In einem Review in BMJ Open 2017 wurde die Zeit verglichen, die Hausärzte im internationalen Vergleich pro Konsultation für ihre Patienten haben. Deutschland rangiert mit 7,6 min für eine hausärztliche Konsultation im unteren Mittelfeld zwischen den Extremen Bangladesch (48 sec pro Patient) und Schweden (22,5 min pro Patient). Da zahlreiche Daten drauf hindeuten, dass kurze Konsultationen unter anderem zu Multimedikation, vermehrtem Antibiotikagebrauch und schlechter Arzt-Patienten-Kommunikation führen, kann das kein gutes Zeichen für das deutsche Gesundheitssystem sein. Was können die Gründe für die hohe Zahl an Patienten in Deutschlands Hausarztpraxen sein, wenn man bedenkt, dass die Arztdichte hierzulande nicht besonders niedrig ist?
Ein wichtiger Grund ist sicher, dass die Deutschen bekanntermaßen sehr häufig zum Arzt gehen. Das mag zum einen unserem Krankschreibungssystem geschuldet sein, zum anderen scheint aber auch die Unsicherheit im Umgang mit leichteren Symptomen groß zu sein. So stellen sich täglich zahlreiche Patienten mit banalen Erkrankungen, wie Erkältung oder Gastroenteritis, in der Praxis vor und erwarten sofortige ärztliche Hilfe. Die Kompetenz, mit solchen Erkrankungen selbst fertig zu werden und den natürlichen Verlauf einfach abzuwarten, scheint verloren gegangen zu sein. Auch ein einfacher Fußpilz oder Lippenherpes, den man selbst mit einem OTC-Medikament behandeln kann, scheinen für viele ein guter Grund zu sein, ärztliche Hilfe zu suchen.
Manche können auch nicht mit bereits bekannten, immer wiederkehrenden, aber auch immer wieder von selbst verschwindenden Beschwerden umgehen, z.B. Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, Aphthen der Mundschleimhaut oder Obstipation. Strategien, diese Probleme selbst zu bewältigen, symptomatisch zu behandeln und auszuhalten, existieren häufig nicht. Einige dieser Patienten fordern bei jeder Episode möglichst viel Diagnostik, Therapie und ärztliche Zuwendung. Zeitraubende Diskussionen über nicht indizierte Untersuchungen für vermutete Zustände ohne Krankheitswert kommen hinzu, z. B. die wiederholte Kontrolle des Vitamin-D-Spiegels.
Bei manchen Patienten steckt hinter der übergroßen Sorge über Banales ein anderes Problem, dem man selbstverständlich nachgehen muss. Aber ein nicht unwesentlicher Teil dieser Patienten raubt Hausärzten schlicht und einfach die Zeit, die andere Patienten nötiger hätten. Hilfreich und wünschenswert wäre hier sicher eine Stärkung der Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung, z.B. durch Vermittlung gesundheitlichen Wissens bereits in der Schule.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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