Angstbehandlung in der Palliativmedizin

Patient*innen mit weit fortgeschrittener Erkrankung können unter verschiedenen psychischen Problemen leiden. Die häufigsten sind Depression, Angstzustände und Delir.

Was ist Palliativmedizin?

Die Palliativmedizin umfasst die Behandlung sowie die Erforschung und Kompetenzentwicklung unheilbarer und lebensbedrohlicher Krankheiten. Dies gilt vor allem für an Krebs erkrankte Patient*innen. Entsprechende Behandlungsprinzipien gelten aber auch in anderen Fällen, wie beispielsweise bei Vorliegen einer fortgeschrittenen neurodegenerativen Erkrankung sowie schweren Herz- und Lungenkrankheiten. 

Angst bei fortgeschrittener Erkrankung

Menschen, die an Krebs oder einer anderen schweren Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium leiden, können unter verschiedenen psychischen Problemen leiden. Zu den häufigsten psychischen Leiden dieser Patient*innen zählen Depression, Angst und Verwirrtheit, wie etwa bei Delir.

Angststörungen sind eine Gruppe von Erkrankungen, die von Unruhe und Angst geprägt sind. Man unterscheidet z. B. kurze, intensive Anfälle wie bei Panikattacken und anhaltende Beschwerden mit wechselndem Charakter bei einer generalisierten Angststörung. Jedoch erreicht die Angst, die schwere Erkrankungen begleitet, häufig nicht das Ausmaß einer Angststörung.

Häufigkeit

Psychische Erkrankungen treten bei schwer kranken Menschen etwas häufiger auf als in der allgemeinen Bevölkerung. Die Häufigkeit der jeweiligen psychischen Erkrankung hängt dabei vom Krankheitsstadium ab. Angst und Depression dominieren in der frühen Phase schwerer Krankheit. Sie können sich unter anderem als körperliche Symptome mit starken Schmerzen, Unwohlsein und Atembeschwerden manifestieren. In der letzten Krankheitsphase treten häufiger psychotische Symptome und Delir auf.

Ursachen

Hauptursache der Angst ist häufig die Konfrontation mit der Unheilbarkeit der Erkrankung und dem möglicherweise bald bevorstehenden Tod. Dazu können soziale, familiäre, wirtschaftliche, spirituelle und existenzielle Probleme und Sorgen kommen. Erfahrungen von Hilflosigkeit und Einsamkeit können die Angst weiter verstärken.

Schädigungen des Gehirns, z. B. durch einen Tumor oder Bestrahlung, Stoffwechselstörungen und Atemnot können Angstsymptome verursachen. Auch einige Medikamente können als Nebenwirkung Angstsymptome hervorrufen.

Diagnostik

Die Diagnose basiert in erster Linie auf Gesprächen zwischen Behandelnden und Patient*innen. Auch die Angehörigen sollten einbezogen werden. Dabei soll zwischen normalen psychischen Reaktionen und psychischen Erkrankungen, die eine spezifische Therapie erfordern, unterscheiden werden. Eine evtl. gleichzeitig vorliegende Depression sollte ebenfalls erfasst werden. Zudem können die zugrunde liegende fortgeschrittene Krankheit oder Nebenwirkungen von Medikamenten einige der psychischen Symptome verursachen.

Symptome und Anzeichen von Angst

Häufige Angstsymptome sind Ängstlichkeit, innere Unruhe, Unfähigkeit sich zu entspannen, Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Atemnot, Schwitzen und Herzklopfen.

Bei Kindern kann sich Angst als Anhänglichkeit, Angst vor der Trennung von nahestehenden Familienmitgliedern oder allgemeine Unruhe zeigen.

Therapie

Ziel der Therapie ist es, die Angst und Angespanntheit der Patient*innen zu lindern. 

Angststörungen und andere psychische Störungen sollten behandelt werden. Wenn die Angstsymptome durch Begleiterkrankungen verursacht werden, steht deren Behandlung im Vordergrund.

Die Patient*innen sollten in Entscheidungen bezüglich der Therapie einbezogen werden. Gemeinsam sollten realistische Ziele erarbeitet werden. Bei Kindern sollte die Therapie immer in Zusammenarbeit mit einer Spezialabteilung erfolgen.

Nichtmedikamentöse Therapie

Zielgerichtete Gespräche und individuelle psychologische Betreuung bilden die Grundlage der nichtmedikamentösen Therapie und Prävention von psychischen Beschwerden. Ärzt*innen sollten die Patient*innen in Angstsituationen unterstützen und ihnen konkrete Informationen geben. Es ist ganz natürlich, dass Betroffene emotionale Reaktionen zeigen. Sorgen und Probleme können im Gespräch geklärt werden. 

Eine ruhige Umgebung und die Stimme oder Berührungen von vertrauten Menschen können bereits zur Beruhigung beitragen.

Verschiedene Verfahren können unterstützend angewandt werden, z. B. Körperübungen, Entspannungsmethoden, Akupunktur, Hypnotherapie, Kunst- und Musiktherapie, Meditation, Yoga und Achtsamkeitsübungen, Aromatherapie, basale Stimulation, Waschungen und Einreibungen.

Medikamentöse Therapie

Wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, um die Angst zu lindern, können Medikamente verschrieben werden.

Aus medizinischer Sicht besteht das Risiko, dass Patient*innen von Beruhigungsmitteln abhängig werden könnten. Dies spielt bei Personen mit einer kurzen Lebenserwartung jedoch keine Rolle. Daher werden in der Regel Benzodiazepine eingesetzt. Diese können auch als Zäpfchen, Pflaster oder Schmelztabletten verabreicht werden. Damit eine beruhigende und symptomlindernde Wirkung eintreten kann, muss die Dosis mit der Zeit häufig erhöht werden, in manchen Fällen auf ein Vielfaches der Anfangsdosis.

Bei ausgeprägter Angst

Bei ausgeprägter Angst kann Midazolam als Dauerinfusion unter die Haut verabreicht werden. Diese Therapie wird in erster Linie bei Patient*innen mit schweren Angstzuständen während der letzten Lebenswochen eingesetzt. Angst und Unruhe sollen gelindert werden, was zu einer Bewusstseinseintrübung führen kann. Es sollte jedoch nicht zu einem Bewusstseinsverlust kommen. Die Therapie erfolgt unter sorgfältiger Überwachung von Pflegepersonal und Ärzt*innen.

Weitere Medikamente

Auch bestimmte Antidepressiva (z. B. SSRI oder SNRI) können zur Behandlung von Angststörungen bei Palliativpatient*innen eingesetzt werden. Um Rückfälle zu vermeiden, sollte die Therapie über 4–9 Monate fortgeführt werden.

Weitere Informationen

Autor*innen

  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden
  • Marie-Christine Fritzsche, Ärztin, Freiburg

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Angst, palliative Behandlung. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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  2. Deutsche Krebsgesellschaft (DKG). S3-Leitlinie Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten. AWMF-Leitlinie Nr. 032-051OL, Stand 2014 (abgelaufen). www.awmf.org
  3. Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM). Behandlung von Angststörungen. AWMF-Leitlinie Nr. 051-028. S3, Stand 2021. www.awmf.org
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