Mundpflege

Die allermeisten Patient*innen mit einer unheilbaren Erkrankung und geringer Lebenserwartung leiden unter Beschwerden im Mundbereich. Am häufigsten liegt eine belastende Mundtrockenheit vor, die oft unterschätzt und vernachlässigt wird.

Beschwerden im Mundbereich 

Symptome

  • Mundtrockenheit (Xerostomie)
  • Vermehrter Speichelfluss (Hypersalivation oder auch Sialorrhö) oder verminderter Speichelfluss (Hyposalivation)
  • Schmerzen in der Mundhöhle
  • Geschmacksstörungen
  • Mundgeruch
  • Sprachstörungen
  • Schluckbeschwerden
  • Infektionen und Entzündungen (Stomatitis)
    • Am häufigsten ist eine Pilzinfektion mit Candida albicans.

Ursachen

Viele Palliativpatient*innen leiden an einer Mundtrockenheit oder an anderen Problemen im Mundbereich. Besonders bei Blutkrebs und bestimmten Krebsbehandlungen treten Nebenwirkungen im Mund auf (Chemo- und Strahlentherapie, Opioide, Steroide, Bisphosphonate und andere Medikamente). Andere Faktoren, die die Mundgesundheit beeinträchtigen sind:

  • Unzureichende Flüssigkeitsaufnahme (z. B. zu wenig getrunken)
  • Vermindertes Kauen
  • Abwehrschwäche
  • Veränderte Zusammensetzung der Mundflora, also den Bakterien im Mund
  • Atmung durch den Mund statt durch die Nase
  • Angst und Depression

Untersuchungen

  • Bei Infektionen kann die Entnahme einer mikrobiologischen Probe (Schleimhautabstrich) in Betracht gezogen werden.

Vorbeugung

  • Wenden Sie Produkte aus einem Mundpflege-Set an. Es enthält Produkte, die zu einer guten Mundgesundheit beitragen:
    • eine weiche Zahnbürste
    • Zahnpasta mit mildem Wirkstoff (Tensid)
    • Lutschtabletten mit Xylitol und Fluor
    • Speichelersatzgel für die Mundschleimhaut
    • zuckerfreier Kaugummi
    • Lippenbalsam.
  • Ausreichend Trinken
    • Wasser ist die 1. Wahl.
    • Besonders mineralstoffreiche Getränke werden empfehlen.
    • Vermeiden Sie zuckerhaltigen Getränke.
    • Das Lutschen von Eiswürfeln lindert die Beschwerden und regt die Speichelproduktion an.
  • Empfohlen werden auch Crushed Ice, gefrorene Fruchtstückchen, saure Bonbons und Kaugummi.
  • Spülen Sie Ihren Mund regelmäßig mit lauwarmem Salzwasser.
    • 1 Esslöffel Speisesalz auf 1 Liter Wasser

Behandlung von Beschwerden

Mundtrockenheit

  • Befeuchten Sie Ihre Mundschleimhaut regelmäßig.
    • Hierfür gibt es geeigneten Schaumstoff, Watteträger oder pflaumenförmige Gazetupfer.
      • Von vielen Betroffenen werden gekühlte/gefrorene Getränke, Obststücke (Ananas) oder Speiseeis bevorzugt.
      • Alle Flüssigkeiten sind geeignet, u.a. Wasser, säuerliche Tees, Bier und Wein.
  • Alternativ können Sie zuckerfreie Kaugummis oder saure Bonbons ausprobieren.
  • Nutzen Sie eine weiche Zahnbürste, um Verletzungen und Blutungen der Schleimhäute zu verhindern.
  • Verwenden Sie Mundspüllösungen und Zahnpasta ohne Tenside.
    • Tenside (z. B. Natriumlaurylsulfat) schädigen die Mundschleimhaut.
  • Trinken Sie ausreichend.
  • Essen Sie Speisen mit weicher Konsistenz.
  • Vermeiden Sie zuckerreiche Mahlzeiten, und ziehen Sie stattdessen künstliche Süßungsmittel vor.
  • Vermeiden Sie auch Alkohol, Tabak und gewürzte Speisen.
  • In der Apotheke werden Speichelersatzmittel angeboten.
    • als Spray 4 x täglich und nach Bedarf
    • Die Wirkung ist von kurzer Dauer.
  • Bei einer medikamentösen Behandlung wird Pilocarpin eingesetzt.
    • Pilocarpin regt die Speichelproduktion an.
    • Pilocarpin wird z. B. nach Strahlentherapie im Mundbereich empfohlen.
    • Die Wirkung hält nur über einige Stunden an, und es kann Wochen oder Monate dauern, bis die maximale Wirkung erreicht wird.

Vermehrter Speichelfluss (Sialorrhö)

  • Botoxinjektion in die Ohr- oder Unterkieferspeicheldrüse
    • Die Speichelmenge wird langanhaltend reduziert.
  • Scopalamin
    • Arzneimittel, das über ein Pflaster oder als wässrige Lösung verabreicht wird.
    • Das Medikament ist eigentlich nur für die Vorbeugung von Reisekrankheit zugelassen und nicht für Sialorrhö. Es handelt sich also um einen sog. Off-Label-Use.
  • Andere Medikamente, die manchmal eingesetzt werden, sind Glycopyrroniumbromid, Atropin, Ipratropiumbromid-Spray und Psychopharmaka.
    • Auch diese Arzneimittel sind eigentlich für andere Erkrankungen zugelassen und nicht explizit für die Sialorrhö.
  • Strahlentherapie der Speicheldrüsen
    • Nur wenn die anderen Behandlungsoptionen nicht zum Erfolg führen.

Infektionen

  • Bei Pilzinfektionen werden Antipilzmittel eingesetzt, z. B. Amphotericin B oder Nystatin.
  • Bei bakteriellen und viralen Infektionen evtl. Antibiotika oder antivirale Medikamente
    • Zusätzlich kann eine Chlorhexidin-Lösung verdünnt mit Wasser sinnvoll sein.
    • Bei einer Herpesinfektion wird Aciclovir oder Valaciclovir empfohlen.

Schmerzen im Mund

  • Schmerzen im Mund können mit Medikamenten behandelt werden:
    • Lidocain-Mundspüllösung oder Lidocain-Mundgel
    • Triamcinolon-Mundsalbe bei schmerzhaften Aphthen (Bläschen, Wunden)
    • Ibuprofen oder Diclofenac bei schmerzhaften Veränderungen infolge einer Entzündung

Weitere Informationen

Autorinnen

  • Hannah Brand, Dr. med., Ärztin, Berlin
  • Marie-Christine Fritzsche, Ärztin, Freiburg

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Orale Beschwerden, palliative Behandlung. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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  3. Stiel S, Matthes ME, Bertram L et al. Validierung der neuen Fassung des Minimalen Dokumentations-systems (MIDOS2) für Patienten in der Palliativmedizin. Deutsche Version der Edmonton Symptom Assessment Scale (ESAS). Schmerz. 2010 Dec;24(6):596-604. PMID: 20882300 PubMed
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  6. Amerongen AVN, Veerman EC. Current therapies for xerostomia and salivary gland hypofunction associated with cancer therapies. Support Care Cancer 2003; 11: 226-31. PubMed
  7. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Hypersalivation. AWMF-Leitlinie Nr. 017-075, S2k, Stand 2018. www.awmf.org
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  10. Bannert C. Morphin HCl 0,2% bei sehr starken Schmerzen. Mucositis.de. Download am 01.07.2020. www.mucositis.de
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