Wegen der medialen Präsenz von COVID-19 ist die Grippewelle dieser Saison eher still und leise verlaufen. Sie werden sie in Ihrer täglichen Arbeit durchaus bemerkt haben, aber die öffentliche Aufmerksamkeit war relativ gering. Laut der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) ist die Aktivität der akuten Atemwegserkrankungen insgesamt in der 8. Kalenderwoche (KW) 2020 bundesweit gesunken; auch der Höhepunkt der Grippewelle scheint überschritten zu sein. Deutschland berichtete für die 7. KW eine moderate Grippeaktivität.
Bis zur 8. KW wurden dem RKI nach dem Infektionsschutzgesetz bislang 98.442 labordiagnostisch bestätigte Influenzafälle gemeldet. Von den labordiagnostisch bestätigten Fällen waren 17 % hospitalisiert. Das heißt, die Zahl der tatsächlich Erkrankten dürfte wesentlich höher liegen, da bei einem Großteil der Betroffenen in der Hausarztpraxis kein Influenzaabstrich durchgeführt, sondern die Diagnose anhand der typischen Klinik gestellt wird. Der Prozentsatz der Erkrankten, bei denen eine Behandlung einer Klinik notwendig war, liegt damit wohl deutlich unter 17 %. Die AGI schätzt, dass bis zur 7. KW ca. 2,1 Mio. Menschen wegen Influenza eine Haus- oder Kinderarztpraxis aufgesucht haben. Insgesamt wurden 161 Todesfälle gemeldet, 85 % von ihnen waren 60 Jahre oder älter. Besonders gefährdet für einen schweren Verlauf sind, ähnlich wie bei COVID-19, ältere Personen und Personen mit Grundkrankheiten, wie z. B. chronische kardiovaskuläre Erkrankungen, chronische Lungenerkrankungen oder Diabetes mellitus. Auch Schwangere, besonders im letzten Trimenon, haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf.
Laut FluNews Europe zeigen vorläufige Daten aus Finnland und Schweden für diese Influenzasaison eine Wirksamkeit der Influenzaimpfung zwischen 39 % und 41 % bei Erwachsenen, die 65 Jahre oder älter sind. Der Impfschutz ist in dieser Altersgruppe normalerweise niedriger als bei Jüngeren. Für jüngere Personen liegen noch keine europäischen Zahlen vor. Bei Kindern zwischen 6 Monaten und 6 Jahren lag die Wirksamkeit der Impfung bei 70 %. Diese Zahlen gelten für Influenza A und B.
Die Übertragung erfolgt über Tröpfchen, entweder durch direktes Anhusten oder Anniesen oder durch Kontakt mit kontaminierten Händen oder Oberflächen. Die Inkubationszeit beträgt nur 1–2 Tage. Eine Virusausscheidung ist bereits vor Symptombeginn möglich. Im Durchschnitt besteht Infektiosität meist 4 bis 5 Tage nach Symptombeginn. Und hier schließt sich der Kreis mit COVID-19: Alle gegen das neuartige Coronavirus empfohlenen Hygienemaßnahmen gelten genauso für die Prävention der Influenza. Erkrankte Personen sollen sich an die „Hustenetikette" halten: beim Husten und Niesen sollen Mund und Nase nicht mit der Hand, sondern mit der Ellenbeuge bedeckt werden. Alternativ kann ein Papiertaschentuch verwendet werden, das danach entsorgt werden soll. Außerdem wird eine gute Händehygiene empfohlen, also regelmäßiges Händewaschen oder Händedesinfektion.
Soweit so gut. Aber was ist die Realität? Alle erleben in der Hausarztpraxis täglich Patienten, die sich beim Betreten des Sprechzimmers demonstrativ in die hohle Hand husten und dann genau diese Hand zum Gruß reichen. Hier hilft nur eines: In diesen Zeiten die Patienten freundlich darauf aufmerksam machen, dass in der Praxis auf das Händeschütteln verzichtet wird.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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