Das Trinken von Alkohol ist ein Teil unserer Kultur, gerade hier in Bayern, wo Bier weiterhin als Lebensmittel gilt. Zu jedem Fest, zu jedem Familientreffen, auch zu Weihnachten und Silvester gehören zumindest Bier und Wein einfach dazu; sogar am Schulfest meiner Tochter wurden Bier und Prosecco von der Institution Schule an diejenigen Schüler verkauft, die mindestens 16 Jahre alt waren. Aber es ist eine Tatsache, dass in Deutschland 4,8 % der Männer und 2 % der Frauen alkoholabhängig sind und 1,6 Millionen Menschen Alkohol in gesundheitsschädlichen Mengen konsumieren.
Die gesundheitlichen Folgen übermäßigen Alkoholkonsums sind unüberschaubar. Schätzungsweise 10 % der Todesfälle in Deutschland sind alkoholbedingt, z.B. durch Alkoholdelir, eine Leberzirrhose mit Ösophagusvarizenblutung, spontan bakterieller Peritonitis oder hepatorenalem Syndrom oder durch eine akute Pankreatitis. In der Hausarztpraxis bekommen wir auch die sozialen und psychischen Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum zu sehen: Verlust des Arbeitsplatzes, Vereinsamung, Depression, Suizidalität.
Wo hört das risikoarme Verhalten auf und wo fängt der übermäßige Alkoholkonsum an? Die meisten Patienten sind ernsthaft erstaunt, wenn man ihnen sagt, wie gering die Alkoholmengen sind, die vermutlich gesundheitlich unbedenklich sind. Besteht bei einem Patienten oder einer Patientin der Verdacht auf einen übermäßigen Alkoholkonsum oder zumindest ein erhöhtes Risiko dafür, so sollten, im Sinne eines Case Findings, Fragen nach dem Trinkverhalten gestellt werden. Besonderes Augenmerk sollte jungen Patienten gelten. Alkoholmissbrauch im Kindes- und Jugendalter ist hierzulande leider in Teilen gesellschaftlich akzeptiert und auch deswegen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern besonders verbreitet.
Manche Patienten sind dankbar, dass das Thema angesprochen wird, andere leugnen, dass sie ein Problem haben. Abhängig von der Einsicht des Patienten kann jetzt eine Kurzintervention stattfinden und dem Patienten so geholfen werden, das Alkoholproblem zu erkennen und etwas dagegen zu unternehmen. Was sollten wir also tun, damit unerkannte und/oder unbehandelte Alkoholprobleme nicht weiterhin unermesslichen Schaden anrichten? Aufmerksam sein, zuhören, nachfragen und jedem Patienten die Hilfe anbieten, die er auch annehmen kann.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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