Notfallsituationen, die lebensbedrohlich sind, können auch bei Patienten mit einer onkologischen Grunderkrankung auftreten. Da Tumorpatienten zunehmend ambulant behandelt werden, kann es sein, dass in so einer Notfallsituation die Hausärztin hinzugerufen wird oder die Patienten sogar die Praxis aufsuchen. Die Notfallsituation kann durch eine Manifestation des malignen Grundleidens selbst, aber auch durch Nebenwirkungen oder Komplikationen der Therapie, verursacht werden. Unser neu überarbeiteter Artikel Onkologische Notfälle bietet eine umfassende Übersicht zu diesem Thema.
Eine Hyperkalzämie ist die häufigste lebensbedrohliche metabolische Entgleisung bei onkologischen Patienten. Sie tritt bei ca. 20 % der Patienten mit einer malignen Erkrankung auf, vor allem bei Mammakarzinom, Bronchialkarzinom, Nierenzellkarzinom oder Plasmozytom. Es kann unter anderem zu Erbrechen, Bauchschmerzen, Pankreatitis, Polyurie, Arrhythmien oder Muskelschwäche kommen. Die Basistherapie besteht aus Hydratation und der Gabe von Bisphosphonaten. Das Tumorlyse-Syndrom kann nach Therapieeinleitung mit massivem Tumorzerfall auftreten, bevorzugt bei akuten lymphatischen Leukämien. Es bedarf einer intensivmedizinischen Versorgung. Bei Muskelkrämpfen, Vigilanzminderung und Krampfanfällen kann ein SIADH (Syndrom der inadäquaten ADH-Produktion) vorliegen. Dazu kann es unter bestimmten Zytostatika oder bei bestimmten Tumoren, vor allem Bronchialkarzinomen oder Hirnmetastasen, kommen. Hier ist eine langsame Anhebung des Natriumspiegels unter intensivmedizinischer Überwachung erforderlich.
Auch bei nur leichtem Fieber unter einer Tumortherapie kann eine febrile Neutropenie vorliegen, und es besteht die Gefahr einer Sepsis. Bei Verdacht auf eine febrile Neutropenie sollte eine umgehende Klinikeinweisung erfolgen. Ein Hyperviskositätssyndrom, aber auch ein erhöhter Hirndruck können mit neurologischen Ausfällen, wie Sehstörungen und Schwindel, sowie Kopfschmerzen einhergehen und sollten umgehend weiter abgeklärt und therapiert werden. Eine dringende interventionelle oder chirurgische Behandlung wird beim Vena-cava-superior-Syndrom mit oberer Einflussstauung, bei einer tumorbedingten epiduralen Rückenmarkskompression, bei einem malignen Perikarderguss oder einer malignen Atemwegsobstruktion, aber manchmal auch bei Paravasaten von Tumortherapeutika nötig.
Grundsätzlich sollen selbstverständlich die Prognose und die Wünsche der Patienten in einer onkologischen Notfallsituation berücksichtigt werden. Bei guter Prognose, aber auch bei unklarer oder schwierig abzuschätzender Prognose, ist eine Notfallversorgung mit eventueller Einleitung einer intensivmedizinischen Versorgung angezeigt. Bei schlechter Prognose steht bei der Notfallversorgung eher die Symptomkontrolle im Vordergrund. Aber möglicherweise kann auch eine Lebensverlängerung erreicht werden. Einfühlsames Vorgehen und gemeinsame Entscheidungsfindung mit den Betroffenen und Angehörigen sind in jedem Fall erforderlich.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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