Nachdem seit über zweieinhalb Jahren Cannabinoide in Deutschland zu Lasten der GKV verordnet werden dürfen und die Indikationen für diese Verordnung durch den Gesetzgeber bisher nicht klar definiert wurden, besteht eine gewisse Nachfrage nach Cannabinoiden auf der einen Seite und immer noch eine große Unsicherheit bei den verordnenden Ärzte auf der anderen Seite. Laut Spiegel Online wurden im Jahr 2018 rund 95.000 Rezepte für Cannabinoide in deutschen Apotheken eingelöst.
Wie wir bereits im Juni 2018 berichtet haben, werden im Cannabis-Report von 2018 die häufigsten Kostenübernahmeanträge gestellt für die Indikationen Schmerzen, Schmerzen in der Palliativversorgung, Tumorleiden, Epilepsie, neurologische und psychiatrische Erkrankungen, seltener für ADHS und Tourette-Syndrom. Nach Neurologen, Psychiatern und Psychotherapeuten haben Hausärzte den zweitgrößten Anteil an Cannabinoidverordnungen (32 %). Das Thema ist also durchaus hausärztlich relevant.
Eine aktuelle Metaanalyse kam, wie viele vorangegangene Publikationen einschließlich des Cannabis-Reports, zu dem Schluss, dass die Evidenzlage für Cannabinoidtherapie bei verschiedenen Indikationen alles andere als überzeugend ist. In der vorliegenden Metaanalyse wurde dem Effekt von Cannabinoiden bei psychiatrischen Krankheitsbildern nachgegangen. Dabei wurden Studien mit sehr unterschiedlichen Designs zur Behandlung von Depression, Angststörungen, ADHS, Tourette-Syndrom, PTBS sowie Psychose untersucht. Es spielte keine Rolle, ob die psychiatrische Diagnose in der Studienfragestellung die Hauptdiagnose oder nur die Nebendiagnose darstellte.
Insgesamt war die Evidenz für einen therapeutischen Effekt gering. In der Metaanalyse zeigte sich auch ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen beim Einsatz von Cannabinoiden, insbesondere auch in einer Studie eine Verschlechterung von Psychosen. Insgesamt wird der Einsatz von Cannabinoiden bei den sechs untersuchten psychiatrischen Erkrankungen vorerst nicht empfohlen. Von den Autoren werden dringend aussagekräftige RCTs gefordert.
Dass bei medizinischen Cannabinoiden der übliche Weg der Zulassungsverfahren mit Nutzenbelegen umgangen wurde, scheint dem Druck der Öffentlichkeit geschuldet. Jetzt sind Wirkstoffe zugelassen, ohne dass Anwendungsgebiete festgelegt wurden und ohne dass es ausreichende Nutzenbelege bei den meisten Indikationen gibt. Wie sollen Hausärzte mit den Wünschen von Patienten umgehen, die für sich eine Cannabinoidverordnung bei negativer oder nicht vorhandener Evidenzlage fordern? Beim jetzigen Erkenntnisstand ist bewusstes und evidenzbasiertes ärztliches Handeln in den meisten Fällen schwierig.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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