Schizophrenie, Häufigkeit

In Europa leidet etwa 0,3 %–1 % der Bevölkerung an Schizophrenie. Bei den meisten der Betroffenen wird die Diagnose im Alter von 20 bis 35 Jahren gestellt, wobei Männer im Allgemeinen früher erkranken als Frauen.

Was ist Schizophrenie?

Das Wort Schizophrenie bedeutet ursprünglich „abgespaltener Geist“ und wurde über die Jahre mit mehreren Bedeutungen belegt. Inzwischen wird der Begriff zur Beschreibung eines Syndroms verwendet, d. h. einer Sammlung verschiedener Symptome, die normalerweise zusammen auftreten.

Zu diesen gehören psychotische Symptome mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen, kognitive Symptome mit desorganisiertem Verhalten, verminderte Fähigkeit zur Planung und Strukturierung des Alltags, Gedächtnisstörungen sowie sogenannte negative Symptome mit Einschränkungen bei Emotionen und Willen.

Die Ursache von Schizophrenie ist nicht vollständig bekannt. Nach der vorherrschenden Hypothese wird man mit einer genetischen Anfälligkeit für die Entwicklung der Krankheit geboren, und dann sind verschiedene Stressfaktoren aus dem Umfeld notwendig, damit die Erkrankung entsteht (psychosoziale Belastung, Drogen, Infektionen usw.). Schizophrenien verlaufen unterschiedlich. Etwa 25 % der Patienten haben eine gute Prognose und können sich nach 10 bis 15 Jahren so gut fühlen, dass die Kriterien für die Krankheit nicht mehr erfüllt sind. Ungefähr 50 % haben weiterhin Symptome und Beschwerden in unterschiedlicher Ausprägung, und bei etwa 25 % verschlimmert sich die Erkrankung.

Häufigkeit

Von Schizophrenie sind etwa 1 % der Bevölkerung betroffen, wobei leichte geographische Schwankungen vorliegen. Das Lebenszeitrisiko für Schizophrenie liegt zwischen 0,3 und ca. 1 %. In der Regel tritt die Erkrankung erstmals im Alter von 20 bis 35 Jahren auf.

Welche Menschen erkranken an Schizophrenie?

Der wichtigste Risikofaktor scheint die Vererbung zu sein, obwohl die Ursachen der Erkrankung nicht eindeutig geklärt sind. Das Risiko, an Schizophrenie zu erkranken, ist wesentlich höher, wenn bei einem Geschwister, Elternteil oder anderen nahen Verwandten auch Schizophrenie diagnostiziert wurde. Eine erhöhte Gefahr besteht zudem bei Menschen, in deren Familiengeschichte eine bipolare Störung vorkommt. Weitere Risikofaktoren sind Geburtskomplikationen oder Infektionen im Fetalstadium, Kindheit und Jugend in Großstadtregionen, Migration und Drogenkonsum (vor allem von THC-Drogen wie Haschisch oder Marihuana).

Ob die Häufigkeit von Schizophrenie zunimmt, konstant bleibt oder zurückgeht, ist umstritten.

Sterblichkeit

Bei Schizophrenie besteht eine erhöhte Gefahr der Selbsttötung. 4–13 % aller Personen, die mit Schizophrenie diagnostiziert wurden, begehen Suizid, und 25–50 % versuchen dies einmal oder mehrmals. Es wurden mehrere Risikofaktoren identifiziert, die bei Schizophrenie zum Suizid führen können. Die wichtigsten sind frühere Selbsttötungsversuche, Depressionen, Drogenmissbrauch und das Geschlecht: Männer haben ein höheres Risiko als Frauen. Besonders im ersten Jahr ist die Gefahr groß. Im Vergleich zur normalen Bevölkerung tragen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magen-Darm-Krankheiten, Hormonstörungen und Erkrankungen der Atemwege ebenfalls zu einer signifikant höheren Sterblichkeit unter Schizophrenen bei.

Weitere gleichzeitig auftretende Erkrankungen

Patienten mit diagnostizierter Schizophrenie erfüllen häufig auch die diagnostischen Kriterien für andere psychiatrische Störungen. Fast die Hälfte aller schizophrenen Patienten haben eine oder mehrere andere psychiatrische Erkrankungen. Am häufigsten sind Zwangsstörungen (29 %), Depressionen (27 %) und Panikstörungen (10 %). Etwa die Hälfte der Patienten mit Erstpsychosen erfüllen auch die Kriterien für posttraumatische Belastungsstörungen.

Suchtprobleme und Abhängigkeit wurden bei ca. 20 % aller Patienten mit Erstpsychose beobachtet. Es wurde eine Zunahme der Häufigkeit physischer Erkrankungen wie Colitis ulcerosa, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes aufgezeigt.

Konsequenzen

Für die Betroffenen und ihre Angehörigen bedeutet Schizophrenie ein Leiden und eine Behinderung, die für andere manchmal nur schwer vorstellbar sind. Die Herausforderungen, die die Behandlung der Krankheit mit sich bringt, sind groß. Mit der richtigen Therapie lässt sich für die Mehrzahl der Patienten eine signifikante Verbesserung erzielen. Zentrale Elemente bei der Behandlung von Schizophrenie sind Medikamente und unterstützende psychosoziale Maßnahmen. Oft vergeht viel Zeit zwischen der Entwicklung einer Psychose und dem Punkt, ab dem adäquate Hilfe bereitgestellt wird. Die Dauer einer unbehandelten Psychose, d. h. der Zeitraum zwischen dem Auftreten erster Anzeichen einer Psychose und dem Moment, ab dem die Krankheit angemessen behandelt wird, beträgt in der westlichen Welt etwa ein bis zwei Jahre. Zusammen mit einer frühen Phase (Prodromalphase) von durchschnittlich etwa einem Jahr bedeutet dies, dass junge Menschen, die eine Schizophrenie entwickeln, zwei bis drei Jahre ohne Therapie bleiben. Studien haben gezeigt, dass sich die Dauer einer unbehandelten Psychose reduzieren lässt und dass sich dies offenbar günstig auf die Prognose auswirkt.

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  • Philipp Ollenschläger, Medizinjournalist, Köln

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