In Zusammenarbeit der TKK mit der Universität Bremen wurde kürzlich der Cannabis-Report publiziert. Darin werden die derzeitige Evidenzlage einer Therapie mit Cannabinoiden und Indikationen bisheriger Anträge auf eine Cannabistherapie bei den Krankenkassen dargestellt. Wir haben die Informationen aus dem Cannabis-Report in unseren Artikel Cannabinoid-haltige Arzneimittel aufgenommen.
Was Ärzte in Deutschland von Anfang an unsicher gemacht hat: die Gesetzesregelung von 2017 beschränkt oder benennt nicht die Indikationen einer Cannabistherapie; grundsätzlich gibt es wenig Evidenz zur therapeutischen Anwendung von Cannabis; unklar ist, welche Patienten welche Dosierung in welcher Darreichungsform erhalten sollen. Der Cannabis-Report fasst die spärliche Evidenzlage folgendermaßen zusammen: Denkbare Indikationen für eine Therapie mit Cannabinoiden sind chronische Schmerzen, Spastizität bei MS und Paraplegie, Epilepsien, Chemotherapie-induzierte Übelkeit und Erbrechen und Appetitsteigerung bei HIV/AIDS. Mögliche Indikationen für eine Therapie mit Cannabinoiden sind Angststörungen, Schlafstörungen, Tourette-Syndrom und ADHS. Für Depressionen, Psychosen, Demenz, Glaukom und Darmerkrankungen liegt kein Wirksamkeitsnachweis vor. Da der THC- und CBD-Gehalt in Cannabisblüten nicht standardisiert ist, sollten vorzugsweise industriell hergestellte Arzneimittel verordnet werden.
Bisher fehlte auch eine klare Darstellung der Nebenwirkungen von Cannabis-Therapien. Hier werden im Cannabis-Report als akute Nebenwirkungen vor allem Müdigkeit, Sedierung, Schwindel, „High"-Gefühl und andere psychische Nebenwirkungen wie Aufmerksamkeitsstörungen, Euphorie, Dysphorie und Gedächtnisstörungen genannt. Seltener kann es auch zu Psychosen, Verwirrtheit und Halluzinationen kommen. Bei Langzeitanwendung können Toleranzentwicklung und psychische Abhängigkeit auftreten.
Bis Februar 2018 wurden in Deutschland 16.000 Anträge auf Genehmigung einer Cannabistherapie bei den Krankenkassen eingereicht, von denen ca. 60 % genehmigt wurden. Hauptindikation bei den eingereichten Anträgen war die Schmerztherapie. Weitere häufige Indikationen waren Tumorleiden, Palliativtherapie und neurologische Erkrankungen.
Insgesamt fehlen weiterhin randomisierte kontrollierte Studien guter Qualität zu den oben genannten und vielen weiteren Erkrankungen, damit sich Ärzte und Patienten bewusst und evidenzbasiert für oder gegen eine Therapie mit Cannabinoiden entscheiden können.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
Frühere Themen:
- Zytomegalie: Haben wir das auf dem Schirm?
- Fernbehandlung: Fluch und Segen der Telemedizin
- Neue DVO-Leitlinie Osteoporose
- Gewalt gegen Ärzte
- Alles gelb: Pollenalarm!
- Neues zu Asthma
- Der Wahnsinn: „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“ in Bayern
- Wartezeit auf Psychotherapie: 20 Wochen!
- Das Märchen von der Datensicherheit
- Mein Heilpraktiker ist aber anderer Meinung
- Schwangerschaftsabbrüche – Hilfe ohne Wertung
- Armut macht krank – auch hierzulande
- Erst einmal 112 rufen: Lebensbedrohliche Notfälle in der Hausarztpraxis
- „Da kann nichts passieren, ich fahre die Strecke jeden Tag“ – Beurteilung der Fahreignung
- Alles eine Frage der Definition: Burnout und CFS
- Endokrinologie in der Hausarztpraxis: Schilddrüsenerkrankungen
- Neue DEGAM-Leitlinie: Müdigkeit
- Können Teilzeitärztinnen „richtige“ Hausärzte sein?
- Warum gibt es den Männerschnupfen?
- Influenza: neue Impfempfehlung
- Interkulturelle Kommunikation – Vorsicht Fallstricke!
- Alkohol und sein Platz in unserer Gesellschaft
- Was bleibt, was sich ändert
- Weihnachten als gesundheitliche Herausforderung
- Haben wir die Zeit für Banalitäten?
- Alles Reizdarm
- Das rote Auge in der Hausarztpraxis
- Schlafstörungen: große Erwartungen an die Ärzte
- Gibt es ihn noch, den gesunden Menschen?
- Klimawandel: wir Ärzte sollten dazu etwas sagen
- Drogenkrise in den USA – Betrifft uns das?
- Mit Schnupfen in die Notaufnahme?
- Vorgehen bei somatoformen Störungen: weniger ist mehr
- Häufiger Zufallsbefund: Anämie
- Die neue Leitlinie zum Harnwegsinfekt lässt Fragen offen
- Hausärzte können Palliativmedizin
- Nicht unsere Baustelle? Gynäkologie in der Hausarztpraxis
- Impfempfehlungen der STIKO – Was ist neu?
- EKG-Befunde, wie sie in der Praxis aussehen
- Warum erlaubt Deutschland als letztes EU-Land Außenwerbung für Tabakprodukte?
- Cannabinoide, revisited
- Ärztliche Schweigepflicht – Wann muss, wann darf man eine Ausnahme machen?
- Highlights aus Babybecken, Sandkasten und Kita
- Hautinfektionen – Haben Sie die Bilder dazu im Kopf?
- Hausärztliche Beratung zur kardiovaskulären Prävention – die neue DEGAM-Leitlinie
- Neue Leitlinie: Geriatrisches Assesssment in der Hausarztpraxis
- Bei Kopfschmerz an die Differenzialdiagnosen denken!
- Quartäre Prävention und Vermeidung von Überdiagnostik
- HIV und AIDS: daran denken!
- NVL Kreuzschmerz: Was ist neu?
- Oft nicht ganz eindeutig: Dermatologie in der Hausarztpraxis
- Beratung vor der Reise
- Sommerliche Notfälle in der Hausarztpraxis
- Auch wenn es schwerfällt: Let's talk about sex
- Allgemeinmedizin attraktiver machen – wie geht das?
- Unsere globale Verantwortung: Antibiotikaresistenzen
- Nicht jedermanns Sache: Traumatologie in der Hausarztpraxis und beim Notarzteinsatz
- Off-Label-Use – Was ist zu beachten?
- Mobbing von Schülern und gesundheitliche Folgen
- Demenzdiagnostik in in der Hausarztpraxis
- Wissen, was man tut, und warum
- Der „Mausarm“ und andere Schulter-Arm-Probleme
- iFOBT statt Serienbriefchen
- Achtung Pollenflug
- Nackenschmerzen – ein Wunschkonzert?
- Kollege Dr. House
- TSH – Krankheitsdefinition aus dem Labor?
- Impfpräventable Krankheitsbilder – es gibt sie noch
- Cannabinoide auf Rezept
- Ohrenprobleme
- Die Altenheimvisite
- Wenn der Alltag krank macht
- Ärzte als Patienten
- Gute Vorsätze für das neue Jahr
- There is no free lunch
- Influenza – die Saison ist eröffnet
- Depressionsbehandlung – eine typische Aufgabe des Hausarztes?
- Vitamin D – ein Alleskönner?
- Erkältungszeit
- Evidenzbasierte Medizin aus Norwegen