Harnwegsinfekt bei Kindern

Eine Harnwegsinfektion ist eine bakterielle Infektion der Harnwege und führt oft zu schmerzhaftem und häufigem Wasserlassen oder Fieber. Harnwegsinfekte werden in obere und untere Harnwegsinfekte unterteilt. Untere Harnwegsinfekte sind Entzündungen der Harnblase und Harnröhre und werden auch als Blasenentzündung bezeichnet.

Was ist ein Harnwegsinfekt bei Kindern?

Definition

Harnwegsinfekte sind bakterielle Infektionen der Harnwege und gehören zu den häufigsten bakteriellen Infektionen bei Kindern. Sie werden je nach betroffenem Abschnitt in obere und untere Harnwegsinfekte (HWI) eingeteilt. Untere Harnwegsinfekte betreffen die Harnröhre und Harnblase (Blasenentzündung) und sind meist weniger schlimm als obere HWI, also Entzündungen der Harnleiter oder des Nierenbeckens.

Symptome

Die Symptome eines Harnwegsinfektes bei Kindern sind vom Alter abhängig und in vielen Fällen wenig aussagekräftig. Charakteristisch sind Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen. Kinder mit Harnwegsinfekt gehen meist häufiger als gewöhnlich zur Toilette. Wenn es sich um einen oberen Harnwegsinfekt handelt, haben die betroffenen Kinder häufig Schmerzen in der seitlichen Bauchregion. Unspezifische Symptome können Fieber, Trinkschwäche, Erbrechen oder Durchfall sein. Da Kinder die Beschwerden meist erst ab einem Alter von 3–4 Jahren selbst beschreiben können, bleibt der Infekt bei Kleinkindern und Neugeborenen oft lange unklar. Insbesondere Neugeborene sind bei einem Harnwegsinfekt mitunter schwer krank.

Ursachen

Eine Infektion entsteht besonders bei oberen Harnwegsinfektionen meist, wenn Bakterien von der Haut im Genitalbereich über die Harnröhre in die Harnblase gelangen; bei Neugeborenen können die Erreger auch aus dem Blut stammen. Der häufigste Erreger ist das Darmbakterium E. coli. In manchen Fällen, insbesondere bei wiederkehrenden Harnwegsinfekten, kann eine angeborene Fehlbildung der Harnwege zu einem erhöhten Risiko führen.

Häufigkeit

Harnwegsinfekte gehören zu den häufigsten bakteriellen Infektionen im Kindesalter. Fieber bei Kindern, die jünger als 2 Jahre sind, ist in 1–5 % der Fälle auf eine Infektion der Harnwege zurückzuführen. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen, da die weibliche Harnröhre kürzer und somit anfälliger für aufsteigende Keime ist. In der Neugeborenenphase sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen.

Untersuchungen

  • Die Diagnose nur anhand der Beschwerden zu stellen, ist vor allem bei Kleinkindern schwierig, da die Symptome eines Harnwegsinfektes sehr unspezifisch sein können. Aber die geschilderten Beschwerden unter Berücksichtigung des Alters können Hinweise auf einen möglichen Harnwegsinfekt liefern.
  • Besonders bei Neugeborenen kann die Haut gelb (Gelbsucht/Ikterus) oder blass grau verfärbt sein.
  • Bei einem HWI der oberen Harnwege ist häufig der Allgemeinzustand beeinträchtigt. Neben Fieber kann der Bauch besonders im Nierenbereich klopf- und druckempfindlich sein.
  • Mit einem Urinteststreifen kann ein Harnwegsinfekt schnell und relativ sicher nachgewiesen werden.
  • Eine Urinkultur, in der Bakterien über mehrere Tage wachsen, kann auf typische Bakterien getestet werden.
  • Durch eine mikroskopische Untersuchung des Urins können Bakterien und weiße Blutkörperchen nachgewiesen werden.
  • Bei einer Blutuntersuchung werden Entzündungsparameter bestimmt.
  • Vor allem bei schwerer Erkrankung sowie bei Neugeborenen und Säuglingen kann eine Blutkultur auf Bakterien untersucht werden.
  • Neugeborene und Kleinkinder mit einer schweren Erkrankung werden in der Regel stationär im Krankenhaus behandelt. Bei einem fieberhaften Harnwegsinfekt werden Niere und Blase mittels Ultraschall untersucht. Dabei erfolgt auch die Kontrolle, ob eine Harnabflussstörung oder eine angeborene Fehlbildung vorliegt, die das Risiko einer erneuten Infektion erhöht.
  • Weitere Spezialuntersuchungen sind eine kontrastmittelunterstützte Ultraschalluntersuchung, eine Röntgendarstellung der Blase vor und während des Wasserlassens sowie ggf. MRT oder CT.

Behandlung

  • Eine Harnwegsinfektion bei Kindern wird in erster Linie mit Antibiotika behandelt. Bei Verdacht auf eine Nierenbeckenentzündung soll schnell eine Therapie eingeleitet werden, weil die Nieren von Kindern leicht dauerhaft geschädigt werden können.
  • Wenn lediglich Bakterien im Urin nachgewiesen werden, ohne dass Symptome vorliegen, sind Antibiotika in der Regel nicht nötig. Auch bei jugendlichen Mädchen mit wiederholten unteren Harnwegsinfekten ohne Komplikationen kann unter engmaschiger Kontrolle ersteinmal abgewartet und eine Behandlung mit Heilpflanzen (Phytotherapie) versucht werden.
  • Abhängig vom Alter des Kindes und der Lokalisation des Infektes stehen verschiedene Präparate zur Verfügung. Meist verschwinden die Beschwerden innerhalb weniger Tage, ansonsten sollte erneut eine ärztliche Untersuchung erfolgen.
  • In den meisten Fällen handelt sich bei einer Harnwegsinfektion um eine einmalige Erkrankung, aber oft und insbesondere bei Mädchen treten erneute Infektionen auf. Wenn sich diese Harnwegsinfektionen häufen, sollte ein individuelles Vorgehen besprochen werden. In manchen Fällen kann eine vorbeugende Antibiotikagabe notwendig sein.
  • Bei einer Nierenbeckenentzündung nach häufigen Infektionen besteht das Risiko von Nierenschäden. In diesem Fall wird das Kind genauer untersucht, um Fehlbildungen des Harntraktes auszuschließen, die weitere gefährliche Infektionen zur Folge haben können.
  • Ein Harnwegsinfekt ist nicht ansteckend. Kinder müssen daher nicht zwingend zu Hause bleiben. Kinder, die schwer krank sind oder Fieber haben, sollen natürlich trotzdem zu Hause bleiben.

Prognose

  • HWI der unteren Harnwege und Erstinfektionen haben grundsätzlich eine gute Prognose.
  • Nierenschäden entwickeln sich bei 5–15 % der Kinder innerhalb von 1–2 Jahren nach ihrer ersten Harnwegsinfektion.
  • Zur Prävention von HWI sollte der Harndrang nicht unterdrückt und auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden.
  • 12–30 % der betroffenen Kinder erleben eine Neuinfektion, v. a. in den ersten 3 Monaten.
  • Eine Kombination von wiederkehrenden Harnwegsinfektionen, vesikoureteralem Reflux (Zurückfließen des Urins von der Blase in die Nieren) und Nierennarben erhöht das Risiko für zukünftige Nierenkomplikationen.

Weitere Informationen

Autor

  • Markus Plank, MSc BSc, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, Wien

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Harnwegsinfektion bei Kindern. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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