Psychische Erkrankungen und Sucht, Hilfe für Angehörige

Eine wichtige Information vorab!

In akuten Krisen (Suizidgedanken oder -absichten, Bedrohung/ Gewalt) von Ihnen nahestehenden Menschen oder bei Ihnen selbst wenden Sie sich bitte an:

  • die nächste psychiatrische Klinik
  • die Rettungsleitstelle unter der Telefonnummer 112
  • die Polizei unter der Telefonnummer 110.

Was bedeutet es, psychisch krank oder abhängig zu sein?

Psychische Erkrankungen

Laut der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellen psychische Erkrankungen „Störungen der psychischen Gesundheit einer Person dar, die oft durch eine Kombination von belastenden Gedanken, Emotionen, Verhaltensweisen und Beziehungen zu anderen gekennzeichnet sind. Beispiele sind Depressionen, Angststörungen, Verhaltensstörungen, bipolare Störungen (Depression und Manie im Wechsel) und Psychosen.“1

Abhängigkeit und Sucht

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Abhängigkeit „als einen seelischen, eventuell auch körperlichen Zustand, der dadurch charakterisiert ist, dass ein Mensch trotz körperlicher, seelischer oder sozialer Nachteile ein unüberwindbares Verlangen nach einer bestimmten Substanz oder einem bestimmten Verhalten empfindet, das er nicht mehr steuern kann und von dem er beherrscht wird. Durch zunehmende Gewöhnung an das Suchtmittel besteht die Tendenz, die Dosis zu steigern. Einer Abhängigkeit liegt der Drang zugrunde, die psychischen Wirkungen des Suchtmittels zu erfahren, zunehmend auch das Bedürfnis, unangenehme Auswirkungen ihres Fehlens (Entzugserscheinungen wie Unruhe, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Angstzustände, Schweißausbrüche) zu vermeiden. Abhängigkeit wird heute als Krankheit angesehen.“2 

Suchtmittel können z. B. Alkohol, Medikamente, Drogen, Tabak oder Glücksspiel sein.

Was bedeutet es, Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen und/oder Suchtproblemen zu sein?

Angehörige Personen (Familie, Partner*innen, Geschwister, Kinder, Freund*innen) von Menschen mit psychischen Problemen oder Suchtproblemen können unter erheblichen Belastungen und Einschränkungen leiden.

Folgende Bereiche können durch die Erkrankung einer angehörigen Person betroffen sein:

  • die eigene Gesundheit
  • die eigenen Gefühle und das psychische Wohlbefinden
  • der eigene Beruf
  • die Freizeit und deren Gestaltung (z. B. Sport, Kontakte, Kultur, Hobbys)
  • die Beziehungen zu Mitmenschen (z. B. Ausgrenzung, Zurückweisung, Scham).

Gleichzeitig haben Angehörige für erkrankte Personen eine große Bedeutung als Stütze. Es ist sogar erwiesen, dass ein insgesamt besserer Verlauf durch entsprechende Unterstützung zu erwarten ist.

Die eigene Betroffenheit und die besondere Verantwortung gegenüber der Person mit einer psychischen Erkrankung können Sie in einen schwierig zu lösenden Konflikt und in eine eigene Hilfebedürftigkeit bringen: Sie sehen, wie schlecht es der erkrankten Person geht und wollen helfen. Dabei kann besonders herausfordernd sein, erkrankten Personen eine angemessene Mischung aus Verständnis und Unterstützung entgegenzubringen und gleichzeitig möglichst viel Eigenständigkeit zu lassen. Dies kann langfristig dazu führen, dass Sie möglicherweise selbst Hilfe brauchen.

Auf lange Sicht können Sie erkrankten Familienmitgliedern oder Freund*innen jedoch nur helfen, wenn Sie sich gut um sich selbst kümmern und gut mit Ihren Energiereserven umgehen und haushalten können.

Speziell bei Kindern psychisch kranker Eltern besteht ein gesteigertes Risiko, dass diese ebenfalls an einer psychischen Störung erkranken. Daher sollten insbesondere Familien(-mitglieder) psychisch erkrankter Personen frühzeitig entsprechende Unterstützung erfahren.

Mögliche Formen der Unterstützung für Sie als Angehörige

Möglicherweise suchen Sie Informationen, wie Sie sich gegenüber Personen mit einer psychischen Erkrankung bzw. Suchtproblemen verhalten sollten. Über Selbsthilfeorganisationen können Sie mit anderen Menschen, die in einer ähnlichen Lage wie Sie waren oder sind, in Kontakt zu treten. Die Nutzung von Telefon- oder Onlinediensten kann Ihnen die Möglichkeit bieten, anonym zu bleiben. Außerdem können Sie sich durch Psychotherapeut*innen unterstützen lassen, um schwierige Situationen zu verarbeiten. Daher finden Sie in diesem Dokument eine Reihe von Kontaktinformationen für Sie als angehörige Person.

Allgemeine erste Anlaufstellen

Hausärzt*innen können erste vertrauensvolle Gesprächspartner*innen sein, da sie der Schweigepflicht unterliegen. Sie können Ihnen Informationen über weitere Hilfsangebote aushändigen und Sie oder die betroffene Person zu Spezialist*innen überweisen.

Anonym im Netz

Viele Websites haben eigene Diskussionsforen. Wenn Sie ein Diskussionsforum im Internet nutzen möchten, ist es ratsam, nicht Ihren vollen Namen preiszugeben. Des Weiteren sollten Sie bedenken, dass alle Informationen, die Sie online stellen, auch von fremden Personen eingesehen werden können. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn Sie über erkrankte Personen ohne deren Wissen und/oder Zustimmung sprechen.

Selbsthilfe als Unterstützung bei psychischen Erkrankungen von Angehörigen

„Selbsthilfe hat den Grundgedanken, persönliche Probleme aus eigener Kraft bzw. zusammen mit anderen Menschen mit gemeinsamer Anstrengung zu bearbeiten. Selbsthilfe ist eine Hilfeleistung durch Eigeninitiative und Eigenverantwortung, die unentgeltlich erbracht wird und für die keine spezielle Ausbildung erforderlich ist – dadurch unterscheidet sie sich von der Fremdhilfe. Sie kann während einer Krankheit eine gute Ergänzung zu professionellen Hilfsangeboten darstellen. Auch vermag sie dabei zu helfen, dass Wiedererkrankungsrisiko von Patienten zu senken oder auch Angehörigen den Umgang mit einer schwierigen Lebenssituation aufgrund einer Erkrankung in der Familie zu erleichtern. Bei der Selbsthilfe in Gruppen können die Erfahrungen und Kompetenzen von gleichfalls Betroffenen, Erkrankten, ehemaligen Erkrankten sowie von Angehörigen genutzt werden, um durch Informationsaustausch und gleichberechtigte Zusammenarbeit eine gegenseitige Hilfestellung oder Wertschätzung zu erfahren.“3

Informationen und Anlaufstellen für erwachsene Angehörige und Freund*innen

Telefon-Hotlines

  • Telefonseelsorge: Die kostenfreie Hotline ist über die Telefonnummern 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222 und 116 123 erreichbar.
  • SeeleFon: Hotlines unter 0180 950 951 (Telefonkosten bei Anrufen aus dem deutschen Festnetz entsprechend Ihres Telefonvertrags) und unter 0228 7100 2424 (dt. Festnetzgebühren) jeweils Mo bis Do 10.00–12.00 + 14.00– 20.00 Uhr, Fr 10.00–12.00 + 14.00–18.00 Uhr. Beratungstelefon der Familien-Selbsthilfe Psychiatrie, richtet sich an psychisch erkrankte Menschen und angehörige Personen/Familienmitglieder. Beraten wird durch selbsterfahrene Betroffene oder Angehörige.
  • Info-Telefon Depression: Hotline kostenfrei unter 0800 3344 533. Bietet krankheits- und behandlungsbezogene Informationen und Anlaufstellen im Versorgungssystem. Sprechzeiten sind Mo, Di, Do 13.00–17.00 Uhr, Mi, Fr 8.30–12.30 Uhr.

Adressen und weiterführenden Links4

  • Auf der Website Psychiatrienetz bietet der BApK-Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e. V. ein breites Informationsangebot und Hinweise auf Hilfen vor Ort, z. B. Selbsthilfegruppen.
  • NAKOS ist die Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen. Siehe auch NAKOS-Datenbanken zu Selbsthilfeadressen in Deutschland.
  • Der Dachverband Gemeindepsychiatrie e. V. bietet eine regionale Suche (Karte) zu Hilfen der Gemeindepsychiatrie (z. B. Beratung, Selbsthilfe, Behandlung, Arbeit).
  • Angehörigen von Menschen mit psychischen Erkrankungen steht z. B. auch die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) kostenfrei zu.
  • TheraPart ist die Online-Informationsplattform zur Patientenleitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen.
  • Portal psychenet.de ist ein Netzwerk in der Region Hamburg aus mehr als 100 wissenschaftlichen und medizinischen Einrichtungen, Beratungsstellen, Unternehmen sowie Betroffenen- und Angehörigenverbänden.

Blog

Podcast

  • Neben Dir Podcast für Angehörige mit Informationen und Anlaufstellen

Buchempfehlung

Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK e. V.). Wahnsinnig nah: Ein Buch für Familien und Freunde psychisch erkrankter Menschen. (2021), BALANCE Buch + Medien Verlag, ISBN: 978-3-86739-190-0

Informationen und Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche von psychisch kranken und/oder suchtbelasteten Eltern

Bei Kindern und Jugendlichen psychisch kranker Eltern kommt es sowohl darauf an, die ganze Familie möglichst viel zu unterstützen (z. B. in der Beziehung untereinander, Erziehungskompetenz von Eltern, bei Erhalt bzw. Aufbau eines sozialen Netzes), als auch möglichst viele Information und Aufklärung über die Erkrankung altersgerecht zu vermitteln.

Adressen und weiterführende Links4

Anonyme Hotlines für Kinder/Jugendliche und für Eltern bei Erziehungs- und Beziehungsproblemen

  • Kinder und Jugendtelefon Nummer gegen Kummer 116111 anonym und kostenlos vom Handy und Festnetz Mo bis Sa 14.00–20.00 Uhr
  • Elterntelefon Nummer gegen Kummer (0800) 1110550 anonym und Vertraulich, kostenlos in ganz Deutschland (auch vom Handy aus). Beratungszeiten: Mo bis Fr 9.00–11.00 Uhr, Di + Do 17.00–19.00 Uhr

Buchempfehlungen

  • Lenz & Wiegand-Grefe. Ratgeber Kinder psychisch kranker Eltern. Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher. 1. Auflage 2016. Hogrefe Verlag GmbH + Co. ISBN: 978-3-8017-2590-7
  • Wirbeleit P & Heidschötter U. Die Wunschperle. Vom Einfluss seelischer Erkrankungen aug Geschwisterkinder. Mit einem Begleitbuch für die Familie. Herausgeber: Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e. V. 1. Auflage 2018. BALANCE buch + medien verlag. ISBN 978-3-86739-921-0

Spezielle Beratungs- und Anlaufstellen bei Suchterkrankungen für betroffene und angehörige Personen

Zusätzlich zu den o. g. Beratungs- und Anlaufstellen gibt es noch weitere Möglichkeiten, sich speziell bei Suchterkrankungen Informationen und Unterstützung zu holen.

Telefon-Hotlines

  • Infotelefon zur Suchtvorbeugung: Tel. 0221 89 20 31 (Preis entsprechend der Preisliste des Telefonanbieters für Gespräche in das deutsche Festnetz) Mo bis Do 10.00–22.00 Uhr und Fr bis So 10.00–18.00 Uhr. Beantwortung von Fragen zur Suchtvorbeugung, persönliche Beratung bei Suchtproblemen mit dem Ziel, an geeignete lokale Hilfs- und Beratungsangebote zu vermitteln.
  • Sucht & Drogen Hotline: kostenpflichtig unter Tel. 01805 31 30 31, 0,20 €/Anruf aus dem deutschen Festnetz oder Mobilnetz. Mo bis So 0.00–24.00 Uhr. Tel. Drogennotrufeinrichtungen aus Berlin, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, München und Nürnberg haben sich zusammengeschlossen und bieten bundesweit telefonische Beratung in Sucht- und Drogenfragen für betroffene Personen und ihre Angehörigen an.
  • Glückspielsucht-Telefonberatung: kostenfrei unter Tel. 0800 1 37 27 00, Mo bis Do 10.00–22.00 Uhr und Fr bis So 10.00–18.00 Uhr

Adressen und weiterführende Links im Netz für erwachsene Angehörige

  • Das Blaue Kreuz unterstützt als Suchthilfeverband suchtgefährdete und suchtkranke Menschen sowie ihre Angehörigen.
  • Die Caritas und die Diakonie bieten ebenfalls Hilfe auf diesem Gebiet an. Auf der Website Suchtberatung im Internet können Sie online Fragen stellen. Oder Sie wenden sich an das Diakonie-Portal Hilfe bei Sucht.
  • Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. stellt ein Verzeichnis der Suchtberatungsstellen und Suchthilfeeinrichtungen zur Verfügung.
  • Der Fachverband Sucht e. V. ist ein bundesweit tätiger Verband, in dem Einrichtungen zur Behandlung, Versorgung und Beratung von Suchtkranken, zahlreiche Informationen für Betroffene und Angehörige.

Spezielle Unterstützung für Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien

Für Kinder und Jugendliche gibt es das Informations- und Beratungsportal KIDKIT – Hilfe bei Problemeltern – als Kooperationsprojekt der Drogenhilfe Köln e. V. und KOALA e. V.

Quellen

Literatur

  1. WHO-Regionalbüro für Europa. Faktenblatt-Psychische Gesundheit. Kopenhagen 2019. www.euro.who.int
  2. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Stand 2003. www.gbe-bund.de
  3. Neurologen und Psychiater im Netz - Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen. Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland. www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org
  4. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (DGPPN). Patientenleitlinie zur Behandlungsleitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen. AWMF-Registernummer: 038-020. S3, Stand 2018. www.dgppn.de

Autorinnen

  • Catrin Grimm, Ärztin in Weiterbildung Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Klingenberg a. M.
  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden

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