Multisystem-Entzündungssyndrom bei Kindern (MIS-C)

MIS-C ist eine seltene, aber schwere Entzündungskrankheit bei Kindern und Jugendlichen, die in den Wochen nach einer SARS-CoV-2-Infektion auftreten kann.

Was ist MIS-C?

MIS-C ist eine neue Erkrankung, die bei Kindern und Jugendlichen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 auftreten kann. Die Abkürzung MIS-C stammt von der englischen Krankheitsbezeichnung „Multisystem Inflammatory Syndrome in Children“. Das Krankheitsbild ist durch eine Entzündung in mehreren Organen wie Haut, Schleimhäuten, Herz, Lunge, Magen-Darm-Trakt, Leber und Nieren nach einer COVID-19-Erkrankung gekennzeichnet.

Häufigkeit

MIS-C ist eine seltene Erkrankung. In Deutschland traten bisher wenige Hundert Fälle auf. Die Krankheit tritt bei Infektionen mit der Omikron-Variante und bei geimpften Kindern deutlich seltener auf..

Ursachen

MIS-C tritt im Zusammenhang mit einer Infektion mit SARS-CoV-2 auf, auch wenn die betroffenen Kinder und Jugendliche keine Symptome von COVID-19 zeigten. Warum sich das Syndrom entwickelt, ist nicht bekannt. Es wird angenommen, dass die körpereigene Immunabwehr auf das Coronavirus SARS-CoV-2 überreagiert und einen allgemeinen Entzündungsprozess in Gang setzt.

Symptome und Beschwerden

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eigene Kriterien entwickelt, die erfüllt sein müssen, damit die Diagnose MIS-C gestellt werden kann. Diese Kriterien umfassen sechs Punkte:

  1. Alter 0–19 Jahre
  2. Fieber über mindestens drei Tage
  3. Anzeichen einer Erkrankung von mindestens zwei verschiedenen Organen (Haut/Schleimhäute/Augen, niedriger Blutdruck oder Schock, Herzerkrankung, Blutgerinnungsstörungen, akute Magen-Darm-Beschwerden)
  4. erhöhte Entzündungswerte
  5. keine andere wahrscheinliche Erklärung
  6. Anhalt für eine Infektion mit dem Coronavirus, entweder durch Nachweis des Virus, Bestimmung von Antikörpern oder Kontakt zur einer infizierten Person.

Kinder mit MIS-C werden ins Krankenhaus eingewiesen. In der Regel treten die Symptome 2 bis 4 Wochen nach der COVID-19-Infektion auf.

Alle betroffenen Kinder hatten zum Zeitpunkt der Krankenhauseinweisung seit mindestens drei Tagen Fieber, und fast alle hatten Magen-Darm-Beschwerden wie Bauchschmerzen, Übelkeit oder Durchfall. Etwa die Hälfte hatte außerdem Ausschlag auf der Haut und/oder den Schleimhäuten von Augen oder Mund. Einem Großteil der Kinder ging es sehr schlecht. Sie hatten einen sogenannten Schock: niedrigen Blutdruck, einen beschleunigten Puls mit gestörter Durchblutung, Atemnot und eine Bewusstseinstrübung.

Diagnostik

Die Diagnose wird anhand der oben beschriebenen Kriterien gestellt. Das heißt, es ist eine gründliche Untersuchung samt Blutuntersuchungen und Coronatest nötig, um die Diagnose MIS-C zu bestätigen. Außerdem müssen andere schwere Erkrankungen ausgeschlossen werden, die ähnliche Symptome hervorrufen können, wie zum Beispiel eine Blutvergiftung (Sepsis), Darminfektionen und schwere Herz- oder Lungenerkrankungen. Die Kinder werden deshalb auf einige virale und bakterielle Erkrankungen untersucht, und es werden unter anderem Ultraschalluntersuchungen des Herzens und Röntgenuntersuchungen der Lunge durchgeführt.

Behandlung

In vielen Punkten ähnelt das MIS-C einer anderen schweren immunologischen Erkrankung bei Kindern: dem Kawasaki-Syndrom. Fast 50 % der Patient*innen mit MIS-C erfüllen auch Kriterien für dieses Syndrom, bei dem die Herzkranzgefäße geschädigt werden können. Alle Patient*innen mit MIS-C erhalten deshalb die gleiche Behandlung, die auch Kawasaki-Patient*innen bekommen: Das heißt Immunglobuline direkt in die Vene und Azetylsalizylsäure-Tabletten, um Schädigungen des Herzens vorzubeugen.

Ein großer Teil der Patient*innen, die bisher an MIS-C erkrankt sind, benötigte eine Intensivbehandlung, und vielen musste intravenös Flüssigkeit zugeführt werden. Manche mussten auch beatmet werden.

Verlauf und Prognose

Die kurzfristige Prognose für MIS-C ist schlechter als die für COVID-19 bei Kindern und Jugendlichen, aber angesichts des schweren Krankheitsbildes verhältnismäßig gut. Die Kinder sind zwar oft schwer krank, doch die meisten erholen sich schnell und können das Krankenhaus nach etwa einer Woche wieder verlassen. Die Sterblichkeit in der akuten Phase lag in einer großen Studie bei 1,7 %.

Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob das Krankheitsbild Spätfolgen hat. Unter anderem besteht die Sorge, dass manche Kinder Schäden an den Herzkranzgefäßen davontragen könnten, wie es beim Kawasaki-Syndrom der Fall ist.

Weitere Informationen

Autor*innen

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Multisystem Inflammatory Syndrome in Children (MIS-C). Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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