Spondylarthropathien bei Kindern (juvenile Spondyloarthritis)

Zusammenfassung

  • Definition:Als Spondylarthropathien wird eine Gruppe von Erkrankungen bezeichnet, die durch eine Arthritis, eine Enthesitis und evtl. eine Sakroiliitis oder Spondylitis gekennzeichnet sind. Es handelt sich um Autoimmunerkrankungen unbekannter Ursache, die häufig mit dem Gewebsantigen HLA-B27 assoziiert sind.
  • Häufigkeit:Die Gesamtprävalenz wird auf 0,1 % bei Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren geschätzt.
  • Symptome:Typisch sind Gelenkschmerzen in den unteren Extremitäten, Schmerzen der Sehnenansätze am Fersenbein sowie evtl. Schmerzen im Bereich der Iliosakralgelenke und der Wirbelsäule.
  • Befunde:Die klinischen Befunde richten sich nach der jeweiligen Erkrankung.
  • Diagnostik: Neben den klinischen Symptomen und Befunden beruht die Diagnose auf Laboruntersuchungen (HLA-B27) und Bildgebung (MRT). 
  • Therapie:Hängt von der jeweils zugrunde liegenden Erkrankung ab.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Spondylarthropathien sind eine Gruppe HLA-B27-assoziierter rheumatischer Erkrankungen, die durch eine periphere Arthritis, eine Enthesitis und evtl. durch eine Sakroiliitis oder Spondylitis gekennzeichnet sind.
  • Bei Kindern ist in den ersten Jahren meist eine asymmetrische Oligoarthritis in den unteren Extremitäten zu beobachten, im weiteren Krankheitsverlauf treten evtl. Wirbelsäulensymptome auf.1
  • Zu den Erkrankungen dieser Gruppe zählen die Enthesitis-assoziierte Arthritis, die Spondylitis ankylosans, die Psoriasisarthritis, die reaktive Arthritis und die mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen assoziierte Arthritis.
  • Die Enthesitis-assoziierte Arthritis ist eine Diagnose, die bei Erwachsenen keine Anwendung findet.2
  • Ausführliche Informationen sind in den Artikeln zu den jeweiligen Erkrankungen zu finden.

Häufigkeit

  • Mit einer Prävalenz von 0,1 % handelt es sich um die häufigsten chronischen rheumatischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter, die jährliche Inzidenz beträgt etwa 10/100.000 Kinder unter 16 Jahren.3
  • Bei den meisten Patienten treten die Symptome nach der ersten Lebensdekade auf.
  • Die Psoriasisarthritis ist im Kindesalter selten.

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Ätiologie der Erkrankungen ist unbekannt, sie werden zu den Autoimmunerkrankungen gezählt.2
  • Die Erkrankungen sind eng mit dem Leukozyten-Gewebsantigen HLA-B27 assoziiert.
  • Die mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen assoziierte Arthritis kann bereits in Erscheinung treten, bevor Darmsymptome oder eine Darmentzündung vorliegen.

Diagnostik

Enthesitis-assoziierte Arthritis

  • Typische Symptome sind Schwellungen und Schmerzen im Sprung-, Knie- oder Hüftgelenk sowie Schmerzen im Fersenbereich durch eine Enthesitis des Achillessehnen- oder des Plantarfaszienansatzes.4
  • Die Enthesitis kann allein oder in Kombination mit einer Arthritis auftreten.
  • Die mit der Enthesitis verbundenen Schmerzen sind typischerweise am Abend stärker ausgeprägt.
  • Nicht selten bestehen bei Kindern mit Enthesitis bereits seit mehreren Jahren Symptome, bevor eine Behandlung eingeleitet wird.
  • Evtl. gibt es in der Familie weitere Fälle mit ähnlichen Beschwerden oder anderen HLA-B27-assoziierten Erkrankungen.
    • Ein positiver HLA-B27-Befund liegt bei etwa 60 % der Kinder mit Spondylarthropathien und bei 90 % der Kinder mit einer Spondylitis ankylosans vor.
  • Bei den meisten Kindern mit einer Enthesitis kommt es zu einem spontanen Abklingen der Symptome, meist bestehen sie jedoch über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten.
  • Manche Kinder mit einer Enthesitis-assoziierten Arthritis entwickeln im Laufe der Zeit eine mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung assoziierte Spondylarthropathie, eine Psoriasisarthritis oder eine Spondylitis ankylosans.

Juvenile Spondylitis ankylosans

  • Klinische Merkmale
    • Schmerzen im Lendenbereich (weiter kranial lokalisierte Schmerzen haben eher eine funktionelle Ursache)
    • Länger (mehr als eine Stunde) andauernde Morgensteifigkeit, die sich bei Aktivität bessert.
    • Arthritis in einem oder mehreren peripheren Gelenken
  • Klassifizierungskriterien
    • Anamnese mit Arthritis oder Enthesitis, Rückensteifigkeit/Schmerzen
    • HLA-B27-positiv
    • Familienanamnese mit ähnlicher Erkrankung
    • evtl. assoziierte Symptome wie Uveitis oder chronisch-entzündliche Darmerkrankung
  • Die Erkrankung setzt in der Regel in der späten Kindheit oder in der Jugend ein.
  • Jungen sind häufiger betroffen.
  • Bei Kindern tritt zunächste eine Arthritis oder Enthesitis auf, bevor es später zu Rückenschmerzen kommt.
  • Eine Coxitis oder eine Enthesiopathie im Hüftbereich ist keine Seltenheit.
  • Eine Sakroiliitis ist klinisch u. U. schwierig nachzuweisen.
  • Eine Röntgenuntersuchung der Iliosakralgelenke ist nur selten sinnvoll, da sich erst nach langer Zeit eine Sklerose entwickelt.
  • In der MRT sind Veränderungen der Iliosakralgelenke früher als im herkömmlichen Röntgenbild zu erkennen.
  • Die häufigste extraartikuläre Manifestation ist die Uveitis.

Reaktive Arthritis

  • Als reaktive Arthritiden werden eine Gruppe aseptischer Arthritiden bezeichnet, die typischerweise 1–4 Wochen nach einer Magen-Darm-Infektion oder einer nichtgonorrhoischen Urethritis einsetzen.
  • Eine Krankheitshäufung im Kindes- und Jugendalter tritt bei Jungen zwischen dem 8. und 12. Lebensjahr auf, jedoch ist die Alters- und Geschlechtsverteilung abhängig vom auslösenden Erreger und liegt, z. B. nach Yersinien-Infektion, zwischen dem 3. und 7. Lebensjahr und nach Urogenitaltraktinfektion (Chlamydien) im Adoleszentenalter.5
  • Die Diagnose wird auf Grundlage der entzündlichen Arthritis und einer kürzlich durchgemachten Infektion gestellt, sofern eine andere Ursache der Arthritis, z. B. Streptokokken oder eine septische Arthritis, ausgeschlossen werden kann.
  • Laboruntersuchungen liefern keine eindeutigen Ergebnisse, sollten aber durchgeführt werden, z. B. im Hinblick auf Streptokokken-Antikörper, wenn der Verdacht auf eine Streptokokkeninfektion besteht. Evtl. kann eine Kultur der Gelenkflüssigkeit sinnvoll sein.
  • Die Symptome der reaktiven Arthritis sind meist selbstlimitierend und bestehen über einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten.
  • Zwar ist eine spontane Besserung wahrscheinlich, eine angemessene Diagnostik und Therapie sind aber dennoch wichtig, um dauerhafte Beeinträchtigungen zu verhindern.

Arthritis bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

  • Zu den typischen Symptomen zählen eine asymmetrische Oligoarthritis in den unteren Extremitäten, eine Enthesitis im Fersenbereich und evtl. Rückenschmerzen.
  • Die Arthritis kann einsetzen, bevor Symptome des Magen-Darm-Trakts vorliegen.
  • Mögliche Frühsymptome einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung sind:
    • eine anhaltende leichte Anämie
    • Häufig unspezifische Bauchschmerzen, die episodisch oder anhaltend sein können.
    • rezidivierende oder dauerhafte Aphthen
    • ein schlechtes oder verlangsamtes Längenwachstum
    • eine Uveitis.
  • Bei Verdacht auf eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung sollten die Patienten an einen Gastroenterologen überwiesen werden.

Psoriasisarthritis

  • Spondylarthropathie, die durch eine Arthritis in den unteren Gliedmaßen, eine Enthesitis und evtl. eine Arthritis der Iliosakralgelenke und eine Spondylitis gekennzeichnet ist.
  • Die Psoriasisarthritis kann auch in Form einer symmetrischen Arthritis auftreten.
  • Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis sind häufig die Fingerendgelenke (DIP-Gelenke) betroffen.
  • Bei Vorliegen einer Arthritis und einer Enthesitis in Fingern oder Zehen können Schwellungen ganzer Finger oder Zehen (Daktylitis) auftreten.
  • Auch eine Nageldystrophie ist typisch für die Psoriasisarthritis.
  • Bei den meisten Patienten liegt eine Psoriasis vor, mitunter kann die Arthritis jedoch vor dem Auftreten der Hauterkrankung in Erscheinung treten.
  • Nur in etwa 30 % der Fälle entwickeln sich axiale Symptome (Sakroiliitis oder Spondylitis).

Klinische Untersuchung

  • Spondylarthropathien sind mit HLA-B27 assoziiert.
  • BSG und CRP sind häufig normal, mitunter aber auch erhöht.
  • Der Rheumafaktor und die antinukleären Antikörper sind in der Regel negativ.
  • Die MRT ist das empfindlichste Verfahren zum Nachweis einer Sakroiliitis im frühen Stadium. Radiologische Veränderungen sind erst nach längerer Krankheit sichtbar.6

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf eine Spondylarthropathie wird eine Überweisung an einen (Kinder-)Rheumatologen empfohlen.

Checkliste zur Überweisung

Spondylarthropathien bei Kindern

  • Zweck der Überweisung
    • Bestätigende Diagnostik? Therapieversagen? Sonstiges?
  • Anamnese
    • Wann wurde die Diagnose gestellt? Von wem? Auf welcher Grundlage?
    • Aktuelles Problem: Allgemeinzustand? Rückenschmerzen? Arthritis? Morgensteifigkeit? Sehnenentzündungen? Andere Organe: Augen, Darm?
    • Verlauf und Entwicklung? Anhaltende Beschwerden?
    • Körperliches Aktivitätsniveau
    • Sonstige Erkrankungen?
    • Medikamente? Gegen die rheumatische Erkrankung? Sonstige?
    • Folgen: Funktionsverlust? Alltägliche Aktivitäten? Arbeitsunfähigkeit? Etwaige soziale Probleme?
  • Klinische Untersuchung
    • Zustand des Rückens: Beweglichkeit: Ventralflexion, Lateralflexion, Extension? Atemexkursion?
    • Zustand der Gelenke? Betroffene Gelenke? Bewegungseinschränkungen?
    • Herz, Lunge, Darm?
  • Ergänzende Untersuchungen
    • Hb, CRP, BSG, Harnsäure, Kreatinin, HLA-B27, Urinteststreifen, ANA, ACPA
    • Röntgen? ISG-Veränderungen? Veränderungen der Wirbelsäule? Sonstige bildgebende Untersuchungen?

Therapie

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Reaktive Arthritis. AWMF-Leitlinie Nr. 027-057, Stand 2013. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Juvenile Idiopathische Arthritis (JIA), Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 027-020, Stand 2011. www.wmf.org

Literatur

  1. Burgos-Vargas R. The juvenile-onset spondyloarthritides. Rheum Dis Clin North Am 2002; 28: 531-60. pmid:12380369 PubMed
  2. Colbert RA. Classification of juvenile spondyloarthritis: Enthesitis-related arthritis and beyond. Nat Rev Rheumatol 2010; 6: 477. pmid:20606622 PubMed
  3. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Juvenile Idiopathische Arthritis (JIA), Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 027-020, Stand 2011 www.awmf.org
  4. Weiss PF, Klink AJ, Behrens EM, et al. Enthesitis in an inception cohort of enthesitis-related arthritis. Arthritis Care Res 2011; 63: 1307. pmid:21618453 PubMed
  5. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Reaktive Arthritis. AWMF-Leitlinie Nr. 027-057, Stand 2013. www.awmf.org
  6. Weber U, Maksymowych WP. Sensitivity and specificity of magnetic resonance imaging for axial spondyloarthritis. Am J Med Sci 2011; 34: 272. pmid:21358208 PubMed
  7. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Juvenile Idiopathische Arthritis (JIA), Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 027-020, Stand 2011. www.awmf.org

Autoren

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Freiburg
  • Ingard Løge, spesialist allmennmedisin, universitetslektor, institutt for sammfunsmedisinske fag, NTNU, redaktør NEL
  • Bo Magnusson, bitr överläkare, Barnreumatologen, Astrid Lindgrens barnsjukhus (Medibas)

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit