„Für Menschen mit Behinderungen ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar“ ist die Kerndefinition von Barrierefreiheit nach dem Behindertengleichstellungsgesetz. Das heißt, dass eine Praxis nicht barrierefrei zugänglich ist, die zwar einen Aufzug, aber dann noch eine Stufe hat, über die Rollstuhlfahrer*innen geholfen werden muss. Bundesweit ist nur ein kleiner Teil der Praxen zumindest teilweise barrierefrei zugänglich. Außerdem ist die Zugänglichkeit für Rollstuhlfahrer*innen und Menschen mit eingeschränkter Gehfähigkeit nur eines von vielen Merkmalen für Barrierefreiheit, aber das, was den meisten Menschen als erstes einfällt. Um für dieses Thema zu sensibilisieren und darüber zu informieren haben wir einen neuen Artikel Barrierefreiheit in Arztpraxen erstellt. Von einer Überwindung verschiedener Barrieren profitieren nicht nur Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen, sondern auch ältere und multimorbide Patient*innen, Eltern mit Kindern (und Kinderwagen), Patient*innen mit vorübergehenden Einschränkungen, wie einem Gipsbein, und Menschen mit geringen Deutschkenntnissen.
In diesem Artikel finden Sie Checklisten für den kritischen Praxisrundgang, Empfehlungen zur barrierefreien Gestaltung sowie baurechtliche Hinweise. Wichtig zu wissen ist, dass keine Verpflichtung zum Umbau einer übernommenen Praxis besteht. Dennoch gibt es viele einfache Maßnahmen und Änderungen, die dazu beitragen können, eine Praxis patientenfreundlich zu gestalten.
Hierzu ist es wichtig, sich über die verschiedenen Formen von Barrieren im Klaren zu sein. Die Barrieren, die die Zugänglichkeit von Gebäuden und Praxen erschweren, sind vielen klar. Barrieren, auf die Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit stoßen, sind nicht allen bewusst, aber oft relativ einfach zu beheben. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind Barrieren in der Kommunikation. Dies können Sprachbarrieren aufgrund geringer Deutschkenntnisse, aber auch aufgrund von Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit sein. Menschen mit geistiger Behinderung stoßen ebenfalls auf kommunikative Barrieren. Dass Unterstützung in der Kommunikation ein wichtiger Beitrag zur Barrierefreiheit ist, ist noch keine Selbstverständlichkeit.
Ohne größere bauliche und strukturelle Eingriffe können beispielsweise folgende Maßnahmen umgesetzt werden: Zur kommunikativen Barrierefreiheit kann beigetragen werden, wenn beispielsweise bei Sprachbarrieren ein Dolmetscherdienst oder für gehörlose Patient*innen eine Gebärdensprachendolmetscherin hinzugezogen wird. Grundsätzlich sollte im Gespräch mit Patient*innen mit beeinträchtigter Kommunikationsfähigkeit auf eine einfache und deutliche Sprache geachtet werden. Für Patient*innen mit eingeschränktem Sehvermögen sollten Beschilderungen in der Praxis groß und kontrastreich gestaltet sein. Treppenstufen, Handläufe, Glastüren, Lichtschalter, Türgriffe und Türrahmen sollten deutlich farbig abgehoben sein. Wichtig ist eine gute, blendfreie Beleuchtung in allen Praxisräumen. Auch die Praxishomepage sollte übersichtlich und gut lesbar gestaltet sein und zusätzliche Texte in einfacher Sprache enthalten. Für Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen kann es sehr hilfreich sein, wenn eine Online-Terminvereinbarung möglich ist. Bei eingeschränkter Mobilität erleichtern Stühle mit Armlehne das Aufstehen.
Bei größeren baulichen Anpassungen in einer Praxis stehen vor allem Rollstuhlfahrer*innen und Menschen mit anderweitig eingeschränkter Mobilität im Fokus: Aufzüge sollten ausreichend groß und im Sitzen bedienbar sein. Dasselbe gilt für Patiententoiletten und die Handtuchspender und Wachbecken. Treppen und Gänge sollten ausreichend breit sein und Platz zum Rangieren im Türbereich für Rollstuhlfahrer*innen bieten. Türöffnungen müssen breit genug für Rollstühle sein. Für Rampen gilt die Regel: Nicht mehr als 6 Steigung und nicht länger als 6 m.
Nicht alle Maßnahmen können in jeder Praxis umgesetzt werden. Perfektion in Sachen Barrierefreiheit ist nicht das Ziel. Aber viele kleine Schritte und Maßnahmen können dazu beitragen, Ihnen und Ihren Patient*innen den Alltag zu erleichtern.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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