In den letzten Wochen ging es in den Medien auf allen Kanälen bezüglich COVID-19 fast nur um eines: den AstraZeneca-Impfstoff, seine seltenen Nebenwirkungen, sein schlechtes Image und die geänderten Impfempfehlungen. Über Fallzahlen und Inzidenzen, die logischerweise während der Osterfeiertage meldebedingt geringer waren, wurde ebenfalls viel diskutiert. Was aber völlig unterging, war, dass das RKI seine Empfehlungen zur Kontaktpersonennachverfolgung, Quarantäne und Isolierung relevant geändert hat. Da die Empfehlungen vom 31.03. am 07.04. noch einmal nachgebessert wurden, ist es schwer, den Überblick zu behalten. Deshalb möchte ich die Änderungen der letzten zwei Wochen einmal für Sie zusammenfassen.
Das relevante infektiöse Intervall, in dem ein Kontakt mit einem Indexfall zur Quarantäne bei engen Kontaktpersonen führt, wurde verlängert. Ich fasse zusammen: Quellfall symptomatisch – infektiöses Intervall nach Symptombeginn 14 Tage, Quellfall asymptomatisch – infektiöses Intervall entweder 2 Tage vor bis 14 Tage nach Probennahme oder 3 Tage nach angenommenem Ansteckungsdatum bis 19 Tage danach.
Die Einteilung in Kontaktpersonen der Kategorien I und II wurde abgeschafft. Jetzt gibt es nur noch die „enge Kontaktperson“. Sie wird jetzt folgendermaßen definiert: Enger Kontakt (jetzt nur noch von > 10 min Dauer) oder Gespräch (neuerdings unabhängig von der Dauer) ohne adäquaten Schutz (MNS oder FFP2) sowie Aufenthalt im selben Raum mit hoher Aerosolkonzentration unabhängig vom Tragen einer Schutzmaske. Medizinisches Personal mit korrekter Schutzausrüstung gilt nicht als enge Kontaktperson. Bei Schulklassen, Schulessen oder Gruppenveranstaltungen wird nach Ermessen des Gesundheitsamtes entschieden, ob ein enger Kontakt vorlag. Was heißt das jetzt? Offenbar reicht jetzt ein kurzes nachbarliches Gespräch im Treppenhaus aus, bei dem einer der Gesprächspartner keine Maske aufhat, um die Kriterien für einen engen Kontakt zu erfüllen. Sollen wir jetzt mit gesenktem Kopf an allen potenziellen Gesprächspartnern ohne Maske vorbeihasten oder lieber die Parole ausgeben, dass alle immer und überall eine Maske zu tragen haben?
Die häusliche Quarantäne für enge Kontaktpersonen wurde auf 14 Tage verlängert, und es besteht jetzt keine Möglichkeit mehr, die Quarantäne durch einen negativen Test zu verkürzen. Für Haushaltskontaktpersonen ist sogar noch eine weitere Kontaktreduktion bis Tag 20 notwendig. Dennoch werden neuerdings mehrere Tests während der Quarantäne gefordert: Möglichst früh, am besten am ersten Tag, sollte eine PCR oder alternativ ein Antigentest erfolgen. Während der Quarantäne sollen zweimal wöchentlich Antigentests durchgeführt werden. Am 14. Tage der Quarantäne wird noch ein Antigentest verlangt, dessen Ergebnis dem Gesundheitsamt mitgeteilt werden muss. Ich stelle mir das einmal vor: Was macht eine vierköpfige Familie in Quarantäne, die nicht einkaufen gehen darf, aber insgesamt 24 Tests auftreiben und durchführen muss?
Als Genesene, die nicht in Quarantäne müssen, gelten jetzt nur noch Personen mit „PCR-bestätigter und symptomatischer“ COVID-19-Erkankung in den letzten 6 (statt bisher 3) Monaten. Eine Person mit Nachweis einer früheren asymptomatischen SARS-CoV-2-Infektion gilt also nicht mehr als „genesen“ und muss als enge Kontaktperson in Quarantäne. Zweimal Geimpfte oder nach der eben genannten Definition Genesene mit einer Impfung sind ebenfalls von der Quarantänepflicht ausgenommen. Die von Quarantäne ausgenommenen Personen müssen aber doch in Quarantäne, wenn beim Indexfall der Verdacht auf eine Infektion mit einer „variant of concern“ besteht. Dies gilt aber wiederum nicht für Infektionen mit der Variante B.1.1.7. Soweit, so unübersichtlich.
Die Isolierungsdauer wurde für schwer erkrankte, leicht erkrankte sowie asymptomatische Personen gleichermaßen von 10 auf 14 Tage verlängert. Zur Aufhebung der Isolierung ist jetzt generell mindestens ein negativer Antikörpertest erforderlich (bei schweren Verläufen PCR). Was ist das Fazit aus all diesen Änderungen? Sehr viel mehr Personen werden als enge Kontaktpersonen definiert, müssen jetzt sehr viel länger in Quarantäne und bleiben im Falle einer Erkrankung länger isoliert. Was das in der Praxis für Alleinstehende, Familien, Schüler*innen, Berufstätige und das menschliche Miteinander im Allgemeinen bedeutet, ist nicht absehbar. Die Versuchung, sich gar nicht erst testen zu lassen, wird jedenfalls groß sein.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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