Fersensporn

Zusammenfassung

  • Definition:Rein deskriptive Diagnose für Traktionsosteophyt an Kalkaneus.
  • Häufigkeit:Plantarer Fersensporn häufiger als dorsaler. Insbesondere bei Plantarfasziitis sehr häufige Begleiterscheinung
  • Symptome:Plantare oder dorsale Fersenschmerzen in der Regel erst, wenn Fersensporn durch seine Größe benachbarte Strukturen affektiert.
  • Befunde:Ab kritischer Größe des Fersensporns lokaler Druckschmerz.
  • Diagnostik:Radiologischer Nachweis im seitlichen Röntgenbild vom Sprunggelenk.
  • Therapie:Konservative Therapie der auslösenden Ursache für den Fersensporn meist ausreichend. Umfasst u. a. Dehnung der dorsalen Beinmuskulatur und Plantarfaszie sowie Einlagen. Bei mechanischer Reizung benachbarter Strukturen operative Resektion.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Die Diagnose Fersensporn ist rein deskriptiv.
    • Ein Fersensporn muss nicht schmerzhaft sein und ist in der Regel als reaktiver Prozess auf eine andere Pathologie zurückzuführen.1
    • Bei zunehmender Größe kann der Fersensporn durch mechanische Reizung der umliegenden Strukturen einen eigenen Krankheitswert entwickeln.
  • Plantarer Fersensporn
    • knöcherne Ausziehung am plantaren, ventralen Kalkaneus
    • Traktionsosteophyt der plantaren Muskulatur bzw. Plantarfaszie, z. B. bei Plantarfasziitis2
  • Dorsaler Fersensporn

Häufigkeit

  • Ein plantarer Fersensporn ist deutlich häufiger als ein dorsaler Fersensporn.3
  • Plantarfasziitis wird in etwa 50 % der Fälle von plantarem Fersensporn begleitet.2

Ätiologie und Pathogenese

  • Der Fersensporn entsteht als reaktiver Prozess auf einen übermäßigen Muskel-/Sehnenzug am Kalkaneus und stellt einen sog. Traktionsosteophyt dar.1-2
  • Zur Pathogenese siehe Abschnitt Disponierende Faktoren.

Disponierende Faktoren

  • Alle Faktoren, die zu übermäßiger Traktion am Kalkaneus beitragen.
  • Die folgenden Angaben beziehen sich auf diese Referenz.4
  • Extrinsische Faktoren (mechanische Überlastung), u. a.:
    • Training auf hartem Untergrund mit schlecht gedämpftem Schuhwerk
    • intensive, lange Trainingseinheiten
    • Training in ansteigendem/abfallenden Gelände.
  • Intrinsische Faktoren (biomechanische Anomalitäten der unteren Extremität und systemische Faktoren), u. a.:
  • Zwei klassische Patientengruppen, die überproportional häufig von Insertionstendopathien an der Ferse und resultierenden Fersenspornen betroffen sind: 
    • ambitionierte (Ausdauer-)Sportler*innen
    • inaktive, meist übergewichtige Personen mit Begleiterkrankungen.

ICPC-2

  • L17 Fuß-/Zehensymptomatik/-beschwerden

ICD-10

  • M77.3 Calcaneussporn

Diagnostik

Diagnostische Überlegungen

  • Da der Fersensporn nur die reaktive Folge einer übermäßigen Zugbelastung am Kalkaneus ist, sollte zwingend die zugrunde liegende Pathologie eruiert werden.
    • Im Verlauf kann ein großer Fersensporn durch die mechanische Reizung auch Schmerzen verursachen.
    • Die initialen Schmerzen stammen aber fast immer von einer anderen Pathologie, sodass der Fersensporn nicht als ursächliche Diagnose für die Fersenschmerzen genannt werden sollte (häufige „Verlegenheitsdiagnose“).

Diagnostische Kriterien

  • Zuverlässige Diagnose im Röntgenbild3
    • seitliches Röntgenbild des Sprunggelenks für Nachweis von sowohl dorsalem als auch plantarem Fersensporn

Differenzialdiagnosen

  • Differenzialdiagnosen zum dorsalen Fersensporn4
    • Haglund-Exostose
    • posteriores OSG-Impingement
    • Fraktur des Processus posterior tali
    • Tendinopathie der umliegenden Sehnen (z. B. Flexor-hallucis-longus-Sehne)
    • Verletzung des dorsalen Kapsel-Band-Apparats
    • osteochondrale Läsionen des OSG und Subtalargelenkes
  • Differenzialdiagnosen zum plantaren Fersensporn5
    • Plantarfasziitis
    • Kalkaneusfraktur (Ermüdungsbruch)
    • Fibromatose der Plantarfaszie (M. Ledderhose)
    • Ruptur der Plantarfaszie
    • Nervenkompressionssyndrome (N. plantaris lateralis)

Anamnese

  • Plantare oder dorsale Fersenschmerzen
    • Genaue Lokalisation zeigen lassen.
  • Grunderkrankungen
  • Vorverletzungen und -operationen am Fuß und benachbarten Gelenken
  • Körperliche Aktivität
    • Beruf und Sport
    • Änderung der Intensität in letzter Zeit
  • Beginn und Verlauf der Symptomatik
  • Schmerzlindernde und -aggravierende Faktoren
  • Bisher durchgeführte Therapiemaßnahmen

Klinische Untersuchung

  • Empfehlungen zur klinischen Untersuchung gemäß folgender Referenz5
  • Palpation der Ferse zur genauen Lokalisierung der Beschwerden
  • Gangbild
  • Bein- und Rückfußachsen
  • Stellung der Füße
  • Sprunggelenksbeweglichkeit
    • Kann Aufschluss über eine larvierte Verkürzung der dorsalen Kette (Waden- und ischiocrurale Muskulatur) geben.

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Nur zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen
    • z. B. BSG bei V. a. rheumatische Erkrankungen

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Bildgebung in der Regel nur für differenzialdiagnostische Überlegungen
    • Röntgen: bei Verdacht auf Fraktur
    • Sonografie oder MRT: zur Darstellung der Weichteile

Indikationen zur Überweisung

  • Bei persistierenden Beschwerden trotz konservativer Therapie Überweisung an Orthopäd*in

Therapie

Therapieziel

  • Symptomfreiheit

Allgemeines zur Therapie

  • Es sollte immer nach der Ursache für den Fersensporn geforscht und eine zielgerichtete Therapie für diese Ursache eingeleitet werden.
  • Therapeutisch steht das konservative Vorgehen im Vordergrund.2
    • Ein Großteil der Fußschmerzen schlägt einen natürlichen Verlauf ein und verschwindet, wenn nicht von selbst, dann unter konservativen Maßnahmen.
  • Bei einem großen Fersensporn mit bereits nachgewiesener Arrosion benachbarter Strukturen, z. B. der Achillessehne, ist ein frühzeitiges operatives Vorgehen erforderlich.1

Konservative Behandlung

  • Abhängig von der Ursache sind folgende konservative Maßnahmen sinnvoll:2
    • Ausgleich von muskulären Dysbalancen/Verkürzungen der dorsalen Kette
      • Dehnübungen für ischiocrurale Muskulatur, Wadenmuskulatur sowie die Plantarfaszie
    • Physiotherapie
    • lokal physikalische Anwendungen (z. B. Elektrotherapie, Ultraschall, Stoßwelle)
    • niedrigdosierte Strahlentherapie (Röntgenreizbestrahlung) 6
      • in der Regel 4–6 Bestrahlungen mit jeweils 1 Gray
      • bei Patient*innen mit Plantarfasziitis und begleitendem plantarem Fersensporn wirksam
      • 3 Monate nach Behandlungsabschluss signifikante Verbesserung hinsichtlich der Lebensqualität, schmerzbedingter Einschränkungen in Beruf und Alltag sowie des Gangbildes
      • sicher und kostengünstig
    • manualtherapeutische Techniken
    • Einlagen
      • Beispiel: langsohlige Weichbettung mit Fersensporn-Aussparung
      • Cave: Oft begleitender Knick-Senk-Fuß, durch den noch mehr Druck auf den plantaren Fersensporn gerät; in diesem Fall Einlagen mit zusätzlicher Pronationsstütze.
    • Reduktion des lokalen Drucks mit angepasstem Schuhwerk4
  • Medikamentöse Schmerztherapie in der Akutphase
    • Topisch z. B. Diclofenac-Gel: 1–2 x tgl. schmerzenden Bereich eincremen.
    • systemisch z. B. Ibuprofen: 600 mg 1–0–1 für max. 4 Tage unter Beachtung der Kontraindikationen

Operative Behandlung

  • Bei großen, mechanisch irritierenden Fersenspornen operative Abtragung1,3
  • Zur Verhinderung erneuter Ossifikationen postoperativ medikamentöse Ossifikationsprophylaxe mit NSAR für 3 Wochen4

Prävention

  • Schnelle, zielgerichtete Therapie bei Fersenschmerzen, um die Entstehung eines Fersensporns zu verhindern.
  • Regelmäßige Dehnübungen der dorsalen Beinmuskulatur und Plantarfaszie, um die Spannung auf das Fersenbein gering zu halten.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Ohne Therapie der auslösenden Ursache Größenprogredienz des Fersensporns/Traktionsosteophyten

Komplikationen

  • Entstehung eines so großen Fersensporns, dass umgebende Strukturen (Bursae, Muskeln, Sehnen, Nerven) in Mitleidenschaft gezogen werden.

Prognose

  • Bei adäquater Therapie sehr gute Prognose
  • In der großen Mehrzahl der Fälle sind konservative Maßnahmen ausreichend.2

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • Der Fersensporn ist initial nur eine Begleiterscheinung und nicht die ursprüngliche Ursache der Fersenschmerzen.
  • Um dauerhafte Beschwerden und eine Größenprogredienz zu verhindern, ist eine konsequente Therapie der Ursache notwendig.

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Literatur

  1. Potocnik P, Hochreiter B, Harrasser N et al. Differenzialdiagnose des Fersenschmerzes. Orthopäde 2019; 48: 261-80. link.springer.com
  2. Harrasser N, Eichelberg K, Lenze F. Fußschmerzen: Was steckt dahinter? MMW-Fortschritte der Medizin 2020; 162: 45-47. link.springer.com
  3. Schuh A, Sesselmann S, Hönle W. Endet hier seine Marathon-Karriere?. MMW - Fortschritte der Medizin 2021; 163: 9. link.springer.com
  4. Calek AK, Toepfer A. 38/w – Belastungsabhängiger Fersenschmerz. Orthopäde 2021; 50: 120-124. link.springer.com
  5. Arbab D, Lüring C, Bouillon B. Differentialdiagnose plantarer Fersenschmerz. Fuß & Sprunggelenk 2022; 20(1): 2-10. www.sciencedirect.com
  6. Sipachova E. Dissertation FU Berlin. Das langfristige klinische Outcome der Strahlentherapie bei der Behandlung der Plantarfasziitis. 2022. refubium.fu-berlin.de

Autor

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Münster

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