Trotz der Präsenz des Themas Migration in den Medien gehört die Versorgung von Geflüchteten als Patienten in der Hausarztpraxis nicht überall zur täglichen Routine. Die Fragen, die sich stellen, sind zunächst einmal organisatorischer Natur. Wie ist der Patient versichert? Auf welche Leistungen haben Asylbewerber mit Behandlungsschein Anspruch? Was ändert sich, wenn sie eine elektronische Gesundheitskarte haben? Was soll das eigentlich heißen: Anspruch auf „ärztliche und zahnärztliche Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände“? Brauche ich einen professionellen Dolmetscher und wer bezahlt den? Sind diese Fragen erfolgreich geklärt, kann man sich wirklich dem Patienten widmen. Über organisatorische und rechtliche Aspekte, aber auch darüber, an welche gesundheitlichen Probleme besonders gedacht werden sollte, welche Impfempfehlungen und sonstigen Empfehlungen zur Konsultation und zum Screening auf bestimmte Erkrankungen existieren, informiert Sie unser Artikel Geflüchtete als Patienten.
Für die Erstaufnahmeuntersuchung, die in erster Linie der Feststellung übertragbarer Krankheiten dient, gibt es klare Empfehlungen des RKI. Auch zur Kontrolle des Impfstatus und zu Impfungen bei „Migranten“ gibt es neue STIKO-Empfehlungen. Weitere gesundheitliche Probleme sollen in der ambulanten Versorgung, z.B. in der Hausarztpraxis, versorgt werden. Dass von Geflüchteten keine Infektionsrisiken für die Allgemeinbevölkerung ausgehen, ist bekannt. Vielmehr sind Sie aufgrund ihrer schwierigen Lebensbedingungen auf der Flucht, möglicherweise unvollständigen Impfschutz und den Aufenthalt in Massenunterkünften besonders vulnerabel für Infektionskrankheiten.
Besonders häufig kommt es zu Erkältungskrankheiten und Magen-Darm-Infekten. In den Gemeinschaftseinrichtungen kam es wiederholt zu Ausbrüchen von z. B. Windpocken, Skabies, und Masern. Die Prävalenz von Tuberkulose sowie Hepatitis B und C ist aufgrund der Prävalenz in Herkunftsländern höher als in der Allgemeinbevölkerung. Aufgrund traumatischer Erfahrungen in Herkunftsländern und auf der Flucht ist das Risiko für posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), Depression, Angststörungen oder somatoforme Störungen erhöht. In der Hausarztpraxis sind Schmerzzustände (Kopfschmerz, Rückenschmerz) häufige Beratungsanlässe bei geflüchteten Patienten.
Einige Autoren empfehlen für die Praxis ein kurzes Screening auf Depression. Auf das Vorliegen einer PTBS sollte jedoch nicht gescreent werden, um eine Retraumatisierung zu vermeiden. Aufgrund eines hohen Diabetesrisikos in manchen Herkunftsländern sollte eine Nüchternglukose bestimmt werden. Außerdem sollten Blutbild und Differenzialblutbild mit der Frage nach Anämie, Leukozytose oder Eosinophilie untersucht werden. Zusätzlich sollte der Zahnstatus auf offensichtliche kariöse Veränderungen überprüft werden. Grundsätzlich sollten Anamnese und alle Befunde, insbesondere beispielsweise Hinweise auf Folter oder besondere Abschiebungshindernisse gründlich dokumentiert werden, um für Atteste, Gutachten oder auch Gerichtsverfahren verwendbar zu sein.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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