Die Bestimmung von Vitamin D3 im Serum wird immer wieder von Patient*innen gewünscht, entweder einfach so, um einen Mangel auszuschließen oder zur Abklärung diffuser Symptome, wie Müdigkeit oder verminderter Leistungsfähigkeit. Die Annahme, dass ein Vitamin D-Mangel verschiedene Krankheiten, von Depression, Alzheimer-Demenz, Herzinfarkt, Krebs bis MS, verursachen kann, hält sich hartnäckig. Sie wird immer wieder in den Medien verbreitet und diskutiert. Dies führt zu den immer gleichen Diskussionen im Praxisalltag. Unser neu revidierter Artikel Vitamin-D-Mangel räumt mit Gerüchten auf, fasst die aktuelle Evidenz zusammen und bietet klare Fakten zu diesem Thema.
Entgegen weit verbreiteter Fehlinformationen ist nur bei einem kleinen Teil der deutschen Bevölkerung von einem klinisch relevanten Vitamin D-Mangel auszugehen. Bei der Messung von Vitamin D3 erschweren die fehlende Vergleichbarkeit unterschiedlicher Messmethoden, saisonale Schwankungen und kontrovers diskutierte Referenzwerte eine klinische Einordnung. Dafür, dass eine Substitution von gemessenen Serumspiegeln abhängig gemacht werden soll, gibt es keine ausreichende Evidenz. Grundsätzlich erfolgt ein Großteil der Vitamin-D-Versorgung durch Eigensynthese in der Haut unter UVB-Einstrahlung. Nur ein geringer Prozentsatz wird über die orale Zufuhr gedeckt. Durch eine ausreichende Sonnenexposition (unter Vermeidung von Hautschäden) sollte es bei gesunden Menschen möglich sein, eine ausreichende Vitamin D-Versorgung zu erreichen.
Wirkliche Indikationen für eine Bestimmung des Vitamin D-Spiegels sind der Verdacht auf eine Osteomalazie oder Rachitis sowie das Vorliegen von Risikofaktoren für einen relevanten Vitamin-D-Mangel. Ein erhöhtes Risiko für einen Vitamin D-Mangel besteht bei Personen, die sich selten im Freien aufhalten, z. B. Bewohnerinnen von Pflegeeinrichtungen sowie bei Menschen, die beispielsweise aus religiösen Gründen ihre Haut bedecken oder eine dunkle Hautfarbe haben, außerdem bei Patient*innen mit chronischen Lebererkrankungen, Niereninsuffizienz oder Malabsorption, etwa im Rahmen einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung. Außerdem können bestimmte Medikamente zu einer Störung des Vitamin-D-Stoffwechsels führen, z. B. Antiepileptika und HIV-Medikamente. Spiegelbestimmungen ohne Verdacht auf schweren Mangel oder ohne besondere Risikokonstellationen dürfen nicht zu Lasten der GKV durchgeführt werden.
Für einen klinisch relevanten Mangel, für eine manifeste Rachitis oder Osteomalazie sowie für die Rachitisprophylaxe bei Säuglingen bietet unser Artikel, soweit möglich, evidenzbasierte Dosierungsempfehlungen. Für die Prävention nicht-skelettaler Erkrankungen durch die Supplementierung von Vitamin D3 gibt es keine ausreichende Evidenz. So konnten große RCTs und Metaanalysen keinen Hinweis auf eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse oder der Gesamtmortalität nachweisen. Möglicherweise kann eine Einnahme von Vitamin D jedoch die Krebsmortalität senken. Auf das Auftreten und den Verlauf von Typ-2-Diabetes, Depression, Atemwegsinfekten, Demenz oder MS hat Vitamin D nach derzeitiger Studienlage keinen relevanten Einfluss.
Die Rachitis bei Kindern ist durch die allgemeine Rachitisprophylaxe generell selten geworden. Als relevantes Krankheitsbild, das durch Vitamin D-Mangel verursacht werden kann, bleibt also die Osteomalazie. Diese hat bei frühzeitiger Behandlung eine gute Prognose. Für ein Screening gesunder Personen auf einen Vitamin D-Mangel und Ausgleich von Laborbefunden durch Vitamin D-Einnahme besteht jedenfalls kein Anlass.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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