Einige Leser und Kollegen hatten uns darauf angesprochen, dass es in Deximed bisher keinen Artikel zur Gastritis gab. Das lag daran, dass unser norwegisches Original NEL (Norsk Elektronisk Legehåndbok) keinen solchen Artikel vorsah. Die Begründung dafür lautete, dass nach allgemeiner Auffassung in Skandinavien Gastritis keine klinische, sondern lediglich eine histologische Diagnose sei und dass die Problematik mit unserem Artikel zur funktionellen Dyspepsie ausreichend abgehandelt sei. Patienten kommen aber mit dem histologischen Befund einer Gastritis in unsere Praxen, und wir als Hausärzte sollten dazu etwas sagen können. Verschiedene Gastritistypen können durchaus Vorläufer zum Teil schwerwiegender Erkrankungen sein (z. B. die chronische H. pylori-Gastritis oder die atrophische Gastritis). Außerdem existieren dazu spezifische Therapieempfehlungen. Aus diesen Gründen haben wir uns entschlossen, einen neuen Artikel zum Thema Gastritis zu verfassen. Ermutigt hat uns die Tatsache, dass eine Gastritis auch in Großbritannien als eigenständige Krankheit aufgefasst wird (siehe BMJ BestPractrice).
Der Artikel stellt die unterschiedlichen Gastritisklassifikationen, die wichtigsten Ursachen, die klinischen Konsequenzen sowie die spezifischen und empirischen Behandlungsoptionen bei verschiedenen Gastritisformen dar. Unser Artikel Helicobacter pylori enthält hierzu auch weiterführende Informationen. Dass die Diagnose Gastritis ausschließlich histologisch gestellt wird, schließt klinische, diagnostische und therapeutische Konsequenzen nicht aus. Klarzustellen ist auch, dass bei histologischer Diagnose einer Gastritis eine funktionelle Dyspepsie vorliegen kann.
Wie kommt es zu länderübergreifend unterschiedlichen Auffassungen und Definitionen mancher Krankheitsbilder? Eine Ursache scheint häufig eine grundsätzlich schwammige oder international kontrovers diskutierte Krankheitsdefinition zu sein. So existiert beispielweise in vielen Ländern eine klare Auffassung und Definition eines chronischen Erschöpfungssyndroms (Chronic fatigue syndrome, CFS), auch in Skandinavien oder im angelsächsischen Sprachraum. Dagegen wird die Definition des CFS in Deutschland als unklar und die Existenz des CFS als eigene Krankheitsentität an sich als keineswegs gesichert angesehen.
Auch die Diagnose Burnout wird international kontrovers diskutiert. Einige Autoren sind der Auffassung, dass es sich hierbei um eine Form der Depression handelt. Im DSM-V ist dafür keine eigene Kategorie enthalten. Da es, im Gegensatz zu Schweden oder den Niederlanden, hierzulande keinen eigenen ICD-10-Code für Burnout gibt, wird die Diagnose mit der Ziffer Z73 „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ kodiert. Dass im neuen ICD-11 international ein eigener Diagnose-Code für Burnout eingeführt werden soll, könnte hier für Klarheit sorgen.
Ein weiteres Beispiel ist das Schleudertrauma. Das Schleudertrauma tritt in Schweden sehr viel häufiger als in Norwegen auf und in Norwegen deutlich häufiger als in Deutschland. Dass sich die Prävalenzen in unterschiedlichen Ländern so stark unterscheiden, lässt sich eigentlich nur durch eine unterschiedliche Krankheitsdefinition oder -auffassung erklären. Solche Unterschiede der Krankheitsdefinitionen und damit der Prävalenzen und Therapien in verschiedenen Ländern sind ein nicht immer harmloses Phänomen. So sollte es für Patienten keinen Unterschied machen, in welchem Land sie an einer bestimmten Krankheit leiden.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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