Wegen unerlaubter „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche auf ihrer Homepage wurde die Ärztin Kristina Hänel 2017 zu einer Geldstrafe verurteilt. Sie hatte lediglich angegeben, Schwangerschaftsabbrüche in ihrer Praxis durchzuführen. Inzwischen wurde der zugrundeliegende § 219a über das Werbungsverbot für Schwangerschaftsabbrüche reformiert. Ärztinnen und Ärzte dürfen jetzt darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche in ihrer Praxis anbieten, aber nicht über die Art der Durchführung dieser Maßnahmen. Auf der Basis dieses neuen Paragraphen wurde nun eine Berliner Ärztin rechtskräftig verurteilt, weil auf ihrer Homepage die Information zu finden war, dass sie Schwangerschaftsabbrüche medikamentös und narkosefrei durchführe.
Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass Frauen durch eine sachliche Information auf einer Praxishomepage zur Abtreibung animiert werden? Soll ungeborenes Leben wirklich dadurch gerettet werden, dass es schwangeren Frauen, die sich eine Entscheidung für eine Abtreibung bestimmt nicht leicht machen, erschwert wird, an Informationen heranzukommen?
Wir sollten noch einmal einen Blick auf die einschlägigen §§ 218 und 219 werfen. Darin steht, dass ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich rechtswidrig ist, aber straffrei bleibt, wenn die Schwangere eine Beratungsbescheinigung vorlegt, ein „Arzt“ den Abbruch vornimmt und seit der Empfängnis nicht mehr als 12 Wochen vergangen sind. Bei medizinischer oder kriminologischer Indikation, also nach einem sexuellen Übergriff, ist der Abbruch nicht rechtswidrig. Die Beratung der Schwangeren durch eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle dient nach § 219 „dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen [..].“ Ziel der gegenwärtigen Gesetzgebung ist es also, Betroffenen deutlich zu machen, dass sie etwas grundsätzlich Unrechtes tun, und sie ungeachtet ihrer persönlichen Entscheidung von einer Abtreibung abzubringen.
Diese Paragraphen entstammen einem längst überholten Frauenbild und sollten dringend reformiert werden. Denn so lange Schwangerschaftsabbrüche weiterhin rechtswidrig, aber unter bestimmten Voraussetzungen straffrei, sind, werden es unsere Gesundheitspolitiker, Versicherer und Behörden nicht als ihre Aufgabe ansehen, für eine flächendeckende Versorgung mit Einrichtungen zu sorgen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Außerdem wird wegen dieser juristischen Tabuisierung das Thema auch nicht offen und ausführlich im Medizinstudium vermittelt.
Dass ein Bedarf für Schwangerschaftsabbrüche besteht, zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche im dritten Quartal 2019 um 3,9 % gestiegen. Im Jahr 2018 hatten über 100.000 Frauen eine Abtreibung, davon ein Viertel der Frauen einen medikamentösen Abbruch. 96 % der Abbrüche erfolgten aus persönlichen Gründen nach der Beratungsregelung. Allen diesen Frauen wurde der Zugang zu Informationen erschwert und nicht nur dadurch vermittelt, dass ihr Verhalten abzulehnen ist.
Wie können wir Hausärzte hier helfen? Laut § 219a wird wer „seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs [...] anbietet, ankündigt, anpreist [...], mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Das kann man so verstehen, dass Hausärzte betroffene Frauen straffrei über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen. Wir haben also eine Möglichkeit, für eine bessere Information Betroffener zu sorgen, die wir auch nutzen sollten.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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