformin allein erfolgen. Sollte damit das Therapieziel nicht erreicht werden, soll gleich Empagliflozin oder als 2. Wahl Liraglutid hinzugefügt werden. Auch bei diesen Patient*innen kann die Therapie mit Insulin ergänzt werden.
Sitagliptin als Monotherapie ist nach Einschätzung der DEGAM allenfalls Mittel der Reserve, wenn andere Substanzen beispielsweise nicht vertragen werden oder wenn bei Niereninsuffizienz (CKD IV und V) die eigentlich indizierte Insulinbehandlung von Betroffenen abgelehnt wird. In diesem Fall ist auch Repaglinid eine Alternative.
Die aktuellen Änderungen in NVL und DEGAM-Anwenderversion markieren also einen wichtigen Schritt in der Fertigstellung der 2. Auflage der NVL Typ-2-Diabetes. Sie decken aber nur inhaltliche Teilaspekte einer vollständigen NVL ab. Sollten neue Teilkapitel der NVL erscheinen, werden wir auch diese zeitnah in unseren Artikeln zum Thema Typ-2-Diabetes berücksichtigen. Bis dahin hoffen wir, einen wichtigen Beitrag dafür zu leisten, damit die aktuellen Empfehlungen auch in der Praxis umgesetzt werden können.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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