Vor 100 Jahren, am 17.01.1920, trat in den USA die Prohibition gegen Alkohol in Kraft. Von da an war die Herstellung, der Transport und der Verkauf aller alkoholischen Getränke mit einem Alkoholgehalt über 0,5 % verboten. Ziel war es, den damals in den USA recht hohen Alkoholkonsum zu reduzieren und so Krankheit, Korruption und Kriminalität vorzubeugen und, wie zeit.de schreibt, auch die Vorherrschaft der protestantischen angelsächsischen Kultur zu festigen. Die Prohibition war ein gesellschaftliches Massenexperiment mit den damals 100 Millionen US-Bürgern. Wie es ausging, ist bekannt: In den Großstädten tranken die Leute ungehindert weiter Alkohol, z. B. in „Flüsterkneipen“, und die organisierte Kriminalität hatte Hochkonjunktur. Große Verbrechersyndikate entstanden, die ihre Infrastruktur auch nach Aufhebung der Prohibition 1933 direkt für den Drogenhandel weiternutzen konnten.
Welche Schlüsse können wir für den Umgang mit legalen und illegalen Suchtmitteln in Deutschland ziehen? Was ist hier der Stand der Dinge? Hierzulande ist der Alkoholkonsum höher als in vielen anderen Ländern und führt zu weit verbreiteten gesundheitlichen und sozialen Problemen (siehe auch unser Thema der Woche 2, 2018). 1,8 Mio. Deutsche sind alkoholabhängig, und 1,6 Mio. trinken Alkohol in gesundheitsschädlichen Mengen. Die Anzahl der alkoholbedingten Todesfälle, also beispielsweise durch Leberzirrhose und ihre Folgen, akute Pankreatitis und Alkoholdelir, liegt schätzungsweise bei über 70.000 Fällen pro Jahr. Dass ein Verbot keine wirkliche Abhilfe bringen wird, ist klar. Aber ob es gut ist, dass Jugendliche bereits ab 16 Jahren Alkohol trinken dürfen, sollte kritisch hinterfragt werden. Auch ein Werbungsverbot und verstärkte Aufklärung über die geringen Alkoholmengen, die tatsächlich als unbedenklich gelten, wären vermutlich hilfreich.
Bei den illegalen Drogen sieht es bei uns aus, wie zu Zeiten der Prohibition in den USA: Der Markt und die Preise werden fast ausschließlich von kriminellen Drogenhändlern kontrolliert. Daher gibt es auch keine konkreten Zahlen darüber, wie viele Menschen in Deutschland abhängig von Cannabis, Opioiden, Sedativa, Kokain oder Amphetaminen sind. Eine besondere Gruppe sind Patienten, die von verschreibungspflichtigen Opioiden oder Sedativa abhängig sind und denen ihr Suchtmittel wider besseres Wissen ärztlich verordnet wird. Auch hier gibt es nur Dunkelziffern.
Die Substitutionstherapie Opioidabhängiger ist ein Weg, einen legalen und ärztlich kotrollierten Zugang zu Substitutionsmittel zu schaffen, der vielen Suchtpatienten hilft, aber auch viele Drogenkranke außen vor lässt. Eine Legalisierung „weicher“ Drogen wie Cannabis, wie es sie in vielen US-Bundesstaaten bereits gibt, holt zumindest den Handel mit dieser Droge aus der kriminellen Ecke und ermöglicht hier Regelungen und Kontrollen. Welche Langzeitauswirkungen das auf die Konsumraten haben wird und welche Folgen eine Legalisierung anderer Drogen haben könnte, darüber wissen wir leider zu wenig. Aber eines sollten wir gelernt haben: Verbote führen zu Kriminalität, fehlender Kontrolle und Stigmatisierung von Betroffenen.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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