Zusammenfassung
- Definition:Sammelbegriff für eine Reihe von Erkrankungen, die als gemeinsames Symptom eine Schiefstellung des Halses aufweisen.
- Häufigkeit:Etwa 4 von 1.000 Einwohnern sind betroffen.
- Symptome:Anomale Kopfstellung, die willentlich nicht korrigiert werden kann.
- Befunde:Evtl. Schmerzen und eingeschränkte Beweglichkeit bei Rotation und Lateralflexion.
- Diagnostik:Lediglich ein Symptom, dessen Ursache geklärt werden sollte.
- Therapie:Die Behandlung richtet sich nach der Ursache für den Torticollis und kann operativ, medikamentös, physiotherapeutisch oder auch durch Kombinationen erfolgen.
Allgemeine Informationen
Definition
- Schiefstellung des Halses als Symptom verschiedener zugrunde liegender Erkrankungen1
- Von lat. „tortus“ = gedreht und „collum“ = Hals
Häufigkeit
- Je nach Ursache des Schiefhalses ist das Erkrankungsalter sehr unterschiedlich.
- Kann grundsätzlich in jedem Lebensalter auftreten.
- Prävalenz in den USA etwa 4 auf 1.000 Einwohner2
- Frauen sind häufiger betroffen.
- Ein angeborener muskulärer Schiefhals tritt bei etwa 4 von 1.000 Neugeborenen auf.3
- 10–20 % der Schiefhälse entstehen posttraumatisch.1
Ätiologie und Pathogenese
- Es kann zwischen angeborenem und erworbenem Schiefhals unterschieden werden.
- Angeborener Schiefhals4
- Verletzung des M. sternocleidomastoideus während der Geburt
- meist bei Beckenendlage
- narbige Verkürzung des Muskels
- Lateralflexion zur kranken Seite, Kinnwendung zur gesunden Seite
- Verletzung des M. sternocleidomastoideus während der Geburt
- Erworbener Schiefhals
- mögliche Ursachen
- Traumata
- Infektionen
- Erkrankungen von knöchernen Strukturen
- muskuläre Dysbalancen
- Tumoren der hinteren Schädelgrube
- Sehfehler (u. a. Kompensation von Augenmuskellähmungen)
- psychogen
- rheumatische Erkrankungen
- Erkrankungen des ZNS, z. B. M. Parkinson oder Dystonie
- mögliche Ursachen
ICPC-2
- L83 Halswirbelsäulensyndrom
ICD-10
- M43.6 Torticollis
- F45.8 Sonstige somatoforme Störungen (Psychogener Tortikollis)
- P15.2 Verletzung des M. sternocleidomastoideus durch Geburtsverletzung
- Q68.0 Angeborene Deformitäten des M. sternocleidomastoideus, Torticollis congenitus (muscularis)
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Richtet sich nach der vermuteten Ursache.
Differenzialdiagnosen
- Angeboren
- Erworben
- Meningitis
- Hals-/Kopfverletzung
- Abszess im Kopf/Halsbereich
- Tumor
- lokale Lymphadenitis
- Siehe auch Abschnitt Ätiologie und Pathogenese.
Anamnese
- Erstmaliges Aufreten
- Familienanamnese
- Trauma?
- bei 10–20 % der Fälle ursächlich1
- Medikamente, insbesondere mit Wirkung auf Basalganglien?
- Vorerkrankungen
- rheumatische Erkrankungen
- psychische Erkrankungen
- neurologische Erkrankungen
- Sehstörungen?
- Repetitive Bewegungsmuster?
- Hinweis auf Dystonien
Klinische Untersuchung
- Eingeschränkte oder aufgehobenen Beweglichkeit der HWS bei Rotation und Lateralflexion
- Palpation des M. sternocleidomastoideus und des Nackens
- Kontrakturen?
- Vergrößerte Lymphknoten?
- Kraniofaziale Asymmetrien?
- Hinweis auf länger bestehende Fehlhaltung
- Grobe neurologische Untersuchung mit Gangbild und pDMS der Extremitäten
- Sonstige Muskelspasmen?
- Pharynx ansehen.
- Hinweis auf Entzündung oder Abszess?
Andere Untersuchungen
- Weitere Untersuchungen richten sich nach der Verdachtsdiagnose.
Indikationen zur Überweisung
- Unklare Ursache
- Verdacht auf zugrunde liegende Grunderkrankung, die von Spezialisten behandelt werden sollte.
Therapie
Therapieziele
- Schmerzen lindern.
- Beweglichkeit erhöhen.
Allgemeines zur Therapie
- Bei Kindern ist unbedingt festzustellen, ob es sich um eine akute, lebensbedrohliche Erkrankung handelt, die eine sofortige Behandlung erfordert.
- z. B. Tumoren oder Abszesse
- Bei muskulären Dysbalancen sind krankengymnastische Übungen und eine korrigierende Lagerung angezeigt.4
- in therapierefraktären Fällen operative Korrektur
- Bei Dystonie können L-Dopa, Botulinum-Toxin, Anticholinergika oder tiefe Hirnstimulation (THS) eingesetzt werden.
Medikamentöse Therapie
- Ggf. Schmerzmittel
- Abhängig von der vorliegenden Grunderkrankung
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Prognose
- Die Prognose ist abhängig von der Grunderkrankung.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patienten aufklären?
- Der (akute) Schiefhals durch muskuläre Dysbalancen ist harmlos und in der Regel selbstlimitierend.
- Der Schiefhals ist ein Symptom, dessen Ursachensuche aufwendig sein kann.
Illustrationen
Quellen
Literatur
- Kruer MC. Torticollis. Medscape, last updated Oct 22, 2018. emedicine.medscape.com
- Jankovic J, Tsui J, Bergeron C. Prevalence of cervical dystonia and spasmodic torticollis in the United States general population. Parkinsonism Relat Disord 2007; 13(7): 411-6. www.ncbi.nlm.nih.gov
- Canale ST, Daugherty K, Jones L. Campbell's Operative Orthopaedics. 9th edition. St. Louis: Mosby, 1998.
- Sitzmann FC. Pädiatrie. Duale Reihe. Stuttgart: Thieme, 2007.
Autoren
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
- Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
- Anne Söderlund, professor och leg sjukgymnast, Akademin för hälsa, vård och välfärd, Mälardalens högskola, Västerås (Medibas)