Akute Bauchschmerzen bei Kindern

Red Flags und abwendbar gefährliche Verläufe1-2

Red Flags

Abwendbar gefährlicher Verlauf

Kollaps, Schock, Arrhythmie, Zyanose

z. B. Perforation eines Hohlorgans, Lungenembolie

Fieber > 38,5 °C

Appendizitis, Cholezystitis, Cholangitis, Adnexitis, Endometritis

Starke Schmerzen

Gallenkolik, Nierenkolik, Perforation eines Hohlorgans, Pankreatitis

Abwehrspannung

Peritonitis, z. B. perforierte Appendizitis, perforiertes Magenulkus

Schmerzen lokalisiert, schnell zunehmend, plötzlicher Beginn, nächtlich

Invagination, Volvulus, Cholezystitis, Ovarialtorsion, Adnexitis, Endometritis, Pyelonephritis, inkarzerierte Hernie

Erbrechen mit Blutbeimengung oder Kaffeesatz

obere gastrointestinale Blutung

Rektale Blutung, Blut im Stuhl, Teerstuhl

Hämatemesis und Meläna

Divertikelblutung, Meckel-Divertikel, akuter Schub von M. Crohn/Colitis ulcerosaobere gastrointestinale Blutung

Starke Hodenschmerzen

Hodentorsion

Bauchtrauma in den letzten 2 Wochen

Milzruptur, Perforation

Stuhl- und Windverhalten > 24 h, galliges Erbrechen

Ileus

Z. n. Bauch-OP, Kolo- oder Gastroskopie

Perforation

Dysurie, Harnverhalt, Miktionsstörungen

Pyelonephritis, Prostatitis, Urosepsis

Ikterus

Cholangitis, Gallenkolik, Hämolyse

Absetzen von Gukokortikoiden

Addison-Krise

Allgemeine Informationen

Definition

  • Akut auftretende Bauchschmerzen bei Kindern
  • Das klinische Bild reicht von einem milden bis hin zu einem lebensbedrohlichen Verlauf.
  • Bauchschmerzen können von allen abdominellen Organen verursacht werden.
    • Kinder projizieren Schmerzen häufig in den Bauchraum, was die Diagnose erschweren kann.3

Häufigkeit

  • Sehr häufiges Auftreten; in vielen Fällen harmlose Ursache3

Diagnostische Überlegungen

  • Sehr vielfältige Ursachen
  • Wichtig ist die rasche Unterscheidung zwischen harmlosen Bauchschmerzen und behandlungsbedürftigen Notfällen.
    • Anhand der Red Flags sollen Notfälle ermittelt werden, die eine sofortige Behandlung benötigen.3

Diagnostische Einschätzungen in Bezug auf das Alter

  • Kinder unter 1 Jahr3-4
    • wichtigste Symptome für Bauchschmerzen: anhaltendes bzw. lautes Weinen, Anziehen der Beine unter den Körper
    • Siehe Abschnitt Anamnese.
  • Kleinkinder: etwa 1–5 Jahre
    • Bauchschmerz ist ein sehr unspezifisches Symptom, das auch auf eine Krankheit oder Infektion in einem anderen Organ hindeuten kann.
    • Bei jedem Kind mit Bauchschmerzen sollte ein Ganzkörperstatus erhoben werden.
  • Ältere Kinder: über 5 Jahre
    • ähnliche Symptomatik wie bei Erwachsenen
    • Kinder in diesem Alter können die Schmerzen besser lokalisieren.
    • Psychogene Bauchschmerzen treten ab dem Schulalter häufiger auf.

Auswahl häufiger Ursachen für Bauchschmerzen im Kindesalter

Seltenere Ursachen für Bauchschmerzen im Kindesalter

ICD-10

  • R10 Bauch- und Beckenschmerzen
    • R10.0 Akutes Abdomen
    • R10.1 Schmerzen im Bereich des Oberbauches
    • R10.2 Schmerzen im Becken und am Damm
    • R10.3 Schmerzen mit Lokalisation in anderen Teilen des Unterbauches
    • R10.4 Sonstige und nicht näher bezeichnete Bauchschmerzen

Differenzialdiagnosen

Säuglingskolik

  • Siehe Artikel Säuglingskolik.
  • Bei 5–20 % aller Kinder in den ersten 3 Lebensmonaten
  • Lang anhaltende Schreikrämpfe, wiederholt an vielen Tagen der Woche
  • Meist über mehrere Wochen
  • Der Säugling ist ansonsten gesund, die Gewichtszunahme normal.
  • Die Ursachen für die Säuglingskoliken, früher auch 3-Monats-Koliken genannt, sind nicht eindeutig geklärt.
    • Diskutiert werden u. a. Nahrungsmittelallergien und Störungen der noch unreifen Darmschleimhaut.
  • Therapie
    • meist selbstlimitierend nach 3 Monaten
    • Beruhigung und Unterstützung der Eltern6

Gastroenteritis

  • Siehe Artikel Virale Gastroenteritis.
  • Häufigste Ursache von Bauchschmerzen bei Kindern
  • Die häufigsten Auslöser sind Viren wie Rotaviren, Noroviren, Adenoviren und Enteroviren.
  • Die häufigsten Bakterien sind E. coli, Yersinia, Campylobacter, Salmonellen und Shigellen.
  • Zeichen einer Exsikkose erkennbar: trockene Windeln bei Kindern als Warnzeichen
  • Diffuse Bauchschmerzen oder Kolikschmerzen, die sich verlagern können; Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Fieber, Müdigkeit, akuter Gewichtsverlust.
  • Säuglinge unter 18 Monaten mit einem Krankheitsverlauf über 2–3 Tage sollten eingewiesen werden, wenn sie Schwierigkeiten bei der Flüssigkeitsaufnahme haben.7

Reizdarm

  • Siehe Artikel Reizdarmsyndrom.
  • Beginn meist im Jugendalter8
  • Chronische oder rezidivierende Beschwerden
    • wechselnde Verdauungsstörungen
    • Schmerzen im Unterbauch
    • Meteorismus
    • Linderung bei Defäkation und Abgang von Gasen
  • Ausschluss anderer Ursachen
  • Afebril, keine Anzeichen von Peritonitis

Appendizitis

  • Siehe Artikel Akute Appendizitis.
  • Am häufigsten in der Altersgruppe 10–30 Jahre
  • Äußert sich bei Kindern oft als akuter Bauchschmerz, Entwicklung über Stunden bis Tage.9
  • Beginn mit Appetitlosigkeit, im Verlauf Bauchschmerzen, dann Erbrechen
  • Diffuse abdominelle Schmerzen periumbilikal oder epigastrisch, die im Verlauf von 1–12 Stunden in den rechten unteren Quadranten wandern.
    • Lage der Appendix variiert, deshalb auch die Schmerzlokalisation.
  • Pediatric Appendicitis Score10
    • jeweils 1 Punkt für:
      • Appetitlosigkeit
      • Fieber ≥ 38,0 °C
      • Übelkeit/Erbrechen
      • Schmerzverlagerung in den rechten unteren Quadranten
      • Schmerzen bei Husten/Perkussion/Hüpfen (2 Punkte)
      • Schmerz im rechten unteren Quadranten bei leichter Palpation (2 Punkte)
      • Leukozytose > 10.000/µl
      • Linksverschiebung im großen Blutbild (> 75 % Neutrophile).
    • Auswertung
      • 1–3 Punkte: geringes Risiko
        • Kann zuhause überwacht werden, Kontakt bei Verschlechterung.
      • 4–7 Punkte: mittleres Risiko
        • Sonografie, bei unauffälligem Befund Überwachung zuhause wie bei geringem Risiko
          • bei positiver Sonografie: Vorstellung in Chirurgie
      • 8–10 Punkte: Vorstellung in Chirurgie ohne vorherige Bildgebung
  • Zusätzlich Blutbild und CRP11
    • Leukozyten > 16.000/µl und ein CRP > 10 mg/l starke Prädiktoren für das Vorliegen einer Appendizitis bei Kindern.

Mesenteriale Lymphadenitis

  • Siehe Artikel Mesenteriale Lymphadenitis.
  • Appendizitisähnliche Symptome, Druckschmerz im Abdomen12
    • Druckschmerz im rechten unteren Quadranten
    • Tritt am häufigsten im Kindes- und Jugendalter auf, nach dem 20. Lebensjahr kaum noch.
    • bei Kindern schätzungsweise etwa so häufig wie die Appendizitis13
  • Anzeichen einer Peritonitis fehlen oft, und es kann eine generalisierte Lymphadenopathie auftreten.
  • Häufig zeitgleiche oder vorhergehende Infektion der oberen Atemwege (Adenoviren)
  • Evtl. erhöhte Entzündungsparameter
  • Vergrößerte Lymphknoten und unauffällige Appendix im Ultraschall

Verstopfung

  • Siehe Artikel Obstipation bei Kindern.
  • Sehr häufig
  • Seltene, schmerzhafte Darmentleerung
  • Diagnosekriterien14
    • ≤ 2 Defäkationen/Woche (Achtung: bei gestillten Säuglingen normale Stuhlfrequenz zwischen 1 x in 10–14 Tagen bis zu 12 x pro Tag, bei Kleinkindern alle 2 Tage bis mehrmals täglich)
    • > 1 Episode mit Stuhlschmieren/Inkontinenz pro Woche nach Sauberwerden
    • Stuhlretention
    • schmerzhafte Defäkation und harte Stühle
    • palpable Stuhlmassen im Rektum
    • großvolumige Stühle
  • Eine akute Verstopfung kann, insbesondere bei Säuglingen, eine organische Ursache haben.
  • Eine chronische Verstopfung kann eine funktionale Ursache haben und akute, starke Bauchschmerzen verursachen.
  • Überweisung bei V. a. Morbus Hirschsprung15
    • Mekoniumabgang später als 48 Stunden nach Geburt bei Reifgeborenen
    • bleistiftdünner Stuhl
    • positive Familienanamnese für M. Hirschsprung, leere Rektumampulle bei digital-rektaler Untersuchung
    • explosionsartige Stuhlentleerung nach Manipulation

Harnwegsinfekt

  • Siehe Artikel Harnwegsinfektion bei Kindern.
  • Bei Kindern mit Fieber ist in 1–5 % der Fälle ein Harnwegsinfekt ursächlich, im ersten Lebensjahr sogar noch häufiger.16
  • Bei Neugeborenen evtl. verlängerter Icterus neonatorum, Trinkschwäche und Berührungsempfindlichkeit als diagnostischer Hinweis
    • bei unklarem Fieber bei Säuglingen: Ausschluss eines Harnwegsinfekts
  • Bei Kleinkindern: Pollakisurie, Dysurie
    • Auch erneutes Einnässen nach erreichter Kontinenz kann Hinweis auf HWI sein.
  • Klopfdolenz im Bereich der Flanke und Allgemeinsymptome wie Übelkeit und Fieber bei Pyelonephritis

Inkarzerierte Hernie

  • Siehe Artikel Hernie.
  • Inzidenz von Leistenhernien bei Kleinkindern 0,8–5 %17
    • Inzidenz bei Frühgeborenen 30 %
    • häufiger bei Jungen
  • Druckgefühl, evtl. Vorwölbung tastbar
    • Vorwölbung nimmt im Stehen oder beim Husten zu.
  • Bei Inkarzeration starke Schmerzen, Vorwölbung dann nicht mehr reponierbar
  • Schwere Allgemeinsymptome bis hin zur Sepsis möglich
  • Ultraschalluntersuchung bei unklarem Befund; bei V. a. Inkarzeration sollte die OP nicht verzögert werden.18

Volvulus

  • Siehe Artikel Volvulus.
  • Seltene, absolute Notfallindikation in der Kinderchirurgie
  • Risikofaktoren: Malrotation des Dünndarms, Mukoviszidose, Briden
  • Symptome des akuten Abdomens: Heftige Bauchschmerzen, die im weiteren Stadium abklingen können, es kommt häufig zu galligem Erbrechen (Warnsymptom)/Ileussymptomatik.
  • Im Verlauf: aufgetriebenes Abdomen, zunehmende Schocksymptome
  • Die Diagnose wird durch Klinik, Sonografie, farbkodierte Duplexsonografie und aufgrund einer Abdomenübersichtsaufnahme gestellt.18
  • Eine schnelle operative Behandlung ist notwendig, um eine Dünndarmnekrose zu verhindern.

Invagination

  • Siehe Artikel Darminvagination.
  • Am häufigsten bei Kindern unter 2 Jahren19
    • Inzidenz 60–100/100.000 Säuglinge pro Jahr
    • 80 % der Invaginationen treten innerhalb des ersten Lebensjahrs auf.
  • Risikofaktoren: Virusinfekte mit Vergrößerung der Peyer-Plaques, vergrößerte Lymphknoten, bei älteren Kindern meist anatomische Strukturen (Meckel-Divertikel, Polypen, Appendix, Duplikaturen oder Lymphome)19
  • Akuter Beginn, Ileus-Symptomatik
    • stärkste krampfartige Bauchschmerzen
    • gefolgt von galligem Erbrechen und Blässe
    • blutiger Schleim rektal
    • oft palpable Walze
    • auskultatorisch hochgestellte Darmgeräusche
  • Die Diagnose wird durch Sonografie bestätigt.
    • Sonografie: typische Kokarde; Sensitivität 98–100 %, Spezifität 88–100 %19
    • ggf. Röntgen bei V. a. Perforation18
  • Therapie
    • sonografisch gesteuerte Desinvagination mittels rektaler Instillation von Kochsalzlösung
    • bei ausbleibendem Erfolg, Schock, Perforation oder Peritonitis zügige Operation19

Akute Beckeninfektion (Pelvic Inflammatory Disease, PID)

  • Siehe Artikel Pelvic Inflammatory Disease (PID).
  • Mono- oder polymikrobielle Infektion der inneren Genitalien20
  • Am häufigsten bei sexuell aktiven jungen Frauen
  • Oft schleichend, mit Schmerzen oder Druckempfindlichkeit im unteren Bauchbereich, vermehrtem Ausfluss, Blutungsstörungen und Fieber einhergehend
  • Häufig schmerzhafte Palpation von Uterus und Adnexen
  • Blutbild: Leukozytose, hohes CRP, evtl. erhöhte BSG20
    • ggf. Bakterienkultur und PCR-Test auf Gonokokken und Chlamydien aus vaginalem Abstrich20
  • In Ausnahmefällen müssen zur Diagnose ein vaginaler Ultraschall bzw. eine Laparoskopie durchgeführt werden.18

Abdominaltrauma

  • Siehe Artikel Abdominaltrauma.
  • Stumpfe Traumata (durch Stürze, Unfälle etc.) sind bei weitem häufiger als penetrierende Traumata.
    • häufigste Verletzung: Milzruptur
      • Kann meist konservativ behandelt werden.21
  • Die sofortige Notfall-Laparotomie ist indiziert bei:
    • freier intraabdomineller Luft
    • hämodynamischer Instabilität trotz maximaler stabilisierender Maßnahmen
    • Schusswunden, penetrierendem Trauma
    • Eviszeration intraabdomineller Organe.21
  • Diagnostik mittels Sonografie und farbkodierter Duplexsonografie18
    • ggf. CT/MRT-Untersuchung
    • Bei entsprechendem Unfallmechanismus mit hohem Risiko für schwere Verletzungen ist die CT auch bei Kindern der Goldstandard.21-22

Hodentorsion

  • Siehe Artikel Hodentorsion.
  • 1 von 4.000 Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren betroffen23
  • Plötzliche starke Schmerzen in der Leistenregion bzw. im Unterbauch
  • Schwellung und Rötung des betroffenen Hodens, Übelkeit, Erbrechen, Tachykardie
  • Fehlender Cremasterreflex
  • Neben Anamnese und Lokalbefund können Ultraschall und Doppleruntersuchung den Verdacht erhärten.18
  • Wichtig ist die frühzeitige Operation (innerhalb von 4–6 Stunden), um den Verlust des Hodens zu vermeiden.24

Meckel-Divertikel

  • Siehe Artikel Meckel-Divertikel.
  • Inzidenz bei 2 % der Bevölkerung
    • Davon werden ungefähr 4 % symptomatisch.
  • In 40 % der Fälle erkranken Kinder unter 10 Jahren.25
  • Mögliche Symptome
    • intestinale Blutung
    • Ileus-Symptomatik
    • Entzündung mit lokalisiertem Druckschmerz, Abwehrspannung, ggf. Peritonitis und/oder Perforation
  • Symptomatische Meckel-Divertikel sollten operativ entfernt werden.25

Seltenere gastrointestinale Ursachen

  • Lebensmittelvergiftung
  • Magengeschwür (Ulkus-Krankheit)
  • Entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa)
  • Malabsorption von Laktose und/oder Fruktose
    • Eine Laktosemalabsorption liegt bei älteren Kindern und Jugendlichen häufig vor (Prävalenz in Deutschland bis zu 20 %) und äußert sich als Bauchschmerz, Meteorismus und chronische Diarrhö.26
    • Bauchschmerzen beim Kind können auch durch übermäßigen Genuss von Frucht- und Vitaminsäften entstehen. 15–25 % der Bevölkerung haben eine Fruktosemalabsorption. Bei vermehrter Gabe von Früchten und Fruchtsaft kann es deshalb zu Durchfall und Bauchschmerzen kommen.

Erkrankungen der Leber, Milz oder Gallenwege

Urogenitale Ursachen: selten

Stoffwechselerkrankungen

Hämatologische Störungen

Medikamente und Toxine

  • Erythromycin
  • Salizylate
  • Bleivergiftung

Atemwege

Funktionelle Bauchschmerzen

  • Psychogene Bauchschmerzen treten selten vor dem 5. Lebensjahr auf.
  • Unter schulpflichtigen Kindern beträgt die Prävalenz chronischer Bauchschmerzen 10–25 %.27-28
    • Bauchschmerzen nichtorganischer Ursache präsentieren sich häufig als chronisch oder chronisch-rezidivierende Schmerzen, können jedoch auch akut auftreten.
    • Kind und Eltern können selten Maßnahmen benennen, die das Schmerzereignis verkürzen.
    • Schmerzen häufig begleitet von vegetativen Symptomen wie Blässe und Übelkeit.
    • körperliche Untersuchung unauffällig
  • Organische Ursachen sollten sorgfältig evaluiert und ausgeschlossen werden.
  • Warnsymptome als Hinweis auf nichtfunktionelle Bauchschmerzen sind:28
    • anhaltender Schmerz im rechten oberen oder unteren Quadranten
    • Schmerzen, die das Kind aus dem Schlaf aufwecken.
    • Schmerzdauer > 12 h
    • deutlich periodischer Verlauf
    • nächtliche Durchfälle
    • anhaltendes Erbrechen
    • Dysphagie
    • gastrointestinaler Blutverlust
    • perianale Erkrankungen
    • ungewollter Gewichtsverlust
    • Verlangsamung des Längenwachstums
    • verzögerte Pubertät
    • Fieber
    • Arthritis
    • Familienanamnese mit entzündlichen Darmerkrankungen, Zöliakie oder peptischen Geschwüren.

Anamnese

Wichtige Fragen

  • Schmerzbeginn
    • Schlagartiger vs. schleichender Beginn?
  • Schmerzlokalisation
  • Anhaltender oder intermittierender Schmerz?
  • Schmerzcharakter: Bohrend, stechend, dumpf?
  • Zeitliches Auftreten: am Tag, in der Nacht, am Wochenende, in den Ferien, in der Schule, vorheriges Trauma?
  • Ess- und Trinkgewohnheiten des Kindes erfragen.
  • Medikamenteneinnahme
  • Weitere Begleitsymptome (Erbrechen, Fieber, Durchfall, Husten, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Atemnot, Dysurie, OP-Narben)?

Alter

  • Bei der Beurteilung von akuten Bauchschmerzen bei Kindern spielt das Alter eine ausschlaggebende Rolle. Im Folgenden sind die Erkrankungen nach Häufigkeit in der relevanten Altersgruppe aufgelistet.3-4

Unter 2 Jahren

2–5 Jahre

6–11 Jahre

12–18 Jahre

Art der Schmerzen

  • Beginn der Schmerzen
    • Bei Kindern, die noch nicht richtig sprechen können, werden die Symptome erst spät erkannt.
    • Kleine Kinder können meist nicht sagen, wann der Schmerz begann.
  • Lokalisation
    • Kinder können bis ins jugendliche Alter Schwierigkeiten haben, die Schmerzen zu lokalisieren.
  • Tritt der Schmerz an verschiedenen Stellen auf?
  • Schmerzen im unteren rechten Quadranten?
    • Anzeichen einer Appendizitis, auch wenn das Kind die Schmerzen im Oberbauch lokalisiert.
  • Art des Schmerzes, Intensität, Dauer und Umfang?

Stuhl

  • Häufigkeit, Farbe, Konsistenz, Blut, Schleim?

Kürzliches Trauma

  • Kann Bauchschmerzen verursachen.

Erschwerende oder lindernde Faktoren

  • Peritoneale (parietale) Schmerzen: Verschlimmerung bei Bewegung
  • Schmerzlinderung nach dem Stuhlgang deutet darauf hin, dass die Ursache der Schmerzen im Kolon liegt.
  • Schmerzlinderung nach Erbrechen deutet auf eine Erkrankung im oberen Magen-Darm-Trakt hin.

Weitere Symptome

  • Erbrechen von Galle: Hinweis auf Darmverschluss 
  • Diarrhö: Hinweis auf Gastroenteritis oder Lebensmittelvergiftung, tritt aber auch bei anderen Erkrankungen auf.
  • Blutige Diarrhö: Hinweis auf entzündliche Darmerkrankung oder infektiöse Enterokolitis
  • Blutig-schleimiger Stuhl: Hinweis auf Invagination
  • Kein Abgang von Gas oder Stuhl: Hinweis auf Darmverschluss 

Urogenitale Symptome

  • Neugeborene: Ein früherer Harnwegsinfekt bzw. Fieber über 40 °C erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines Harnwegsinfekts.
  • Kinder, die sprechen können: Bauchschmerzen, Rückenschmerzen, Dysurie, häufiger Harndrang und beginnende Harninkontinenz sind Anzeichen eines Harnwegsinfekts.
  • Purulenter Ausfluss: Hinweis auf Salpingitis
  • Menstruation? Mittelschmerz?
  • Sexuell aktiv? Werden Verhütungsmittel verwendet? Amenorrhö? Kann eine Schwangerschaft vorliegen?

Andere Symptome

Frühere Erkrankungen

Klinische Untersuchung

Allgemeines

  • Bei der Untersuchung insbesondere von kleinen Kindern mit Bauchschmerzen sollte neben der abdominellen Untersuchung immer ein Ganzkörperstatus erhoben werden.
  • Palpation: leichte und sanfte Palpation, zunächst weit weg von dem schmerzenden Bereich und dann langsame Annäherung
  • Allgemeinzustand?
  • Appetit?
  • Wie verhält sich das Kind?
    • Bei viszeralen Schmerzen krümmt sich das Kind.
    • Bei peritonealen Schmerzen ist das Kind ruhig und bewegt sich nicht.
  • Flüssigkeitshaushalt? Dehydratation?
  • Fieber?
    • Hatte das Kind Fieber?
    • Hohes Fieber mit Schüttelfrost ist typisch für eine Pyelonephritis oder Pneumonie.
    • Bei hohem Fieber über 40 °C ohne nachweisbare Ursache kann ein Harnwegsinfekt vorliegen.
    • Das Fehlen von Fieber verringert die Wahrscheinlichkeit einer Appendizitis.
  • Tachykardie und Hypotonie?
    • Anzeichen einer Hypovolämie
    • Bei einem jungen Mädchen im fertilen Alter unter Schock kann eine ektope Schwangerschaft vorliegen.
  • Hypertonie?
  • Kußmaul-Atmung? Ketongeruch im Atem?
  • Auskultation: Darmgeräusche auskultierbar?

Ergänzende Untersuchungen

In der Hausarzt- oder Kinderarztpraxis

Bei Spezialist*innen

  • Je nach Alter und Beschwerdebild, wenn nach körperlicher Untersuchung, Labor und Sonografie weiterhin diagnostische Unsicherheit besteht:
    • CT des Abdomens18
    • Abdomenübersichtsaufnahme
    • Röntgen-Thorax
    • Röntgen des Kolons mittels Kontrastdarstellung
    • Lumbalpunktion bei Verdacht auf Meningitis
    • ggf. gynäkologische Untersuchung und vaginale Sonografie.

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Krankenhauseinweisung

  • Bei Red Flags in der Anamnese/Untersuchung, die auf eine akut behandlungsbedürftige Ursache hinweisen, sollte eine Krankenhauseinweisung zur weiteren Abklärung erfolgen.4,9

Schmerztherapie

  • Siehe auch Artikel Schmerzbehandlung, Grundsätze.
  • Schmerzmittel, insbesondere Opioidanalgetika, werden bei Kindern eher zurückhaltend und damit suboptimal eingesetzt.3,29
  • Eine überlegte Gabe von Analgetika kann begünstigen, dass das Kind besser mitarbeitet und damit die Diagnose leichter gestellt werden kann.3
  • Die Auswahl eines Nicht-Opioids orientiert sich an der Pathophysiologie des Schmerzes und an den möglichen Kontraindikationen.
    • Bei Entzündungsschmerz empfiehlt sich der Einsatz eines NSAR.
    • Metamizol wird bei Kindern nicht empfohlen (Risiko der Agranulozytose)
  • Opiode29
    • mäßig starke bis starke Schmerzen: Tramadol und Tilidin
    • starke bis sehr starke Schmerzen: Einsatz von Morphin
    • bei individueller Unverträglichkeit von Morphin Buprenorphin, Hydromorphon und Oxycodon verwenden.
    • Morphin ist das in der Pädiatrie am besten untersuchte starke Opioid und kann in jedem Alter bei Beachtung der altersgerechten gewichtsbezogenen Dosierung und der Überwachungsstandards sicher eingesetzt werden.28-29
    • Laut einer finnischen Studie führt die frühzeitige Therapie mit oralem Oxycodon zu einer guten Schmerzlinderung bei Kindern mit akuten Bauchschmerzen, ohne nachteilige Auswirkungen auf die klinischen Anzeichen oder Verschleierung einer chirurgischen Diagnose.30
    • Durch Gabe von Opioiden besteht keine erhöhte Perforationsgefahr bei Kindern mit akuter Appendizitis.3

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Video

Quellen

Leitlinien

  • Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (GPR). Bauchschmerz bei Kindern – Bildgebende Diagnostik. AWMF-Leitlinie Nr. 064-016. S1, Stand 2020. www.awmf.org
  • Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE). Akute infektiöse Gastroenteritis im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 068-003. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie e. V. (DGKCH). Leistenhernie, Hydrozele. AWMF-Register Nr. 006-030. S1, Stand 2020. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. Brennen beim Wasserlassen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001. S3, Stand 2018. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH). Invagination. AWMF-Leitlinie Nr. 006-027. S1, Stand 2021. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms. AWMF-Leitlinie Nr. 021-016. S3, Stand 2021. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung Register-Nr. 187-023. S3, Stand 2016 (abgelaufen). www.awmf.org

Literatur

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Autor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinme
  • Laura Morshäuser, Dr. med., Ärztin, Karlsruhe 
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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