Wegen des dramatischen Anstiegs der Suchtkranken und Drogentoten wurde in den USA der nationale Gesundheitsnotstand ausgerufen. Eine der Ursachen ist wohl, dass Ärzte, angefeuert durch aggressives Pharmamarketing, großzügig Opioide gegen Schmerzen verschrieben und das Suchtpotenzial dieser Wirkstoffe jahrzehntelang stark unterschätzt haben. Die oft mangelhafte Gesundheitsversorgung in den USA führte dazu, dass sich süchtige Schmerzpatienten ihre Opioide auf dem Schwarzmarkt besorgen mussten und dabei auch zu Heroin griffen. Was in den USA schiefgelaufen ist, ist zumindest teilweise erklärbar. Aber wie ist die Situation in Deutschland? Unser Gesundheitssystem lässt jedenfalls Patienten nicht so allein, wie es in den USA der Fall ist. Grundsätze der Schmerzbehandlung scheinen hierzulande, besonders bei der langfristigen Versorgung, eher beachtet zu werden.
Sollten gemäß WHO-Stufenschema zur Schmerztherapie Opioide indiziert sein, ist grundsätzlich eine retardierte Form zu bevorzugen. Die Therapie sollte nach einem festen Zeitschema verabreicht werden und nach sechs Monaten eine Dosisreduktion oder ein Ausschleichen mit dem Patienten besprochen werden. Natürlich sind die Kontraindikationen zu beachten. So sollten Opioide bei somatoformen Beschwerden oder Fibromyalgie nicht verabreicht werden. Sie sind kontraindiziert bei primären Kopfschmerzerkrankungen, wie Spannungskopfschmerz, Migräne und Clusterkopfschmerz, aber auch bei psychischen Grunderkrankungen, wie Depression oder posttraumatischer Belastungsstörung.
Um Entzugssymptomen vorzubeugen, sollten Opioide langsam ausgeschlichen und nicht abrupt abgesetzt werden. Zur Behandlung eines Opioid-Entzugssyndroms bzw. einer Opioidabhängigkeit gibt es in Deutschland eine funktionierende medizinische Infrastruktur und Richtlinien. Die Rate an Opioidüberdosierungen ist um ein Vielfaches niedriger als in den USA. Amerikanische Verhältnisse herrschen bei uns also noch lange nicht, aber dennoch sollte sich jeder Arzt, der Opioide verordnet, über das Suchtpotenzial im Klaren sein.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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