Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Pneumonie und Beatmungsmedizin und mit Beteiligung der DEGAM ist die neue S3-Leitlinie zur Behandlung von erwachsenen Patient*innen mit ambulant erworbener Pneumonie erschienen. Wir haben diese neue Leitlinie in unseren Artikeln Pneumonie und Rationale Antibiotikatherapie in der Hausarztpraxis berücksichtigt. Damit ändert sich auch die von vielen unserer Leser*innen verwendete übersichtliche Antibiotikatabelle.
Die Empfehlungen zur antibiotischen Therapie leichtgradiger Pneumonien, die ambulant behandelt werden können, wurden geändert: Bei leichtgradiger Pneumonie ohne Komorbidität ist weiterhin Amoxicillin das Mittel der Wahl. Wenn eine Penicillinallergie oder -unverträglichkeit vorliegt, sollen nun aber alternativ Azithromycin, Clarithromycin oder Doxycyclin bevorzugt werden. Fluorchinolone, also Moxifloxacin oder Levofloxacin werden nur noch „nachgeordnet“ empfohlen. Eine weitere ambulant behandelbare Gruppe sind Patient*innen mit leichtgradiger Pneumonie und definierter Komorbidität, wie chronischer Herzinsuffizienz, ZNS-Erkrankungen mit Schluckstörung, schwerer COPD, Bronchiektasen, Bettlägerigkeit und PEG. Für diese Patient*innen ist weiterhin Amoxicillin-Clavulansäure die Therapie der Wahl. Alternativ werden die Fluorchinolone Moxifloxacin und Levofloxacin empfohlen. Die empfohlene Therapiedauer bei der leichten und mittelschweren Pneumonie wurde auf 5 Tage verkürzt.
Bei der Schweregradeinteilung, die Grundlage der Therapieentscheidung ist, wird die mittelschwere Pneumonie neuerdings als „Pneumonie mit erhöhtem Letalitätsrisiko“ nach klinischen Kriterien definiert. Sie soll grundsätzlich stationär behandelt werden. Für die Diagnostik empfiehlt die Leitlinie auch im ambulanten Bereich eine Bildgebung mittels Röntgenthorax oder Thoraxsonografie. Laut Leitlinie erlauben Biomarker weder eine sichere Identifikation einer Pneumonie noch eine sichere Differenzierung von Patient*innen, die eine antibiotische Behandlung benötigen. Deshalb wird die diagnostische Aussagekraft einer CRP-Messung als begrenzt bewertet. Bei leichtgradiger Pneumonie und Behandlung im ambulanten Setting ist normalerweise keine mikrobiologische Diagnostik empfohlen.
Zur Einschätzung des Mortalitätsrisikos und der Indikation für eine Klinikeinweisung soll der CRB-65-Score verwendet werden. Er setzt sich zusammen aus Bewusstseinstrübung, Atemfrequenz (> 30/min), Hypotonie (systolisch < 90 mmHg oder diastolisch < 60 mmHg) und Alter (≥ 65 Jahre). Patient*innen mit einem CRB-Score von 0 können ambulant behandelt werden. Zusätzlich soll die Sauerstoffsättigung zur Einschätzung herangezogen werden. Ab einer SpO2 ≤ 92 % soll eine Einweisung erfolgen. Bei Komplikationen, wie z. B. einem Pleuraerguss kann trotz niedrigen CRB-Scores eine Klinikeinweisung notwendig sein. Bei ambulanter Behandlung sollen die Patient*innen nach 48–72 h erneut klinisch eingeschätzt werden.
In der Leitlinie wird auch auf Interaktionen und Nebenwirkungen von Antibiotika hingewiesen. Zu beachten sind Interaktionen zwischen Clarithromycin und Statinen bzw. Antikoagulanzien, sowie zwischen Makroliden bzw. Fluorchinolonen und anderen QT-Zeit verlängernden Substanzen. Bei älteren Patient*innen mit interaktionsrelevanter Komedikation sollte Azithromycin aufgrund seines geringeren Interaktionspotenzials unter den Makroliden bevorzugt werden. Azithromycin ist zudem das am wenigsten kardiotoxische Makrolid. Amoxicillin-Clavulansäure kann hepatotoxisch wirken. Nicht empfohlen werden orale Cephalosporine aufgrund ihrer geringen Bioverfügbarkeit und des Risikos einer Clostridium-difficile-Kolitis. Fluorchinolone sollen unter anderem nicht bei Patient*innen über 80 Jahre, bei systemischer Steroidtherapie, Aortenaneurysma und schwerer kardialer Komorbidität eingesetzt werden. Ciprofloxacin als Monotherapie ist bei ambulant erworbener Pneumonie kontraindiziert.
Zur Prävention einer Pneumonie gibt die neue Leitlinie keine Empfehlungen mehr. Diese sollen in einem gesonderten Dokument erscheinen. Wir haben hier die Empfehlungen der STIKO zur Pneumokokkenimpfung angegeben und bieten Ihnen so umfassende Informationen zum Thema ambulant erworbene Pneumonie.
Marlies Karsch, Chefredakteurin
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