Allergieprävention bei Säuglingen

Bei einer Allergie handelt es sich um eine Überempfindlichkeit des Immunsystems gegenüber bestimmten Substanzen. Allergische Erkrankungen sind in Deutschland recht häufig. Die Ursachen für eine Allergie sind jedoch bis heute nicht endgültig geklärt. Es gibt aber Empfehlungen, die das Risiko für Allergien senken können, insbesondere in Familien mit häufigen Allergieerkrankungen.

Was ist eine Allergie?

Als Allergie bezeichnet man eine Überempfindlichkeit (Hypersensitivität) des körpereigenen Immunsystems gegenüber bestimmten Stoffen, mit denen der Körper beispielsweise über die Luft oder die Nahrung in Kontakt kommt. Diese Substanzen, die bei gesunden Personen keine gesundheitlichen Probleme verursachen, bezeichnet man als Allergene. Schätzungen zufolge ist fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung von einer allergischen Erkrankung betroffen. Zu den häufigsten allergischen Erkrankungen gehören HeuschnupfenAsthma und Nahrungsmittelallergien. Die meisten Allergien treten zuerst im Kindes- und Jugendalter auf.

Die Häufigkeit hat dabei im Laufe der vergangenen Jahrzehnte in der westlichen Welt stetig zugenommen. Der Grund für diese Zunahme ist noch nicht endgültig erklärt. Die Ursachen für die Entstehung einer Allergie sind nicht endgültig geklärt. Ein nachgewiesener Faktor für die Entstehung einer Allergie ist eine erbliche Veranlagung. Kinder, die ein Elternteil oder Geschwister mit allergischer Erkrankung in der Familie haben, tragen ein besonders hohes Risiko für Allergien. Die Häufigkeit von Allergien in der Familie, die Art und der Schweregrad sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Nichtsdestoweniger treten Allergien auch ohne andere Betroffene in der Familie auf. Als weitere Faktoren werden Tabakrauch, eine gestörte Hautbarriere und Stress diskutiert.

Vorbeugung (Prävention) von Allergien

Es existieren viele Theorien und Empfehlungen, wie man der Entstehung von Allergien vorbeugen kann. Davon sind allerdings nur wenige wissenschaftlich belegt. Im Folgenden finden sich einige Empfehlungen, die einen nachgewiesenen Effekt in der Vorbeugung von Allergien und allergischen Erkrankungen haben.

Ernährung

Bezüglich der Ernährung gibt es keine eindeutigen Hinweise auf bestimmte Lebensmittel, die das Risiko für Allergien stark beeinflussen. Generell wird bei Säuglingen, Kleinkindern, Schwangeren und Stillenden eine normale, ausgewogene und vollwertige Ernährung empfohlen. Von Beschränkungen mit Vermeidung bestimmter Lebensmittel für die Mutter wird während der Schwangerschaft und Stillzeit abgeraten. Es allerdings Hinweise, dass Fisch in der mütterlichen Ernährung während Schwangerschaft und Stillzeit einen günstigen Effekt hat.

Stillen

Das Stillen hat viele positive Effekte, sowohl für die Mutter als auch das Kind. Auch bezüglich allergischer Erkrankungen hat die Muttermilch günstige Eigenschaften und verringert die Wahrscheinlichkeit für Allergien. Müttern wird daher empfohlen, ihr Kind in den ersten 4 Lebensmonaten voll zu stillen.

Muttermilchersatz

In Fällen, in denen nicht oder nicht ausreichend gestillt werden kann, wird den Kindern zusätzliche Säuglingsnahrung gegeben. Hier gilt, dass Kindern aus Familien mit häufigen allergischen Erkrankungen speziell behandelte, sogenannte hydrolysierte Säuglingsnahrung empfohlen wird. Dieser Muttermilchersatz wird auch als hypoallergene Säuglingsnahrung bezeichnet. Eine allergievorbeugende Wirkung konnte jedoch nur bei Kindern mit Allergierisiko gezeigt werden. Muttermilchersatz auf Sojabasis ist im Hinblick auf Allergieprävention nicht vorteilhaft.

Beikost und Ernährung des Kindes im ersten Lebensjahr

In Deutschland wird aktuell empfohlen, nach dem vollendeten 4. Lebensmonat eine zusätzliche Beikost einzuführen, auch weil in dieser Zeit der Nährstoffbedarf des Kindes steigt. Diesen Schritt hinauszuzögern oder bestimmte Lebensmittel in der Beikost zu vermeiden, hat keinen nachgewiesenen Effekt bei der Entstehung von Allergien und wird daher nicht empfohlen. Umgekehrt gibt es auch keinen Beleg für die Allergieprävention, wenn mögliche Allergene schon vor dem vollendeten 4. Lebensmonat in die Nahrung eingeführt werden. Auch in der Beikost wurde jedoch für Fisch im 1. Lebensjahr ein vorbeugender Effekt nachgewiesen, weswegen dieser den Kindern mit der Beikost gegeben werden kann.

Körpergewicht

Es gibt Belege, dass die Häufigkeit für Asthma bei Kindern mit einem erhöhten Body-Mass-Index (BMI) höher ist. Abgesehen hiervon ist Übergewicht und Fettleibigkeit mit vielen anderen Erkrankungen verknüpft. Daher wird empfohlen, bei Kindern Übergewicht auch zur Vorbeugung von allergischen Erkrankungen zu vermeiden.

Umgebung des Kindes

Einige Bedingungen in der häuslichen Umgebung des Kindes erhöhen das Risiko für allergische Erkrankungen und sollten daher vermieden werden. In den Räumen, in denen das Kind die meiste Zeit verbringt, kann eine zu hohe Luftfeuchtigkeit z. B. zu Schimmelpilzwachstum führen. Dies sollte vermieden werden, z. B. durch regelmäßiges Lüften.

Haustiere stellen generell bei gesunden Kindern aus Familien ohne allergische Erkrankungen kein Problem dar. Bei hohem Risiko kann es jedoch insbesondere bei Katzen zu einer Entstehung von Sensibilisierung und Allergie kommen. Aus diesem Grund sollte in solchen Risikofällen keine Katze gehalten werden. Hunde stellen kaum Probleme für allergiegefährdete Kinder dar. Tiere sollten nicht als grundsätzlich gefährlich eingeschätzt werden. Es wurde mehrfach nachgewiesen, dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, deutlich seltener an allergischen Erkrankungen leiden.

Eindeutig belegt ist hingegen der Zusammenhang von Asthmasymptomen und schlechterer Lungenfunktion und Tabakrauch in der Umgebung. Das Rauchen während der Schwangerschaft und in der Anwesenheit von Kindern soll daher vermieden werden, auch weil es einen Risikofaktor für viele weitere Erkrankungen darstellt. Andere Luftschadstoffe, die sich z. B. bei Maler- oder Renovierungsarbeiten in den Innenräumen sammeln können, sollten aus Gründen der Allergieprävention ebenfalls gemieden werden. Gleiches gilt für Kfz-Emissionen, die durch Stickoxide und Feinstaubpartikel zu der Entstehung einer Allergie beitragen können. Auch hier sollten Kinder ferngehalten werden.

Impfungen

Für Impfungen gilt, dass es keinerlei Nachweis eines erhöhten Risikos für Allergien durch die Schutzimpfungen gibt. Umgekehrt konnte aber ein risikosenkender Effekt gezeigt werden. Insgesamt sollten alle Kinder die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen erhalten.

Kaiserschnitt

Es gibt Hinweise darauf, dass Kinder, die durch einen Kaiserschnitt auf die Welt kommen, ein erhöhtes Allergierisiko haben. Dies sollte bei der Wahl des Geburtsverfahrens berücksichtigt werden, sofern kein medizinischer Anlass für einen Kaiserschnitt besteht.

Weitere Einflussfaktoren

Es gibt eine ganze Reihe an weiteren, möglichen Einflussfaktoren wie z. B. bestimmte Lebensmittel, Probiotika, Vitamin D, die Hygienegewohnheiten oder die psychosoziale Umgebung des Kindes, die unter Umständen einen Einfluss auf die Häufigkeit von Allergien haben könnten. Bisher liegen aber keine ausreichenden Erkenntnisse vor, um hier klare Empfehlungen in eine Richtung zu geben. Zukünftige Forschungsergebnisse werden hier weitere Punkte identifizieren, um die Rate von Allergien in Zukunft womöglich wieder senken zu können.

Maßnahmen bei Kindern, die bereits Allergien entwickelt haben

Bei Kindern, die bereits eine allergische Erkrankung haben, sollten möglichst früh Maßnahmen ergriffen werden. Der wichtigste Ansatz ist dabei, die Allergene, also die auslösenden Stoffe, so weit wie möglich zu vermeiden. In manchen Fällen führt eine früh begonnene, effektive Therapie zu Beschwerdefreiheit und höherer Lebensqualität. Das Ziel ist es, eine Verschlimmerung der Erkrankung sowie die Entwicklung anderer Allergien und Symptome im Verlauf des Lebens zu verhindern und notwendige Medikamente zu reduzieren.

Meidung von Allergenen

Bei Kindern mit allergischen Erkrankungen, wie z. B. Heuschnupfen, Asthma und Nahrungsmittelallergien ist das Vermeiden des Kontaktes mit den auslösenden Stoffen (Allergene), auf die das Kind reagiert, ein logischer Teil der Therapie. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass dieser Stoff vorher identifiziert wurde. Bei einer Allergie gegen Nahrungsmittel kann dann beispielsweise die Ernährung angepasst werden, bei einer Allergie gegen Pollen können entsprechende Pollenflugkalender beachtet werden.

Umgebungsanpassungen

Das Innenraumklima, insbesondere Tabakrauch, spielt eine entscheidende Rolle für das Auftreten von Asthmasymptomen bei Kindern. Belastungen durch Tabakrauch und andere Reizstoffe vermehren Beschwerden der Atemwege, sorgen für eine schlechtere Langzeitprognose und erhöhen den Bedarf an Medikamenten. Tabakrauch scheint eine der wichtigsten auslösenden Ursachen von Asthmasymptomen zu sein, die vermeidbar sind.

Hyposensibilisierung

Bei manchen allergischen Erkrankungen, wie z. B. dem Heuschnupfen, hat sich eine hyposensibilisierende Therapie als wirksame Behandlungsmaßnahme erwiesen. Dies gilt vor allem, wenn eine solche Behandlung frühzeitig durchgeführt wird. Dabei werden die auslösenden Allergene in schrittweise steigender Konzentration und Menge bis zu einer bestimmten Höchstdosis verabreicht. Dadurch werden Antikörper, toleranzinduzierende Zellen und Botenstoffe aktiviert, die eine weitere Verstärkung der allergischen Immunantwort verhindern und die Entzündungsreaktion im Gewebe dämpfen.

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Autor*innen

  • Markus Plank, MSc BSc, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, Wien
  • Jonas Klaus, Arzt, Freiburg i. Br.

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References

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