Man muss wohl in Bayern hausärztlich tätig sein, um zu erleben, wie nach den Weihnachtstagen gerade Patienten und Patientinnen mit Typ-2-Diabetes, Hyperlipidämie und/oder Adipositas in die Praxis kommen und sagen: „Frau Doktor, ich habe gesündigt." Sie meinen natürlich, ganz nach katholischem Grundverständnis, dass sie an den Festtagen kulinarisch über die Stränge geschlagen haben und deswegen der Blutzucker jetzt zu hoch ist oder sie ein paar Pfund zugenommen haben. Selbstverständlich erwarten sie auch eine Form der Absolution: Also ja, ein kurzzeitiger Anstieg der Kalorienaufnahme in der Weihnachtszeit ist nicht wirklich schlimm, vor allem, wenn es sich um eine Ausnahme handelt.
Dass aber die Weihnachtstage mit den aufeinanderfolgenden Festessen und Familientreffen nicht an allen spurlos vorübergehen, zeigt der vermutlich nicht statistisch belegbare, aber gefühlte Anstieg von Patienten mit Refluxsymptomen, dyspeptischen Beschwerden oder sogar Gallenkoliken an und nach den Feiertagen. Auch der allgemein gesteigerte Alkoholkonsum in diesem Rahmen kann einigen Probleme bereiten, insbesondere Patienten mit bereits bestehendem Alkoholismus, Leberzirrhose oder anderen Folgeerkrankungen von Alkoholmissbrauch.
Besonders schwer zu ertragen ist für viele Patienten die emotionale Herausforderung, die das Fest mit sich bringt, ob sie nun alleinstehend sind oder sich anstrengenden Familienstreitereien ausgesetzt sehen. Psychische Erkrankungen können sich so akut verschlechtern, beispielsweise Angststörung und Depression. Dass in der Weihnachtszeit die Suizidalität und die Suizidrate zunehmen, ist eine allseits bekannte traurige Tatsache.
Die Weihnachtszeit soll eigentlich für alle Ruhe, Erholung und Zeit für die Familie mit sich bringen, natürlich auch für uns Ärzte. Auch das gemeinsame Genießen kann und soll eine wichtige Rolle spielen. Aber manche unserer Patienten brauchen in dieser Zeit besondere Fürsorge. Gerade deswegen ist es wichtig, dass in diesen Tagen Ärzte und andere Berufsgruppen im Gesundheitswesen ansprechbar bleiben und sich um diejenigen kümmern, für die Weihnachten kein reines Fest der Freude ist.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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