Fleischkonsum unbedenklich – echt jetzt?

Mehrere Metaanalysen eines internationalen Forscherteams kommen auf der Basis von Beobachtungs- und Kohortenstudien zu dem Schluss, dass der Konsum von rotem Fleisch und Wurstwaren mit keinem nennenswerten gesundheitlichen Risiko verbunden ist. Das Risiko für beispielsweise Prostatakarzinome, Mammakarzinome, kolorektale Karzinome, Herzinfarkte oder Typ-2-Diabetes könne durch geringeren Fleischkonsum kaum reduziert werden. Da es außerdem sowieso aussichtslos sei, Essgewohnheiten breiter Bevölkerungsschichten zu ändern, wird also keine Reduzierung des Fleischkonsums empfohlen. Sämtliche Medien haben diese frohe Botschaft für Fleischesser begeistert aufgegriffen und verbreitet.

Vereinzelt wurde aber auch über kritische Stimmen berichtet, beispielsweise im Deutschen Ärzteblatt: Die Methodik der Metaanalysen sei zumindest zweifelhaft und die zugrundeliegende Evidenz alles andere als aussagekräftig. Es gab keine passenden Kontrollgruppen, um den Unterschied zwischen Fleischkonsum und Verzicht auf Fleisch angemessen zu bewerten. Es wurde kein Vergleich mit Vegetariern angestellt. Eine aktuelle Metaanalyse kommt aber im Gegensatz zu der oben genannten Analyse zu dem Schluss, dass Vegetarier doch ein erheblich geringeres Risiko als Fleischesser haben, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Dies sei unter anderem auch auf die geringere Rate von Übergewicht und Adipositas bei Vegetariern zurückzuführen. Diese Meldung fand allerdings keine so weite mediale Verbreitung wie die „Entwarnung“ für Fleischesser.

Weitere aktuelle Daten belegen, dass die weltweite Rate an Antibiotikaresistenzen durch die Massentierhaltung und den in Schwellenländern massiv steigenden Fleischkonsum stark zunimmt. Drei Viertel aller weltweit verwendeten Antibiotika werden in der Viehzucht eingesetzt. Von Resistenzen betroffen seien Penicilline, Tetrazykline, Sulfonamide, Fluorchinolone und Cephalosporine, also humanmedizinisch relevante Wirkstoffe. Obwohl Länder wie China, Indien, Pakistan oder Mexiko von Resistenzen besonders betroffen sind, ist die Ausbreitung resistenter Bakterien ein weltweites Problem. Davon abgesehen werden auch in deutschen Mastbetrieben massenweise Antibiotika eingesetzt. Man könnte also durchaus behaupten, dass allein die Herstellung von Fleisch nicht gerade gesundheitlich unbedenklich ist.

Betrachtet man die aktuellen Berichte über eine Listerienbelastung der Produkte eines deutschen Wurst- und Fleischfabrikanten, die zu mindestens zwei Todesopfern geführt hat, sowie über den ähnlich gelagerten Fall einer niederländischen Firma, bei dem sogar über drei Todesfälle und eine Fehlgeburt berichtet wird, passt das auch nicht so ganz zum eben noch rehabilitierten Image von Fleisch- und Wurst.

Abgesehen davon, dass die Datenbasis für die gesundheitliche Unbedenklichkeit von rotem Fleisch ausgesprochen dünn ist, sollte man doch keineswegs das Gesamtbild aus den Augen verlieren. Dass Massentierhaltung einen wesentlichen Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß hat und die Abholzung tropischen Regenwaldes zum Zweck der Rinderzucht keineswegs dem Klimaschutz dient, dürfte den meisten klar sein. Ebenso offensichtlich ist, dass der Klimawandel langfristig der Gesundheit der Weltbevölkerung schaden wird. Es kann also doch aus verschiedenen Gründen vorteilhaft sein, den Fleischkonsum zumindest einzuschränken. Auf alle Fälle würde das niemandem schaden. Das hätten die Autoren der Metaanalysen und der daraus folgenden Empfehlungen zum Fleischkonsum erwähnen sollen.

Marlies Karsch, Chefredakteurin

 

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