In den letzten Jahren ist es zunehmend üblich geworden, dass Hausärztinnen und Hausärzte in ihrer Sprechstunde keinen weißen Arztkittel mehr tragen, sondern weiße oder neutral farbige Hosen mit einem Polohemd oder T-Shirt. Besucht man verschiedene Praxishomepages, kann man sehen, dass viele Kolleginnen und Kollegen, zusammen mit dem gesamten Praxisteam, einen einheitlichen Look tragen, z. B. hellblaue Polohemden. Wo ist der weiße Kittel geblieben? Und was wollen die Patienten eigentlich? Angeregt durch einen Artikel von Werner Bartens in der Süddeutschen Zeitung zu diesem Thema habe ich mir eine aktuelle Studie aus der Schweiz angesehen, die sich mit den Patientenpräferenzen zur Arztkleidung befasst. Laut dieser Studie bevorzugen es 55 % der befragten (Schweizer) Patienten, wenn Ärzte in der Primärversorgung einen weißen Kittel tragen, mit entweder legerer Kleidung, weißem Kasak oder formeller Kleidung darunter.
Der Arztkittel ist aus verschiedenen Gründen heutzutage in der Praxis eher „out“: Es ist oft unbequem, den Kittel zusätzlich über der Kleidung zu tragen. Manchmal ist er zu heiß. Und damit er nicht schmuddelig aussieht, muss er oft gewechselt und gewaschen werden. Viele Ärzte glauben, dass sie ohne Kittel nahbarer aussehen. Aus hygienischen Gründen ist der Kittel sogar ziemlich in Verruf geraten. Manche Kliniken haben ihn ganz abgeschafft, und auch die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene hat Bedenken. Im Leitfaden zu Hygiene in der Arztpraxis der KVB wird als Arbeitskleidung für Arztpraxen zumindest für medizinische Fachangestellte kurzärmelige Kleidung empfohlen. Es gibt zwar keinen Grund, warum das nicht auch für Arztkleidung gelten sollte. Wirklich eindeutige Vorschriften zur Kleidung der Ärzte selbst gibt es aber nicht.
Das Bild von Ärzten in den Medien, aber auch das allgemeine Rollenbild unseres Berufsstandes ist durch den weißen Kittel geprägt. Durch den weißen Kittel werden Ärzte als solche erkennbar. Laut der Schweizer Studie verbinden Patienten mit dem weißen Kittel Eigenschaften wie Vertrauenswürdigkeit, Fürsorglichkeit, Nahbarkeit und Kompetenz. Sie fühlen sich bei Ärzten im weißen Kittel wohler. Es gibt vermutlichen keine validen wissenschaftlichen Untersuchungen, aber es ist anzunehmen, dass der Placeboeffekt der „Droge Arzt“ durch einen weißen Kittel durchaus verstärkt werden kann. Besonders Patienten über 65 Jahre scheinen Wert auf die Kleidung ihrer Ärzte zu legen. Das Vertrauen der Patienten zu den Hausärzten kann durch solche Äußerlichkeiten gestärkt werden. Gerade bei chronisch kranken und multimorbiden Patienten, z. B. Patienten mit Typ-2-Diabetes, Multimedikation, einer bekannten koronaren Herzerkrankung oder mit chronischer Nierenkrankheit, kann ein langjähriges vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis mit guter Compliance lebenswichtig sein.
Man kann aber annehmen, dass sich Patienten die Ärzte aussuchen, die zu ihnen passen. Patienten, die partout einen Hausarzt im weißen Kittel bevorzugen, werden sich einen solchen suchen. Patienten, die einen legeren Stil bevorzugen und mit ihren Hausärzten gerne auf Augenhöhe kommunizieren, gehen eher zu Kollegen, die den weißen Kittel aufgegeben haben. Grundsätzlich können Arztpraxen an sich eine gewisse Ansteckungsgefahr mit sich bringen. Man denke nur an die Patienten, die sich in einem Wartezimmer mit Varizellen, Influenza oder gar Meningitis angesteckt haben. Welche Ansteckungsgefahr aber von den Ärmeln eines Arztkittels in einer normalen Hausarztpraxis ausgeht, hat bestimmt noch niemand untersucht. Es scheint unwahrscheinlich, dass auf diesem Wege eine Salmonellose, Tuberkulose oder auch MRSA übertragen werden, solange der Kittel bei direktem Kontakt mit Wunden oder Körperflüssigkeiten ausgezogen oder danach gewechselt wird.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
Frühere Themen:
- Gastritis ist hierzulande eine Krankheit
- Lebensstiländerung ist machbar - dauerhafte Gewichtsabnahme nicht?
- F-Diagnosen und was man damit anrichten kann
- Krankschreibung via Handy - Entlastung oder Einladung zum Betrug?
- Hauptsache natürlich
- Bettwanzen und andere Urlaubsmitbringsel
- Prävention ungesunder Ernährung: Wir brauchen Regeln
- Von der Selbstoptimierung zur Selbstdiagnose
- Aktuelle Palliativmedizin
- Chronische Nierenkrankheit: Was ist neu?
- Homöopathie: Was ist schlecht am Placeboeffekt?
- Unsere Top 10
- Legale Suizidmedikamente: Würdiger Freitod oder doch Trend zum „sozialverträglichen Frühableben“?
- Ist die elektronische Patientenakte wirklich gut durchdacht?
- Ärztliche Beratung im Ramadan
- Hausärzte sind Spezialisten
- Fluorchinolone: Wie vielen Patienten haben wir damit geschadet?
- Adipositas ist nicht gleich Adipositas: Binge-Eating-Störung
- Darf ich mir meine Patienten aussuchen?
- Kostenlose Fortbildungen und Gratishäppchen - Haben wir das wirklich nötig?
- Facharztprüfung Allgemeinmedizin: Auf alle Fälle vorbereitet
- Arztberuf als Selbstschutzmaßnahme
- Das nötige Rüstzeug für eine Beratung zur Organspende
- Ist das „BG-lich“?
- Onkologische Notfälle
- Fakten zur Influenzasaison 2018/19
- Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution - kein Thema für Hausärzte?
- Orthopädie bei Kindern: Wer kennt sich da aus?
- Ist ein Arzt an Bord?
- Ärztliche Leitlinien: Viel hilft viel?
- Wollen wir wirklich eine Impfpflicht?
- Panikstörung: Das Chamäleon der Akutmedizin
- Was heißt hier kommerziell?
- Dünnes Eis: Freunde und Familienmitglieder als Patienten
- Digitale Hybris, intelligente Hilfe
- Weihnachten 2018: Darf man sich was wünschen?
- Rationale Antibiotikatherapie in der Hausarztpraxis
- Krank ins Büro?
- Red Flags und abwendbar gefährliche Verläufe
- Physiotherapie: Herausforderung Hilfsmittel-Verordnung
- Unabhängige Patienteninformationen?
- Iatrogene Krankheitsbilder - wenn die Arzneimitteltherapie krank macht
- Manchmal frustrierend: Schwindelabklärung in der Hausarztpraxis
- Geflüchtete als Patienten in der Hausarztpraxis
- Neue NVL Asthma: wichtige und neue Empfehlungen
- Was kann man noch glauben?
- Nicht ganz banal, aber fast schon alltäglich in der Hausarztpraxis: Erkrankungen bei Tropenrückkehrern
- Neue DEGAM-Leitlinie "Brennen beim Wasserlassen"
- STIKO-Impfempfehlungen: Was ändert sich?
- Warum die DEGAM für uns wichtig ist
- Eine Wissenschaft für sich: die Abrechnung in der Hausarztpraxis
- Sehstörungen: Was kann der Hausarzt tun?
- Für die meisten unsichtbar: die neue Wohnungslosigkeit
- Orale Antikoagulanzien: Was gibt es Neues?
- Zufällig auskultiertes Herzgeräusch - was nun?
- Immer noch ungerecht: Kindergesundheit in Deutschland
- Hitzewelle und Gesundheitsrisiken
- Deximed für die Facharztprüfung Allgemeinmedizin
- Fahrt Rad!
- Neue Leitlinie: Typ-1-Diabetes
- Ausbeutung von PJ-Studenten in Kliniken
- Sonografie in der Hausarztpraxis – Wir haben die Bilder dazu!
- Neues zu HPV
- Cannabis: Stand der Dinge
- Zytomegalie: Haben wir das auf dem Schirm?
- Fernbehandlung: Fluch und Segen der Telemedizin
- Neue DVO-Leitlinie Osteoporose
- Gewalt gegen Ärzte
- Alles gelb: Pollenalarm!
- Neues zu Asthma
- Der Wahnsinn: „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“ in Bayern
- Wartezeit auf Psychotherapie: 20 Wochen!
- Das Märchen von der Datensicherheit
- Mein Heilpraktiker ist aber anderer Meinung
- Schwangerschaftsabbrüche – Hilfe ohne Wertung
- Armut macht krank – auch hierzulande
- Erst einmal 112 rufen: Lebensbedrohliche Notfälle in der Hausarztpraxis
- „Da kann nichts passieren, ich fahre die Strecke jeden Tag“ – Beurteilung der Fahreignung
- Alles eine Frage der Definition: Burnout und CFS
- Endokrinologie in der Hausarztpraxis: Schilddrüsenerkrankungen
- Neue DEGAM-Leitlinie: Müdigkeit
- Können Teilzeitärztinnen „richtige“ Hausärzte sein?
- Warum gibt es den Männerschnupfen?
- Influenza: neue Impfempfehlung
- Interkulturelle Kommunikation – Vorsicht Fallstricke!
- Alkohol und sein Platz in unserer Gesellschaft
- Was bleibt, was sich ändert
- Weihnachten als gesundheitliche Herausforderung
- Haben wir die Zeit für Banalitäten?
- Alles Reizdarm
- Das rote Auge in der Hausarztpraxis
- Schlafstörungen: große Erwartungen an die Ärzte
- Gibt es ihn noch, den gesunden Menschen?
- Klimawandel: wir Ärzte sollten dazu etwas sagen
- Drogenkrise in den USA – Betrifft uns das?
- Mit Schnupfen in die Notaufnahme?
- Vorgehen bei somatoformen Störungen: weniger ist mehr
- Häufiger Zufallsbefund: Anämie
- Die neue Leitlinie zum Harnwegsinfekt lässt Fragen offen
- Hausärzte können Palliativmedizin
- Nicht unsere Baustelle? Gynäkologie in der Hausarztpraxis
- Impfempfehlungen der STIKO – Was ist neu?
- EKG-Befunde, wie sie in der Praxis aussehen
- Warum erlaubt Deutschland als letztes EU-Land Außenwerbung für Tabakprodukte?
- Cannabinoide, revisited
- Ärztliche Schweigepflicht – Wann muss, wann darf man eine Ausnahme machen?
- Highlights aus Babybecken, Sandkasten und Kita
- Hautinfektionen – Haben Sie die Bilder dazu im Kopf?
- Hausärztliche Beratung zur kardiovaskulären Prävention – die neue DEGAM-Leitlinie
- Neue Leitlinie: Geriatrisches Assesssment in der Hausarztpraxis
- Bei Kopfschmerz an die Differenzialdiagnosen denken!
- Quartäre Prävention und Vermeidung von Überdiagnostik
- HIV und AIDS: daran denken!
- NVL Kreuzschmerz: Was ist neu?
- Oft nicht ganz eindeutig: Dermatologie in der Hausarztpraxis
- Beratung vor der Reise
- Sommerliche Notfälle in der Hausarztpraxis
- Auch wenn es schwerfällt: Let's talk about sex
- Allgemeinmedizin attraktiver machen – wie geht das?
- Unsere globale Verantwortung: Antibiotikaresistenzen
- Nicht jedermanns Sache: Traumatologie in der Hausarztpraxis und beim Notarzteinsatz
- Off-Label-Use – Was ist zu beachten?
- Mobbing von Schülern und gesundheitliche Folgen
- Demenzdiagnostik in in der Hausarztpraxis
- Wissen, was man tut, und warum
- Der „Mausarm“ und andere Schulter-Arm-Probleme
- iFOBT statt Serienbriefchen
- Achtung Pollenflug
- Nackenschmerzen – ein Wunschkonzert?
- Kollege Dr. House
- TSH – Krankheitsdefinition aus dem Labor?
- Impfpräventable Krankheitsbilder – es gibt sie noch
- Cannabinoide auf Rezept
- Ohrenprobleme
- Die Altenheimvisite
- Wenn der Alltag krank macht
- Ärzte als Patienten
- Gute Vorsätze für das neue Jahr
- There is no free lunch
- Influenza – die Saison ist eröffnet
- Depressionsbehandlung – eine typische Aufgabe des Hausarztes?
- Vitamin D – ein Alleskönner?
- Erkältungszeit
- Evidenzbasierte Medizin aus Norwegen