Ein aktueller Cochrane-Review untersucht die Effekte von verschiedenen Maßnahmen, z. B. einer Ampelkennzeichnung, Werbung in Supermärkten oder Preiserhöhungen, auf den Konsum von zuckerhaltigen Softdrinks und befeuert damit die jahrelange Diskussion um die Nährwertkennzeichnungspflicht von Lebensmitteln in Deutschland. Der Konsum zuckerhaltiger Softdrinks steigt in Deutschland seit Jahren an und trägt zur Entwicklung von Adipositas, Diabetes mellitus und Karies bei.
Die Cochrane-Autoren finden Belege, dass Lebensmittelkennzeichnungen, wie Nährwert-Ampeln oder-Scores, Preiserhöhungen für zuckerhaltige Getränke, Werbung für zuckerfreie Getränke in Supermärkten, Beschränkung des Angebots in Schulen, gesündere Getränke als Teil von Kindermenüs in Fastfoodketten oder Vorhandensein zuckerfreier Getränke im Haushalt zu einer Verminderung des Konsums an Süßgetränken führen. Allerdings liegt die Verlässlichkeit der gefundenen Studienevidenz zwischen sehr niedrig und mäßig, und das Biasrisiko ist bei fast allen eingeschlossenen Studien unklar bis hoch. Die Autoren fordern mehr und bessere Evidenz. Großbritannien, Frankreich, Belgien und die Schweiz haben bereits eine Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln oder eine erweiterte Skala mit Farbkennzeichnung (Nutriscore) eingeführt. Laut Foodwatch.de belegt eine große Studie der französischen Regierung positive Auswirkungen beider Kennzeichnungssysteme auf das Einkaufsverhalten.
Ungesunde Ernährung und zu hohe Kalorienaufnahme tragen zur Entwicklung verschiedener Volkskrankheiten bei, wie Adipositas, metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus, Hypertonie, Hyperlipidämie, Schlafapnoe, Fettleber, aber auch verschiedene Krebserkrankungen, Schlaganfall und koronare Herzerkrankung. Obwohl Ärzte, Krankenkassen und Verbraucher seit Jahren eine verpflichtende Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln fordern, setzt die Bundesernährungsministerin weiterhin auf die freiwillige Mitarbeit der Lebensmittelindustrie.
Wer darauf setzt, dass ein ganzer Industriezweig, der zu einem großen Teil davon lebt, stark gesalzene, gezuckerte und fettige Produkte zu verkaufen, seine Produkte „freiwillig“ als ungesund kennzeichnet, kann keine ernsthafte Verbreitung gesunder Ernährung anstreben. Erstaunlicherweise haben aber einzelne Lebensmittelkonzerne tatsächlich freiwillig eine Nutriscore-Kennzeichnung ihrer Lebensmittel in Deutschland eingeführt. Andere große Lebensmittelkonzerne haben ein eigenes „Ampelsystem“ entwickelt, das genau so ist, wie wir es befürchten: Hier erhält eine Tüte Chips eine Farbkennzeichnung im Bereich gelb und grün und eine allseits bekannte Nuss-Nougat-Creme, die fast nur aus Zucker und Fett besteht, ebenfalls. Beide Produkte erhalten keine einzige rote Ampel. Eine einheitliche gesetzliche Regelung ist hier offensichtlich doch dringend erforderlich.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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