Mundbeschwerden in der Palliativmedizin

In der Palliativmedizin geht es darum, die Beschwerden von Patient*innen, die keine Aussicht mehr auf Heilung ihrer Krankheit haben, möglichst wirksam zu lindern. Vor allem bei Patient*innen mit Krebs sind verschiedene Veränderungen im Bereich der Mundhöhle sehr störend und belastend. Durch vorbeugende Maßnahmen oder eine adäquate Therapie können diese verhindert werden.

Mundbeschwerden

In der Palliativmedizin treten Mundbeschwerden häufig auf. Studien zeigen, dass bis zu 80 % aller Palliativpatient*innen unter Mundtrockenheit leiden. 30–50 % der Patient*innen berichten außerdem über andere Probleme im Bereich der Lippen und der Mundhöhle: Schmerzen in der Mundhöhle, Veränderungen des Geschmackssinns und schlechter Atem. Häufig sind die Schleimhäute wund und empfindlich, wodurch es leicht zu Infektionen durch Pilze, Viren oder Bakterien kommen kann. Seltener als ein sehr trockener Mund ist eine verstärkte Speichelproduktion (Hypersalivation), die ebenfalls sehr lästig sein kann. All diese Beschwerden führen möglicherweise außerdem zu Schmerzen und Schwierigkeiten beim Essen und Schlucken.

Beschwerden in der Mundhöhle bewirken, dass Krebspatient*innen zusätzlich zu ihren sonstigen Beschwerden leiden und in ihrer Lebensqualität erheblich eingeschränkt sind. Durch vorbeugende Maßnahmen oder eine adäquate Therapie kann dies jedoch verhindert werden. Das ist vor allem auch in Spätstadien der Erkrankung wichtig, also bei Patient*innen, die nicht mehr geheilt werden können und bei denen nun die Linderung von Schmerzen und Beschwerden ganz im Vordergrund steht (Palliativmedizin).

Ursachen

Einige Krebsarten und Behandlungsformen verursachen mehr Beschwerden in der Mundhöhle als andere. Nach der Bestrahlung von Tumoren in der Hals-/Kopfregion, bei der die Mundhöhle der Bestrahlung ausgesetzt ist, leiden alle Patient*innen an akuten und späten Beschwerden in der Mundhöhle. Das Gleiche gilt bei einer sehr intensiven Therapie, wie sie bei verschiedenen Blutkrebserkrankungen erfolgt. Viele Chemotherapien, die bei den verschiedenen Krebsarten eingesetzt werden, können ebenfalls zu erheblichen Beschwerden in der Mundhöhle führen.

Auch verschiedene andere Medikamente können als Nebenwirkung Mundtrockenheit oder andere Beschwerden in der Mundhöhle verursachen und damit die durch die Krebstherapie verursachten Symptome noch verstärken. Dazu gehören unter anderem Schmerzmittel, Medikamente gegen Knochenschwund sowie kortisonhaltige Präparate. Viele dieser Wirkstoffe kommen bei Patient*innen mit Krebs häufig zum Einsatz.

Andere Faktoren, die das Risiko für Mundhöhlenerkrankungen erhöhen, sind allgemeine Austrocknung, eingeschränkte Fähigkeit zu kauen, eine geschwächte Immunabwehr, eine Veränderung in der Bakterienzusammensetzung der Mundhöhle, Atmung durch den Mund statt durch die Nase sowie Angst und Depression.

Diagnostik

Die Symptome und Beschwerden sind recht eindeutig bzw. lassen sich durch eine sorgfältige Untersuchung der Mundhöhle schnell erkennen. Wichtig ist aber, die Ursachen für die Mundbeschwerden aufzudecken. In der ärztlichen Untersuchung wird geklärt, ob andere Erkrankungen vorliegen als bloße Mundtrockenheit. Bei Verdacht auf eine Infektion werden mikrobiologische Proben der Mundhöhle entnommen. Pilzinfektionen kann man häufig aufgrund ihres typischen Aussehens nachweisen. Außerdem werden die Betroffenen nach Anzeichen untersucht, die zu Mundtrockenheit beitragen können. Eine akute und schmerzhafte Entzündung der Schleimhaut in der Mundhöhle, ohne dass eine Pilz-, Virus- oder Bakterieninfektion vorliegt, ist eine typische Nebenwirkung der Chemotherapie. Diese Erkrankung wird Mukositis genannt und kann starke Schmerzen und Probleme beim Schlucken bereiten.

Therapie

Allgemeines

Nach Möglichkeit sollte zunächst versucht werden, die auslösenden Ursachen zu beheben. Eine gute Zahn- und Mundhygiene ist wichtig. Wenn eine Behandlung geplant ist, die zu Schädigungen der Mundhöhle führen könnte, sollte zusätzlich eine zahnärztliche Betreuung vorgesehen werden.

Wird noch etwas Speichel produziert, kann diese Menge durch Medikamente erhöht werden, die die Speicheldrüsen aktivieren. Wird kein Speichel mehr produziert, ist innerhalb weniger Monate mit der Entwicklung von Karies zu rechnen.

Mundtrockenheit kann über verschiedene Maßnahmen behandelt und gelindert werden. Bei Patient*innen mit klarem Bewusstsein wird zuckerfreier Kaugummi empfohlen, da er die Speichelproduktion anregt.

Auch das Lutschen von Eiswürfeln, Crushed Ice oder sauren Bonbons lindert die Beschwerden und regt die Speichelproduktion an. Gekühlte oder gefrorene Getränke, Obststücke (Ananas) oder Speiseeis sind ebenfalls gut geeignet.

Lutschtabletten können verwendet werden, um die Speichelproduktion anzuregen. Außerdem wird dazu geraten, eine weiche Zahnbürste und Zahncreme mit einem milden Wirkstoff zu verwenden; eine Zahncreme oder Zahnspülung mit Natriumlaurylsulfat sollte vermieden werden.

Es wird empfohlen, nach Möglichkeit viel zu trinken. Neben Wasser sind auch Mineralwasser oder Sportgetränke wichtig, um dem Körper ausreichend Mineralstoffe zuzuführen. Gesüßte Getränke werden nicht empfohlen. Die Nahrung sollte weich sein, trockene und stark gewürzte Speisen sollten vermieden werden.

Patient*innen, die zu schwach sind, selbst Kaugummi zu kauen und Bonbons zu lutschen, finden es meist angenehm, wenn ihre Mundhöhle regelmäßig angefeuchtet wird. Dabei kann auf einem Tupfer Flüssigkeit mit einem für die Patient*innen angenehmen Geschmack im Mund verteilt werden. Regelmäßige Spülungen mit lauwarmem, leicht gesalzenem Wasser helfen ebenfalls.

Bei vermehrter Speichelbildung gibt es verschiedene Therapieoptionen, die aber zum Teil Nebenwirkungen haben. Eine Dauertherapie wird nach Möglichkeit vermieden.

Behandlung von Infektionen

Pilzinfektionen in der Mundhöhle sind unangenehm und kommen häufig vor. Der Pilz gedeiht gut, wenn das Immunsystem aufgrund der Behandlung oder der Krankheit selbst geschwächt ist. Pilzinfektionen in der Mundhöhle werden am besten mit Antimyotika in Tablettenform behandelt.

Bei Bakterien- oder Virusinfektionen entscheidet das Ergebnis der mikrobiologischen Tests darüber, welches Medikament gegen den Erreger eventuell eingesetzt werden kann.

Die spezielle Schleimhautentzündung (Mukositis), die durch eine Chemotherapie verursacht wird und nicht durch Bakterien oder Pilze, macht meist schmerzlindernde Maßnahmen erforderlich. Hier sind lokal betäubende Gele oder schmerzstillende Mixturen sinnvoll, die man auf die Schleimhaut aufträgt, ggf. auch Morphin in Spray- oder Tablettenform. Einige Patient*innen haben so starke Beschwerden, dass eine Einweisung ins Krankenhaus für einen gewissen Zeitraum erforderlich ist, damit Nährstoffe und Flüssigkeit als Infusion verabreicht werden können.

Mundpflegeset

Es gibt Mundpflegesets sowohl zur Vorbeugung von Beschwerden als auch als Hilfsmittel bei der Behandlung. Solche Sets enthalten eine weiche Zahnbürste, Zahncreme mit einem milden Wirkstoff, Lutschtabletten, ein Gel für die Mundhöhle, zuckerfreien Kaugummi und einen Lippenbalsam.

Weitere Informationen finden Sie im Artikel Mundpflege.

Weitere Informationen

Palliative Behandlung bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen

Quellen

Literatur

  1. Leitlinie. Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. AWMF 2019 www.awmf.org

Autor*innen

  • Markus Plank, MSc BSc, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, Wien
  • Susanne Meinrenken, Dr. med., Bremen
  • Marie-Christine Fritzsche, Ärztin, Freiburg

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit

Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Orale Beschwerden, palliative Behandlung. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

  1. Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin. Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. AWMF-Leitlinie Nr. 128-001OL. S3, Stand 2019. www.awmf.org
  2. Deutsche Krebsgesellschaft. Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen - interdisziplinäre Querschnittsleitlinie. AWMF-Leitlinie Nr. 032-054. S3, Stand 2016. www.awmf.org
  3. Stiel S, Matthes ME, Bertram L et al. Validierung der neuen Fassung des Minimalen Dokumentations-systems (MIDOS2) für Patienten in der Palliativmedizin. Deutsche Version der Edmonton Symptom Assessment Scale (ESAS). Schmerz. 2010 Dec;24(6):596-604. PMID: 20882300 PubMed
  4. Davies, A.N., A comparison of artificial saliva and chewing gum in the management of xerostomia in patients with advanced cancer. Palliat Med 2000; 14(3): 197-203. PMID: 10858827 PubMed
  5. Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Mundhöhlenkarzinom, Diagnostik und Therapie. AWMF- Leitlinie Nr. 007-100OL, Klasse S3, Stand 2012 (abgelaufen) www.awmf.org
  6. Amerongen AVN, Veerman EC. Current therapies for xerostomia and salivary gland hypofunction associated with cancer therapies. Support Care Cancer 2003; 11: 226-31. PubMed
  7. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Hypersalivation. AWMF-Leitlinie Nr. 017-075, S2k, Stand 2018. www.awmf.org
  8. Steffen A, Hasselbacher K, Heinrichs S, Wollenberg B. Botulinum toxin for salivary disorders in the treatment of head and neck cancer. Anticancer Res 2014; 34(11): 6627-32. PMID: 25368267 PubMed
  9. Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG), Deutschsprachige Mykologische Gesellschaft (DMykG). Diagnostik und Therapien von Candida-Infektionen. AWMF-Leitlinie Nr. 082-005. S1, Stand 2020. www.awmf.org
  10. Bannert C. Morphin HCl 0,2% bei sehr starken Schmerzen. Mucositis.de. Download am 01.07.2020. www.mucositis.de
  11. Clarkson JE, Worthington HV, Furness S, McCabe M, Khalid T, Meyer S. Interventions for treating oral mucositis for patients with cancer receiving treatment. Cochrane Database of Systematic Reviews 2010, Issue 8. Art. No.: CD001973. DOI: 10.1002/14651858.CD001973.pub4 DOI