In der Hausarztpraxis ist Pruritus oder Juckreiz ein häufiger Beratungsanlass. Die Prävalenz für chronischen Pruritus, also mit einer Beschwerdedauer über 6 Wochen, beträgt 13,5 %. In den allermeisten Fällen (ca. 90 %) liegt einem Pruritus eine Hauterkrankung zugrunde. Über die Differenzialdiagnosen der juckenden Hauterkrankungen informiert unser Artikel Hautausschlag mit Pruritus. Aber was ist mit den übrigen 10 % der Betroffenen ohne zugrundeliegende Hauterkrankung? An welche Erkrankungen sollte hier gedacht werden? Gibt es abwendbar gefährliche Verläufe? Unser neuer Artikel Pruritus bietet hier Antworten sowie übersichtliche und umfassende Informationen.
Schon die Anamnese liefert bei Pruritus wichtige Hinweise. Bei jüngeren Patient*innen mit lokalisierten Symptomen, akutem Beginn und evtl. positiver Reiseanamnese ist eher an eine dermatologische Ursache zu denken. Chronischer und/oder generalisierter Pruritus bei älteren Patient*innen über 65 Jahre spricht für eine systemische Ursache. Tritt der Pruritus besonders während oder nach Wasserkontakt auf, also im Zusammenhang mit Duschen oder Baden, kann eine Polycythaemia vera vorliegen. Pruritus mit zusätzlicher B-Symptomatik sollte an eine maligne Ursache denken lassen. Hier gibt es zahlreiche Differenzialdiagnosen, wie beispielsweise M. Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphome, CLL, multiples Myelom sowie Pankreas- und Magenkarzinom. Pruritus mit zusätzlichem Ikterus und/oder Auftreten im Winter weckt nicht nur den Verdacht auf ein Pankreaskarzinom. Es könnten z. B. auch eine sklerosierende oder biliäre Cholangitis oder eine Hepatitis C vorliegen. Juckreiz, der besonders in heißen Sommermonaten auftritt, kann auf eine chronische Niereninsuffizienz als Ursache hinweisen. Wichtig ist auch eine sorgfältige Medikamentenanamnese. Unser Artikel Pruritus enthält eine Tabelle mit den wichtigsten Medikamenten, die Pruritus auslösen können.
Je nach Anamnese, bekannten Vorerkrankungen und körperlichem Befund sollten zur weiteren Abklärung eines nichtdermatologischen Pruritus folgende Laboruntersuchungen erfolgen: Bilirubin, Transaminasen, AP und GGT zur Abklärung einer hepatischen oder chologenen Ursache. Blutbild mit Differenzialblutbild und Ferritin sollten bei Verdacht auf eine hämatologische Grunderkrankung, wie z. B. Anämie und maligne hämatologische Krankheitsbilder, bestimmt werden, Blutzucker zum Ausschluss von Diabetes mellitus als Pruritus-Ursache. Mit der Bestimmung von Kreatinin, Harnstoff, GFR und Elektrolyten kann eine chronische Niereninsuffizienz als möglicher Auslöser eines Pruritus abgeklärt werden. Die LDH kann generell orientierende Hinweise auf das Vorliegen einer malignen Erkrankung liefern. Die Bestimmung des TSH-Wertes ist ebenfalls sinnvoll, da sowohl eine Hyper- als auch eine Hypothyreose zu Juckreiz führen können.
Weitere Differenzialdiagnosen des Pruritus sind neurologische Erkrankungen, wie MS oder Neuropathien. Auch parasitäre Erkrankungen, wie eine Lamblien-Infektion, können mit Pruritus einhergehen. Außerdem kommen auch psychische oder psychiatrische Ursachen, wie Anorexia nervosa (führt bei 60 % der Betroffenen zu Pruritus), Depression, Schizophrenie oder Drogenabusus infrage.
Da Pruritus ein sehr unspezifisches Symptom ist, das zahlreiche systemische Erkrankungen mit abwendbar gefährlichen Verläufen zur Ursache haben kann, sollte bei unklarem Krankheitsbild im Rahmen einer strukturierten Stufendiagnostik nach der zugrundeliegenden Erkrankung gesucht werden. Bei einigen hämatologische Erkrankungen kann ein quälender Pruritus das erste und einzige Symptom sein. Unser Artikel unterstützt Sie hier bei der Differenzialdiagnostik, empfiehlt aber auch wichtige allgemeine Therapiemaßnahmen, zusätzlich zur Therapie zugrundeliegender Erkrankungen.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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