Vor zwei Wochen hatte ich einen Patienten, der mir umständlich seine Krankengeschichte schilderte: Er leide unter ADHS und sei deswegen von seiner Neurologin in Berlin mit Cannabinoidspray behandelt worden. Jetzt sei er nach München gezogen und brauche ein Rezept dafür, aber alle Ärzte würden ihn abweisen. Der Patient verwies auf ein Gesetz vom 19. Januar. Wenn das in Kraft sei, würden ihm die Ärzte glauben. Ich war zunächst auch ratlos, fand aber einen Neurologen, der über diese Off-label-Indikation Bescheid wusste und den Patienten übernahm.

Patienten mit derartigen Anliegen werden wir zukünftig in unseren Praxen häufiger sehen. Damit wir für diese Patienten angemessen reagieren können, sollten wir gut informiert sein: Bisher waren Cannabinoide in Deutschland nur zur Behandlung der Spastik bei MS zugelassen. Im Rahmen eines „individuellen Heilversuchs" konnten sie off-label verordnet werden. Am 19. Januar wurde das Gesetz „Cannabis als Medizin" vom Bundestag beschlossen. Ab März 2017 sollen Cannabiszubereitungen ohne Einschränkung auf bestimmte Erkrankungen off-label auf BtM-Rezept verordnet werden können. Eine Kostenerstattung ist nur in begründeten Einzelfällen vorgesehen. Dies kann neben dem ADHS also vor allem folgende Indikationen betreffen, bei denen auch bisher schon im Rahmen „individueller Heilversuche“ Cannabinoide zum Einsatz kamen: neuropathische Schmerzen, palliative Schmerzbehandlung, das spastische Syndrom und die palliative Behandlung von Übelkeit. Diese Deximed-Kapitel wurden an die neue Gesetzeslage angepasst.

Zur Cannabinoidverordnung ist jeder Arzt ohne spezielle Zusatzqualifikation berechtigt. Was das für die Hausarztpraxis bedeutet, ist schwer abzusehen. Welche Patienten mit subjektiven oder objektiven bzw. evidenzbasierten individuellen Indikationen können hier auf uns zu kommen? Mit zukünftig häufigeren Anfragen zu Folgeverordnungen müssen wir auf jeden Fall rechnen.

Marlies Karsch, Chefredakteurin

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