Zusammenfassung
- Definition:Avaskuläre Osteonekrose der Patellaspitze am Ursprung der Patellarsehne.
- Häufigkeit:Häufige Ursache für Knieschmerzen bei Kindern im Wachstum, die sportlich aktiv sind.
- Symptome:Belastungsabhängige Knieschmerzen im Bereich der Patella.
- Befunde:Druckschmerzhafter distaler Patellapol.
- Diagnostik:Klinische Diagnose; ggf. Bildgebung (Sono, Röntgen, MRT).
- Therapie:Symptomatische konservative Therapie mit Verzicht auf schmerzauslösende Aktivitäten.
Allgemeine Informationen
Definition
- Synonym: Morbus Sinding-Larsen-Johansson
- Avaskuläre Osteonekrose der Patellaspitze am Ursprung der Patellarsehne1
- Tritt bei Kindern und Jugendlichen auf, die noch nicht ausgewachsen sind.
- Die Krankheit wurde 1921 und 1922 unabhängig voneinander von den Ärzten Sinding-Larsen und Johansson beschrieben.
Häufigkeit
- Häufige Ursache für Knieschmerzen bei sportlich aktiven Kindern in der Wachstumsphase2
- Auftreten meist mit Beginn der Pubertät
Ätiologie und Pathogenese
- Der distale Patellapol ist repetitiven Zugbelastungen durch die Patellarsehne ausgesetzt, vor allem bei sportlichen Aktivitäten.1
- dadurch repetitive Mikrotraumata mit konsekutiver Inflammation
Begünstigende Faktoren
- Hohes körperliches Aktivitätsniveau
- Verkürzte ischiocrurale Muskulatur2
ICPC-2
- L15 Kniesymptomatik/-beschwerden
- L87 Bursitis/Tendinitis/Synovitis NNB
ICD-10
- M92.4 Juvenile Osteochondrose der Patella
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Klinische Diagnose
- Druckschmerz an der Patellaspitze bei sportlich aktiven Kindern
Differenzialdiagnosen
- Morbus Osgood-Schlatter
- Verletzungen der Patellarsehne
- Fraktur
- Cave: Bei Begleitsymptomen wie Malaise, Fieber, Gewichtsverlust oder Anämie sollte an eine Systemerkrankung gedacht werden!3
Anamnese
- Typisches Alter von 10–14 Jahren
- Sportanamnese (hohe Sprungbelastung?)
- Auftreten der Knieschmerzen in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Ausübung der Sportart1
- In Ruhe nehmen die Schmerzen ab.
- In der Regel kein Trauma in der Vorgeschichte2
Klinische Untersuchung
- Druckschmerz an der distalen Patellaspitze
Diagnostik bei Spezialist*innen
- Bildgebung bei Unsicherheiten bezüglich der Diagnose bzw. zum Ausschluss anderer Erkrankungen
Röntgen
- Kalkdichte, schollige Veränderungen am distalen Patellapol1
Sonografie
- Signalalterationen des tendinoossären Überganges im Ultraschall 4
MRT
- Sehr sensitiv
- Umschriebene Signalverstärkungen, Umgebungsödem oder Fragmentierungen des distalen Patellapols4
Indikation zur Überweisung
- Bei ausbleibender Wirkung einer konservativen Behandlung
Checkliste zur Überweisung
Morbus Sinding-Larsen
- Zweck der Überweisung
- Diagnostik? Konservative Behandlung (orthopädische Hilfsmittel)? Operation?
- Anamnese
- Beginn? Entwicklung/Progression? Sportliche Aktivität?
- Belastungsschmerz? Ruheschmerz? Funktionseinschränkung?
- Welche Behandlung wurde bereits versucht?
- Andere relevante Krankheiten?
- Klinische Untersuchung
- Kniestatus
- Gewicht und Körpergröße. Eine Perzentilenkurve ist äußerst empfehlenswert.
- Ergänzende Untersuchungen
- evtl. Ergebnis der Röntgenuntersuchung
Therapie
Therapieziel
- Symptomlinderung
Allgemeines zur Therapie
- Konservative symptomatische Therapie
- Die Erkrankung ist selbstlimitierend.5
- Unterstützend kann Physiotherapie erfolgen.
Empfehlungen für Patient*innen
- Ruhe und Entlastung in Bezug auf Aktivitäten, die Schmerzen verursachen.
- Bei akuten Schmerzen Kühlung
- Physiotherapeutische Übungen zur Kräftigung und auch Dehnung der vorderen und hinteren Oberschenkelmuskulatur
Medikamentöse Therapie
- Lokal und systemisch antiphlogistische Maßnahmen, je nach Intensität der Symptome1
- z. B. NSAR
Physiotherapie
- Es sollte ein Trainingsprogramm mit folgenden Elementen geplant werden:6
- Kräftigungsübungen für die Oberschenkelmuskulatur
- Dehnübungen zur Verbesserung der Flexibilität der Quadrizeps- und Hamstring-Muskulatur
- regelmäßige Kühlung mit Eis
- Verzicht auf schmerzhafte Übungen bzw. Aktivitäten
Operative Therapie
- In seltenen Fällen kann ein Débridement der Patellasehne erforderlich werden, wenn die Patient*innen auf eine konservative Behandlung nicht ansprechen.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
- Selbstlimitierende Erkrankung, bei der die Aktivität dem Grad der Beschwerden angepasst werden sollte.
- Typischerweise kommt es radiologisch zu Kondensations- und Sklerosierungsphänomenen, im weiteren Verlauf zu Fragmentierungen und am Ende des Prozesses zu einer Ausheilung mit nachfolgend vollständiger Wiederherstellung der Belastbarkeit.1
- So gut wie nie ist eine chirurgische Intervention notwendig.
Patienteninformation
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Leitlinie
- Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ). Muskuloskelettale Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen – Ein Algorithmus zur differenzialdiagnostischen Abklärung eines häufigen Leitsymptoms in der Kinder- und Jugendmedizin. AWMF-Leitlinie Nr. 027-073. S2k, Stand 2020. www.awmf.org
Literatur
- Wirth T. Juvenile Osteochondrosen und Osteonekrosen. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2018; 13(1): 67-78. www.thieme-connect.com
- López-Alameda S, Alonso-Benavente A, López-Ruiz de Salazar A, et al. Sinding-Larsen-Johansson disease: Analysis of the associated factors. Revista Española de Cirugía Ortopédica y Traumatología 2012; 56(5): 354-60. www.sciencedirect.com
- Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ). Muskuloskelettale Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen – Ein Algorithmus zur differenzialdiagnostischen Abklärung eines häufigen Leitsymptoms in der Kinder- und Jugendmedizin. AWMF-Leitlinie Nr. 027-073. S2k, Stand 2020. www.awmf.org
- Neubauer M, Nehrer S. Apophysenschäden im Sport. Der Orthopäde 2021. link.springer.com
- Atanda A, Shah SA, O'Brien K. Osteochondrosis: Common causes of pain in growing bones. Am Fam Physician 2011; 83: 285-91. American Family Physician
- Duri ZA, Patel DV, Aichroth PM. The immature athlete. Clin Sports Med 2002; 21: 461-82. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).