Zusammenfassung
- Definition:Hypertrophie des Pylorus mit daraus folgender gestörter Magenentleerung.
- Häufigkeit:Inzidenz 1–3:1.000 Lebendgeborene. Jungen 4- bis 5-mal häufiger betroffen als Mädchen.
- Symptome:Schwallartiges Erbrechen in 2.–3. Lebenswoche, meist 30–60 min nach Nahrungsaufnahme. Hungriger und unruhiger Säugling. In fortgeschrittenen Fällen Hämatemesis, hypochlorämische Alkalose, Dehydratation, selten Ikterus.
- Befunde:Prominentes Epigastrium, starke, teils sichtbare Magenperistaltik und tastbarer Pylorus als olivengroße Verdickung im rechten oberen Quadranten. Dehydratationszeichen.
- Diagnostik:Sonografie.
- Therapie:Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt, selten konservative Therapie.
Allgemeine Informationen
Definition
- Hypertrophie der Pylorusmuskulatur mit Verzögerung und Einschränkung der Magenentleerung und typischem schwallartigem Erbrechen nach Nahrungsaufnahme1
- Auftreten nur im Säuglingsalter1
Häufigkeit
- Inzidenz 1–3:1.000 Lebendgeborene in Europa und Amerika2
- Häufigkeit regional und im zeitlichen Verlauf sehr variabel3
- in Deutschland rückläufige Zahlen mit Abnahme der Inzidenz um 38 % zwischen 2000 und 2008, Ursache unklar3
- Jungen 4- bis 5-mal häufiger betroffen als Mädchen2
- Familiäre Häufung in 3–5 % der Fälle2
Ätiologie und Pathogenese
- Ursache unbekannt
- Verschiedene Faktoren erhöhen das Risiko:1
- Einnahme von Erythromycin zwischen 3.–13. Lebenstag4-5
- genetische Faktoren
- familiäre Häufung
- Identifikation verschiedener Punktmutationen im Zusammenhang mit Auftreten der Pylorusstenose6-7
- Flaschennahrung8
- Erstgeburtlichkeit
- Kaiserschnitt
- maternales Rauchen
- erhöhte Inzidenz bei kongenitalen Herzvitien.
Pathophysiologie
- Die hypertrophe Pylorusstenose entsteht möglicherweise als Folge einer Entwicklungsstörung mit anomaler Innervation und eingeschränkter Relaxation des Pylorus.
- Dadurch verengt sich der Pyloruskanal durch diffuse Hypertrophie und Hyperplasie der glatten Ringmuskulatur im Bereich des Magenausgangs.
- Die Magenentleerung ist erschwert, und die ausgeprägte Peristaltik führt zu Hypertrophie und Vorwölbung der gesamten Magenmuskulatur.
- Es kommt zu schwallartigem Erbrechen.
Disponierende Faktoren
- Erythromycineinnahme zwischen 3.–13. Lebenstag
- Flaschennahrung statt Stillen
- Familiäre Disposition
- Erstgeburtlichkeit
- Kaiserschnitt
- Maternales Rauchen
- Erhöhte Inzidenz bei kongenitalen Herzvitien
ICPC-2
- D81 Angeb. Anomalie d. Verdauungssyst
ICD-10
- K31 Sonstige Krankheiten des Magens und der Duodenums
- K31.1 Hypertrophische Pylorusstenose beim Erwachsenen
- Q40 Sonstige angeborene Fehlbildungen des oberen Verdauungstraktes
- Q40.0 Angeborene hypertrophische Pylorusstenose
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Leitsymptome1
- schwallartiges oder projektilartiges, nicht-galliges Erbrechen im kurzen Intervall nach Nahrungsaufnahme
- zunehmende Häufigkeit und Stärke des Erbrechens
- Gedeihstörung trotz guten Trinkverhaltens
- Gewichtsverlust, Abnahme der Urinmenge
- hypochlorämische Alkalose
- Dehydratation, eingefallene Fontanelle, verminderter Hautturgor, Lethargie, greisenhafte Facies
- Hämatemesis
- Ikterus bei 2–8 % der Betroffenen (ikteropylorisches Syndrom, Stauung der Gallenwege durch verdickten Pylorus)
- gelegentlich tastbare Resistenz im Oberbauch („Olive“), peristaltische Welle des Magens durch die Bauchwand sichtbar
- Diagnosesicherung mittels Ultraschall8
Differenzialdiagnosen
- Gastroenteritis
- Harnwegsinfekt
- Nahrungsmittelintoleranz (Kuhmilch)
- Fehler bei der Ernährung
- Mukoviszidose
- Hypothyreose
- Stoffwechselerkrankung
- Erhöhter Hirndruck
- Duodenalatresie
- Duodenalstenose
- Darmduplikaturen
- Kardialinsuffizienz
- Gastroösophageale Refluxkrankheit
- Malrotation
- Pylorusatresie
- Adrenogenitales Syndrom
- Hypopituitarismus
Anamnese
- Schwallartiges Erbrechen etwa 30–60 min nach Nahrungsaufnahme im Alter von 2–3 Wochen
- zunächst vereinzelt, im Verlauf zunehmende Frequenz
- Möglicherweise leichte Hämatemesis mit kleinen Blutbeimengungen im Erbrochenen oder Kaffeesatzerbrechen
- Im Verlauf Pseudoobstipation mit abnehmender Stuhlfrequenz und Absetzen kleiner Stuhlmengen
- Cave Frühgeborene!2
- ähnliche Inzidenz der Pylorusstenose wie bei reifen Säuglingen
- Schwallartiges Erbrechen als klassisches Symptom kann aufgrund der kleinen aufgenommenen Nahrungsportionen fehlen oder erst im Verlauf auftreten.
- Elektrolytentgleisungen werden länger kompensiert.
- Begleiterkrankungen
- Ernährungsgewohnheiten
- Medikamente
- Familiäre Belastung
Klinische Untersuchung
- Allgemeinzustand
- unruhiger, unzufriedener Säugling, zeigt typisches Stirnrunzeln
- Klinische Untersuchung
- Anzeichen von Dehydratation
- teils sichtbare ausgeprägte Magenperistaltik, vorgewölbtes Epigastrium
- Palpation
- In etwa 90 % der Fälle kann der vergrößerte Magenpförtner bei der körperlichen Untersuchung als etwa olivengroße Verdickung im rechten oberen Quadranten ertastet und zwischen den Fingern bewegt werden.
- Für diesen Befund muss das Kind bei der Untersuchung mit gebeugten Hüften liegen sowie ruhig und entspannt sein.
Ergänzende Untersuchungen in Kinderarztpraxis oder Klinik
Labor
- Blutbild, Elektrolyte, Kreatinin, Harnstoff, Glukose, Bilirubin, Blutgasanalyse
- häufig hypochlorämische metabolische Alkalose
- evtl. Hypokaliämie
- indirekte Hyperbilirubinämie in 2–8 % der Fälle
Sonografie
- Standardverfahren zur Diagnose der Pylorusstenose mit Sensitivität von 99 % und Spezifität von 100 %2,9
- Bei einer Länge des Pyloruskanals von > 14 mm und einer Pyloruswanddicke von > 3 mm gilt die Diagnose als gesichert.1
Röntgen/Kontrastmitteldarstellung
- Nicht notwendig, Durchführung nur in Ausnahmefällen bei unklarer Symptomatik und nicht eindeutiger Sonografie
Indikationen zur Krankenhauseinweisung
- Bei Verdacht auf die Erkrankung
Therapie
Therapieziele
- Verhinderung von Stoffwechselentgleisung, Mangelernährung und schwerer Dehydratation
Allgemeines zur Therapie
- Je nach Dehydratation des Säuglings erfolgt erst eine Elektrolyt- und Volumenstabilisierung, danach die operative Therapie.
- Konservativer Therapieversuch nur bei Kontraindikationen für eine Operation
Operative Therapie
- Präoperativ
- Stabilisierung der Ernährungssituation, Ausgleich des Säure-Base-Haushalts, Rehydrierung
- Therapie der Wahl ist Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt.2
- Längsspaltung der Serosa und vollständigen Spaltung der darunter liegenden hypertrophen Ringmuskulatur des Pylorus ohne Eröffnung der Mukosa.1
- Zugang über 2–3 cm großen Querschnitt im rechten Oberbauch, supraumilikal/zirkumbilikal oder laparoskopisch
- keine perioperative Antibiotikabehandlung
- Kostaufbau beginnt nach 2–4 h postoperativ.
- Laparoskopie und offene Operation sind gleichermaßen sicher und wirkungsvoll.10
Konservative Therapie
- Nachrangig, Einsatz bei Vorliegen von Kontraindikationen für operatives Vorgehen
- Vereinzelt Studienergebnisse mit bis zu 85-prozentiger Erfolgsrate bei oraler oder systemischer Applikation von Atropin1
Prävention
- Keine Makrolideinnahme der Säuglinge in den ersten 14 Tagen und der Mutter während der Schwangerschaft und Stillzeit
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Der Schweregrad der Erkrankung variiert.
- Postoperativ kommt Erbrechen bei bis zu 80 % der Kinder vor, bei länger anhaltendem Erbrechen sollte erneut nach der Ursache geforscht werden.11
Komplikationen
- Insgesamt sehr selten Komplikationen. Die Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt gilt als Routineeingriff und hat sich über einen langen Zeitraum bewährt.
- Verletzungen der Duodenalschleimhaut in 0,5–3,6 %2,12
- häufiger beim offenen chirurgischen Vorgehen
- Wird meist intraoperativ erkannt und übernäht.
- bei Nichterkennen: Fieber, druckschmerzhafter und aufgeblähter Bauch, Notwendigkeit einer Re-Operation
- Blutungen
- sehr selten
- Anhaltende Symptomatik aufgrund ungenügender Spaltung der Pylorusmuskulatur
- sehr selten, häufiger bei laparoskopischem Zugang
Prognose
- Postoperative Mortalität von 0,5 % aufgrund von Begleitfehlbildungen (Malrotation, obstruktive Uropathie, Ösophagusatresie, Hiatushernie)2,12
- In der Regel keine langfristigen Folgen von Erkrankung oder Therapie
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Eltern informieren?
- Die Erkrankung geht mit einer günstigen Prognose einher.
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Leitlinien
- Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Hypertrophe Pylorusstenose. AWMF-Leitlinie Nr. 006-056. S1, Stand 2020. www.awmf.org
- Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie. Erbrechen bei Kindern – Bildgebende Diagnostik. AWMF-Leitlinie Nr. 064-017. S1, Stand 2020. www.awmf.org
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Hypertrophe Pylorusstenose. AWMF-Leitlinie Nr. 006-056, Stand 2020. www.awmf.org
- Rodeck B, Zimmer KP (Hrsg.). Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag , 2013.
- Laffolie J, Turial S, Heckmann M et al. Decline in infantile hypertrophic pyloric stenosis in Germany in 2000–2008. Pediatrics 2012; 129: e901-e906. doi:10.1542/peds.2011-2845 DOI
- Murchison, L., De Coppi, P. & Eaton, S. Post-natal erythromycin exposure and risk of infantile hypertrophic pyloric stenosis: a systematic review and meta-analysis. Pediatr Surg Int 32, 1147–1152.2016 link.springer.com
- Lund M, Pasternak B, Davidsen RB, et al. Use of macrolides in mother and schild and risk of infantile hypertrophic pyloric stenosis: nationwide cohort study. BMJ 2014; 348: g1908 BMJ (DOI)
- Feenstra B, Geller F, Carstensen L, et al. Plasma lipids, genetic variants near APOA1, and the risk of infantile hypertrophic pyloric stenosis. JAMA 2013; 310: 714-21. PMID: 23989729. 12. Fadista J, Skotte L, Geller F,Genome-wide meta-analysis identifies BARX1 and EML4-MTA3 as new loci associated with infantile hypertrophic pyloric stenosis.Hum Mol Genet. 2019 12. Fadista J, Skotte L, Geller F,Genome-wide meta-analysis identifies BARX1 and EML4-MTA3 as new loci associated with infantile hypertrophic pyloric stenosis.Hum Mol Genet. 2019 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
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- Krogh C, Biggar RJ, Fischer TK, et al. Bottle-feeding and the Risk of Pyloric Stenosis. Pediatrics 2012. pmid:22945411 PubMed
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- Zampieri N, Corato V, Scirè G,Hypertrophic Pyloric Stenosis: 10 Years' Experience with Standard Open and Laparoscopic Approach. Gastroenterol Hepatol Nutr. 2021 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Singh J. Pediatric pyloric stenosis. Medscape, last updated July 27, 2018. emedicine.medscape.com
- Heinrich M, Neuhaus K. Kinderchirurgie: Basiswissen und Praxis. : W. Zuckerschwerdt Verlag, 2012.
Autor*innen
- Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
- Anne Strauß, Ärztin in Weiterbildung Pädiatrie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).