Die diagnostische Unsicherheit in der Hausarztpraxis kann manchmal ganz schön belastend sein. Vor allem anderen wollen wir am Ende des Arbeitstages sicher sein, dass wir keinen Patienten nach Hause geschickt haben, bei dem eine ernste, akut zu behandelnde Erkrankung vorliegt. Abwendbar gefährliche Verläufe soll man mit einfachen Mitteln erkennen oder ggf. ausschließen können. Denn es ist unsere Aufgabe, Gefahren von unseren Patienten abzuwenden. Wenn wir das nicht tun, tut es vermutlich keiner und dann können Patienten schwer erkranken oder sogar sterben. Erst wenn ein abwendbar gefährlicher Verlauf ausgeschlossen ist, wird ein problemorientiertes, eventuell abwartendes Vorgehen in der Hausarztpraxis möglich.
Unsere neuen roten „Red Flags“-Kästen geben hier eine Hilfestellung. Sie stehen jeweils oberhalb unserer Artikel zu den 41 häufigsten Symptomen in der Hausarztpraxis und enthalten wichtige Warnsymptome und die entsprechenden abwendbar gefährlichen Verläufe. Beispielsweise werden beim Symptomartikel Husten Warnsignale wie Stridor, Tachykardie oder Hämoptoe und zugehörige Differenzialdiagnosen dargestellt und mit weiterführenden Deximed-Artikeln verlinkt. Beim Thema Halsschmerzen wird das Augenmerk auf z. B. Stridor, unvollständige Mundöffnung oder Speichelfluss als alarmierende Symptome gelenkt. Bei akuten Sehstörungen gibt es, außer einem Flimmerskotom bei Migräne, generell wenige harmlose Ursachen, aber unser „Red Flags"-Kasten kann schon einmal die differenzialdiagnostische Richtung weisen. Für häufige, in der Regel harmlose Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindel, Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, Insektenstiche, Fieber oder Juckreiz werden warnende Hinweise auf gefährliche Erkrankungen übersichtlich dargestellt und zu den jeweiligen Krankheitsartikeln verlinkt. Auf diese Weise kann man sich schnell einen Überblick verschaffen und innerhalb weniger Augenblicke die für die Versorgung der Patienten relevanten Informationen finden.
Natürlich darf man sich nie in falscher Sicherheit wiegen, nur weil man Warnzeichen auf einer Liste abgehakt hat. Eine große Rolle spielen immer noch die Erfahrung und das Bauchgefühl. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an eine Patientin im mittleren Alter, die stechende, auf externen Druck auslösbare Thoraxschmerzen, ein normales EKG und einen negativen Troponin-Test hatte. Nur weil sie mir blass erschien, habe ich sie eingewiesen – und sie hatte tatsächlich doch einen Myokardinfarkt. Manchmal helfen einem auch die Patienten selbst auf die Sprünge. So war es bei einem jungen Mann mit lateral leichten stechenden Thoraxschmerzen im Rahmen einer Erkältung, den ich gerade mit ein paar guten Ratschlägen nach Hause schicken wollte, als er sagte: „Das ist genau wie bei meiner schweren Myokarditis. Da war ich sehr lange im Krankenhaus ...“. Unsere neuen Red Flags sollen Sie im Praxisalltag unterstützen, aber was zählt, ist immer noch Ihre ärztliche Einschätzung.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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