Das weltweite Wettrennen um die Entwicklung eines Impfstoffes gegen COVID-19 läuft. Knapp 200 Impfstoffkandidaten befinden sich derzeit in verschiedenen Stadien der Entwicklung und Testung. Ein Virus, dass sich pandemisch ausbreitet und gegen das ein Großteil der Weltbevölkerung nicht immun ist, erfüllt die kühnsten Wunschträume von Impfstoffherstellern. Der Markt für neue Impfstoffe ist riesig. Diejenigen, die bei der Impfstoffentwicklung die Nase vorn haben, können mit milliardenschweren Aufträgen rechnen. Bereits vor der Zulassung von Impfstoffen sichern sich viele Staatsregierungen das Vorkaufsrecht auf Millionen von Impfstoffchargen. Profitgier ist leider selten ein guter Berater. Bleibt zu hoffen, dass bei der Aufgabe der Entwicklung von Impfstoffen für die gesamte Weltbevölkerung überall verantwortungsvoll vorgegangen wird.
Bei der konkreten Herstellung von COVID-19-Vakzinen gibt es sehr unterschiedliche Konzepte, wie Totimpfstoffe, Subunit-Impfstoffe, Vektorimpfstoffe, DNA-Impfstoffe oder mRNA-Impfstoffe (siehe aerzteblatt.de). Totimpfstoffe und Subunit-Impfstoffe entsprechen dabei unserer herkömmlichen Vorstellung eines Impfstoffes. Totimpfstoffe bestehen aus inaktivierten ganzen Viren und Subunit-Impfstoffe nur aus für die Immunantwort erforderlichen Virusbestandteilen. Sie sind wohl weniger wirksam und müssen deshalb mit Adjuvanzien kombiniert oder mehrmals verabreicht werden. Weltweit sind ca. 50 Unternehmen mit dieser Art Impfstoff befasst. In Deutschland arbeitet ein Unternehmen an einer Subunit-Vakzine.
Zu wesentlich mehr Diskussionen und Unsicherheit führt das relativ neue Konzept, den Körper der Geimpften die Antigene für die Immunreaktion selbst herstellen zu lassen. Dieser Weg gilt als schnellere Lösung und als Möglichkeit, größere Impfstoffmengen zu produzieren. Bei Vektorimpfstoffen werden bei der Impfung harmlose Impfviren in den Muskel gespritzt, die Erbmaterial von SARS-CoV-2 in die menschlichen Zellen einschleusen. Diese produzieren daraufhin Virusantigene, die eine Immunreaktion auslösen. Hierbei handelt es sich um nicht vermehrungsfähige Viren, also um Nicht-Lebendimpfstoffe. In Deutschland arbeiten 2 Firmen an einem Vektorimpfstoff, weltweit über 30. Bisher sind laut PEI Vektorimpfstoffe gegen Dengue-Fieber oder Ebola zugelassen.
Bei DNA-Impfstoffen wird eine DNA-Sequenz, die für das gewünschte Antigen kodiert, in die menschliche Zelle aufgenommen. Für die Aufnahme in die Zellen gibt es verschiedene Wege, u. a. die Einbettung der DNA in ein bakterielles Plasmid, das von der Zelle aufgenommen wird. DNA-Vakzine müssen für eine wirksame Immunantwort in der Regel mit Adjuvanzien kombiniert werden. Ein Einbau der geimpften DNA in das menschliche Genom, mit z. B. Aktivierung von Onkogenen oder Deaktivierung von Tumorsuppressorgenen, wird von den Herstellern als unwahrscheinlich angesehen. Derzeit sind DNA-Vakzine nur in der Veterinärmedizin zugelassen. Weltweit sind ca. 12 DNA-Wirkstoffe in der Erprobung, davon einer in Deutschland.
mRNA-Impfstoffe (messenger-RNA) werden laut PEI im Vergleich zu DNA-Impfstoffen als sicherer angesehen, denn mRNA kann nicht in das menschliche Genom integriert werden. Hierbei werden RNA-Sequenzen in die Zellen der Geimpften eingeschleust, die ebenfalls für Antigene kodieren. Damit die mRNA in die Zelle eindringen kann, um dort repliziert zu werden, wird sie in Lipidnanopartikel eingebettet. Laut BMBF ist die Wirkung der mRNA-Impfstoffe auf die Muskelzellen im Bereich der Einstichstelle bei der Impfung begrenzt. Bisher gibt es noch keinen für die Anwendung am Menschen zugelassenen mRNA-Impfstoff, auch nicht für andere Indikationen. Zwei deutsche Hersteller haben einen mRNA-Impfstoff entwickelt und weltweit arbeiten über 20 Hersteller an diesem Impfstoff-Typ. Mit dieser Methode können in kurzer Zeit sehr viele Impfstoffdosen hergestellt werden.
Wie die Langzeitwirkungen und die Schutzwirkung der unterschiedlichen Impfstofftypen aussehen, werden wir erst in den nächsten Jahren wissen. Es handelt sich bei den Impfungen gegen COVID-19 letztendlich um ein weltweites Experiment, aus dem wir alle für kommende Pandemien lernen müssen. Sicherheit der Wirkstoffe und gerechte Verteilung der Impfstoffdosen haben jedenfalls die höchste Priorität.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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